Kapitel 8 - "Verurteile mich nicht!"

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"Was hast du gesagt? Wieso wirst du denn gemobbt? Ah, egal. Wir gehen erst zum Arzt und dann gehen wir was gemeinsam essen. Danach kannst du mir alles in Ruhe erzählen...", schlug er vor.

Ich nickte kaum merklich und schon spürte ich eine sanfte Berührung an meinen Handgelenken. Ich zuckte zusammen. "Das ist weitaus mehr als Mobbing.", murmelte er eher zu sich selber. "Geht's?"  Ich antworte verzögert mit einem Nicken, ergänzte mich dann doch mit Worten.  "Es geht."  "Komm mit... Wir gehen zum Arzt." "Nein, nein nicht nötig." "Und wie nötig!", erwiderte er. Er nahm meine Hand in seine und zerrte mich in eine Richtung. Eine warme durchströmte meinen Körper bis hinauf in mein Gesicht. Röte stieg wieder in mein Gesicht. Farbe in meinem Gesicht.  Es war ein angenehmes, aber unbekanntes Gefühl.  Ich wusste genau, was die Ursache von diesem Gefühl war. Er.

"Cem...", nuschelte ich. "Hm?" "Ich... Du brauchst das nicht tun." "Ich will das aber ... Und Melek? Ich bin nicht wie DIE! Ich bin nicht wie deine Freunde beziehungsweise wie deine Feinde in der Schule! Ehrlich! Ich will dir helfen, okay? Und jetzt sei so gütig und lass dir helfen!"  Das waren Worte, Worte ich dich eventuell nie wieder hören würde. Die, die ich hören wollte. "Du kennst mich nicht mal."
 "Dann lernen wir uns nachdem Arztbesuch kennen!"  "Das willst du sicher nicht.",murmelte ich leise. "Was ich will oder nicht, kannst du nicht wissen!", zischte er. "Und jetzt - hör verdammt nochmal auf mich zu verurteilen, obwohl du MICH NICHT kennst!" Er wurde wütend. Ich schluckte meine weiteren Fragen und Antworten runter.

Er zog mich mit rein in die Arztpraxis. "Ist Doktor Yilmaz da?", fragte er einen der Arzthelferinnen.Sie nickte. Ich biss auf meiner Unterlippe rum und hatte noch immer Schmerzen. Mein Blick fiel auf unsere Hände. Wie schön und warm seine Hand sich in meiner fühlte... Egal, ob er jetzt noch fremd war oder nicht. Es fühlte sich richtig an. Es wärmte mich auf und für einen Augenblick vergas ich alles um mich herum. Doch es war kaum zu glauben, dass ausgerechnet jemand wie Cem - mich mochte. Oder es zumindest versuchte. Er verurteilte mich nicht. Er wollte mich wirklich kennenlernen. Wortwörtlich... Aber dennoch konnte ich mir nicht sicher sein. Wer sagte, dass es nicht nur eine Phase war? Wer wusste, ob ich ihm wirklich vertrauen konnte? Ich wollte es nicht! Ich konnte es einfach nicht! Auch wenn ich wollte, würde das nicht so schnell funktionieren. "Kommst du?"

Erst jetzt realisierte ich, wie Cem an meiner Hand zog um mich zu einem der Krankenzimmer zu ziehen. Ich nickte mal wieder nur stumm und folgte ihm. "Hey, Kumpel.", begrüßte er den Arzt und der Arzt, bestimmt so gut aussehend wie Cem, drehte sich in unsere Richtung. "Hey, Cem. Wer ist des?", antwortete er. "'ne Freundin. Melek. Melek, das ist Burak. Mein bester Freund." Er hielt mir seine Hand hin und ich zögerte etwas. Immerhin war meine Hand ebenso mit Blut verschmiert.  Er musterte mich. "Oh, ich sehe schon. Komm setz dich.", bat er mich und deutete auf die Liege. Inzwischen spürte ich wie meine Haare voll mit meinem Blut waren, aber mich störte es nicht mehr. Cem, er hatte mich die Schmerzen für einen kurzen Augenblick vergessen lassen. Doch jetzt, jetzt wo der Arzt es zunähen musste, kam er mir viel schlimmer vor, als vor einigen Minuten. Ich schrie und biss immer wieder auf meiner Lippe herum, um zu verhindern noch lauter zu werden.

"Okay, war eine heftige Platzwunde!", äußerte er sich. "Wie ist sie zustande gekommen?", hakte er noch ein weiteres mal ein. "Bin mit dem Kopf an die Wand gekommen?" Er hob seine rechte Augenbraue hoch. So, als würde er mir nicht glauben, aber unterließ weitere Fragen. Seine braune Augen durchbohrten meine. Sie wirkten so seriös. Sie strahlten Freude aus und Leidenschaft. Das machte ihn umso anziehender. Sein Blick und sein Lächeln galten mir. Oh man. Oh man.Oh man! Ein junger und gut aussehender Arzt. Und dann auch noch Cem neben mir... Ein Traum. Anders konnte ich das mir nicht erklären. Zwischen zwei verdammt gut aussehenden Männer? Sie waren doch beide viel älter als ICH! Verflucht sollen sie sein, diese älteren und gutaussehenden Männer, die mich gerade verrückt und verlegen machten. "Bruder, wir dürfen schon gehen, oder?" Burak nickte. "Wenn du Schmerzen hast, dann verschreib ich dir was." Ich nickte. "Wäre gut.", nuschelte ich. Mein Gesicht gleichte einer Tomate, da war ich mir nun sicher. Ich wurde immer leiser. Wieso war ich so nervös und aufgeregt? So ganz plötzlich? Was geschah mit mir? Er druckte das Rezept aus und unterschrieb. "Gute Besserung."

Cem hielt noch immer meine Hand in seiner. "Essen?" "Nein, nicht nötig." "Melek!", knurrte er. "Lass dir helfen, bitte." "Cem, sag mir eins? Willst du mit mir spielen? Ein Experiment? Oder was soll das?  Ein Junge. Oh man... Ein Mann eher... Du bist fast 10 Jahre älter als ich und du...du bist verdammt gut aussehend... Und... Ich... ich bin ein Opfer.  Mich mag niemand. Warum solltest du mich mögen? Von heut auf Morgen kommt ein Fremder, der auftaucht und versucht mit mir zu reden!  Es ergibt für mich kein Sinn... Du kannst ... Du kannst jeden haben... Mit jedem reden. Willst du vielleicht auch über mich lachen, wie alle anderen? Wenn ich mich auf dich einlasse? Oder..." , stotterte ich. Zum ersten Mal habe ich meine Gefühle und Gedanken so veröffentlicht.

Ich wurde durch einen Kuss unterbrochen.

Gibt es überhaupt Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt