Kapitel 6 - "Du bist süß."

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Nun standen wir hier vor meiner Haustüre. Ich erlitt sicherlich einen deutlichen Herzstillstand. Auf dem Weg hatten wir kaum mehr geredet. Er wollte mich nach Hause begleiten und siehe einer an. Hier standen wir. Er war zwei Köpfe größer als ich.  Seine Augen - grün-braun-Mischung. Sie funkelten. Sie spiegelten Lebensfreude und Freundlichkeit aus. Waren sie immer so? Diese Frage stellte ich mir und versuchte sie auch zu beantworten, jedoch schaltete sich mein Hirn aus. Er räusperte sich und ich lief mal wieder knallrot an. Ich hatte ihn angestarrt und ihn hat das sichtlich gestört.



"Tut... tut mir Leid." Eigentlich nicht. Es tat mir nicht Leid! Ehrlich gesagt, wollte ich ihn noch weiter anstarren und ihn bewundern. Er sah gut aus, verdammt gut! Das Problem war, dass er mindestens 8 Jahre älter war als ich. Er würde nichts von mir halten. Niemals! Ich war ein Kind und er ... Er war Erwachsen. Erwachsen, schoss es mir in den Kopf. Das war der Unterschied zwischen ihm und Brian. Vielleicht war es auch deshalb, warum er netter wirkte als die anderen. Vielleicht täuschte er das auch nur vor. Ich war aber auch leichtgläubig und naiv, wobei ich das auch schon mehr als Dummheit sah, als naiv. Es schmerzte förmlich!

"Wie alt bist du?", fragte er mich neugierig und auch seine Augen fixierten mich. "In 10 Tagen werde ich 16.", murmelte ich mal wieder leise genug. Aber dennoch wieder so, dass er mich noch hören konnte. "Ich bin 25.", gab er nur knapp von sich. Er wirkte nachdenklich, denn es bildete sich ein -nicht-definierbarer - und -emotionsloser Gesichtsausdruck aus. Der Altersunterschied war zu groß. Viel zu groß. Zum anderen sah er verdammt gut aus. Ich dagegen war eine - ich zittiere Brian und auch die anderen Millionen von Menschen - "eine hässliche fette Dumme Kuh!"  

"Wieso hast du auf dem Weg geweint?", unterbrach er meinen Gedanken.  Jetzt schien er irgendwie besorgt. Ein wenig bedrückt. Das ausdruckslose Gesichtsausdruck war weg. Er schien wirklich daran interessiert zu sein. "Ist nicht so wichtig.", war meine Antwort darauf, mehr auch nicht. Inzwischen war es wirklich nicht mehr wichtig. Immerhin war es mein Alltag geworden. Nichts mehr besonderes. "Okay, du kennst mich nicht. Vielleicht darum... Aber ich will mit dir reden." Er reichte mir seine Hand, nahm meines ins seines. "Bitte." Er flehte mich an.Ich konnte nicht widerstehen. Trotzdem war ich noch etwas misstrauisch. Ich kramte nur ungern mein Handy aus meiner Hosentasche, als ich bemerkte, dass er nicht nachlassen würde. "Ich bin doch gar nicht dein Typ.", schoss es mir aus meinem Mund. Und ehe ich realisierte, was ich gesagt hatte, schaute ich beschämt weg. "Das kannst du doch gar nicht erst wissen, oder?" Er legte zwei Finger unter meinem Kinn. So war ich leider gezwungen ihn anzusehen.

"Du bist süß. Ehrlich. Etwas jünger, aber süß und das gefällt mir." "Du kennst mich gar nicht."  "Dennoch find ich deine Verlegenheit und deine Unsicherheit, dein Misstrauen süß." Was? Wieso tat er das? Das glaubte ich ihm kaum. Ich wollte, aber mein Inneres Ich hielt mich zurück. Ich wurde noch nie gemocht. Und schon gar nicht von einem Jungem. Besonders seines Gleichens. Er... Er sieht doch verdammt gut aus. Er kann jeden haben. "Das kann nicht sein. Mich findet niemand gut. Nicht mal süß." "Ich bin in diesem Fall wohl ein niemand." Er war hartnäckig. Was hatte er denn davon? Niemand würde sich je freiwillig mit einem Opfer abgeben? Niemals. Schon gar nicht, wenn man - meiner Meinung nach - Model als Beruf ausübte. "Gibst du mir deine Nummer?" "Kannst du bitte gehen?" "Wenn du mir versprichst, dass wir uns wieder sehen?" "Nein.", kam es mir  aus meinem Mund wie aus der Pistole geschossen. Sofort spürte ich meine Wangen glühen. Ohne zu zögern wandte ich mich ab. Ich wollte ihn nicht mehr begehren. Ich konnte nicht mehr.

"Tschüss!", verabschiedete ich mich.  Für meine Verhältnisse war ich heute echt mutig gewesen. Ich hatte mit einem hübschen Jungen geredet. Nur wenig. Ganz kleines bisschen. Aber das zählte. Mir gingen seine Augen nicht aus dem Kopf. Sein Tattoo - obwohl ich sowas normalerweise nicht mochte - fand ich total anziehend. Doch was fand er denn an mir? Ich schlug die Haustüre zu - ganz egal, ob er noch dort stand oder nicht. Eilig begab ich mich in die Küche um was zu essen. Einen Apfel ehrlich gesagt, auf mehr hatte ich keine Lust.Danach ging ich auch schon wieder in mein Zimmer. Meine Tasche warf ich behutsam auf mein Bett. So als ob es kaputt gehen könnte. Aber so war das nicht.

Da ich keine beste Freundin oder einen besten Freund hatte, schrieb ich meine Gedanken und Gefühle in mein Tagebuch. Mehr konnte ich auch nicht machen. Insgeheim wünschte ich mir, aber ihn je wieder zu sehen. Er war reifer als die anderen Jungs, in meinem Alter. Obwohl... der Altersunterschied... den konnte man doch gar nicht ignorieren, oder? Cem... was hast du angestellt? Wieso denke ich gerade an dich? Wieso bist du so gut aussehend? Warum habe ich je mit dir geredet? Zwar nicht viel, aber... ich habe es getan? Mit einem Fremden? Ich will dich wieder sehen. Wieder... Aber ich sollte nicht.



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