Kapitel 31

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Ein lautes Klopfen reißt mich aus meinen Träumen. Erschrocken blicke ich auf die Uhr, die mir deutlich macht, dass ich verschlafen habe. Mist! Leichtfüßig springe ich aus dem Bett und hetze zur Tür, die ich schwungvoll öffne.
„Liam, es ...", plappere ich los, halte jedoch im nächsten Moment inne.
„Guten Morgen, Zoe!", sagt Louis mit einem unsicheren Lächeln im Gesicht.
„Louis?", entfährt es mir überrascht. „Was gibt's?"
„Sorry, dass ich dich geweckt habe, aber ...", setzt er vorsichtig an.
„Nein! Du hast mich nicht geweckt! Ich bin schon lange auf", lüge ich, um meine Unsicherheit zu verbergen.
Louis Blick schweift über meine Haare, die mir offensichtlich wild zu Berge stehen.
„Achso. Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast, mit mir gemeinsam zu El zu fahren", fragt er zögerlich.
„Ich glaube, das ist keine gute Idee!", antworte ich verhalten. „Außerdem bin ich schon mit Liam verabredet."
Abschätzend betrachtet er mich, dreht schließlich auf dem Absatz um und geht in sein Zimmer.

Was war das denn? Ist er jetzt etwa sauer? Der soll doch alleine zu seiner heißgeliebten El gehen und mich in Ruhe lassen!

Voller Vorfreude auf den Tag mit Liam steige ich unter die Dusche. Ich kann jedoch nicht verhindern, dass sich Louis Gesicht erneut in meine Gedanken schleicht. Warum war er so komisch? Warum habe ich das Gefühl, dass er traurig war, als ich ihm sagte, dass ich etwas mit Liam unternehme?
Gemeinsam mit dem Schaum wasche ich auch meine belastenden Grübeleien ab. Kurz darauf erscheine ich gutgelaunt in der Küche.

Als ich Liam am Tisch sitzen sehe, salopp gekleidet, mit feuchten Haaren, die er nach hinten gekämmt hat, spüre ich ein leichtes Kribbeln im Bauch, während mein Herz für einen Moment schneller schlägt.
„Hey! Guten Morgen!", ruft er mir freudig entgegen. Das Kribbeln wird stärker und meine Wangen färben sich rot. „Du bist ja schon fertig!"
„Klar! Hast du nicht gesagt, du wolltest früh los?", kontere ich aufgeregt.
Lächelnd kommt er auf mich zu, küsst mich auf die Wange und streicht mir über die Schultern. „Willst du noch frühstücken, oder können wir fahren?", will er aufmerksam wissen.
„Ich habe keinen Hunger, von mir aus kann es losgehen", antworte ich fröhlich.

Als wir zu Liams Range Rover gehen, fällt mir auf, dass der Kofferraum mit großen Kisten und Kartons gefüllt ist. Ohne ihn darauf anzusprechen, steige ich ein.

Während Liam den Wagen sicher über die Autobahn steuert, betrachte ich ihn von der Seite. Vielleicht habe ich mich doch in ihm getäuscht. Er wirkt nicht wie ein Aufschneider, der es ausnutzt, mit dem Geld seines Vaters alles kaufen zu können. Anders als Harry, der es genießt, dass ihm die willigen Mädchen zu Füßen liegen, wenn er seine Kreditkarte zückt.

„Wo fahren wir hin?", will ich neugierig wissen.
„Das verrate ich nicht!", entgegnet er stur.
„Wie lange fahren wir noch?"
„Nicht mehr lange, wir sind bald da", antwortet er gelassen.
„Wenn wir eh gleich da sind, kannst du mir doch sagen, wo es hin geht! Du weißt doch, dass Vorfreude die schönste Freude ist", versuche ich ihn zu überreden.
„Vergiss es, Zoe! Ich habe bis heute noch keinen Menschen dorthin mitgenommen. Nicht einmal mein Vater war dort, obwohl er weiß, was ich dort mache!", unterbricht er mich barsch.
Nachdenklich schaue ich aus dem Fenster. Nicht einmal sein Vater? Was hat der denn damit zu tun? Ich dachte wir machen einen schönen Ausflug, bei welchem ich sein wahres Ich kennenlerne!

Einige Minuten später verlassen wir die Autobahn. Nachdem wir noch ein Stück über die Landstraße gefahren sind, taucht ein großes Tor vor uns auf. Über dem Torbogen prahlt uns ein in geschwungenen Lettern geschriebener Schriftzug entgegen: BUTTERFLY RANCH.

Verdutzt schaue ich zu Liam, der in diesem Moment jedoch aussteigt, um das Tor zu öffnen. Wenig später befahren wir die lange Auffahrt des großzügigen Anwesens. Links und rechts von uns erstrecken sich Bäume, dahinter befinden sich Felder, auf welchen Obstbäume angepflanzt sind.
„Wem gehört die Ranch?", frage ich verwundert, während ich meinen Blick nicht von dem Herrenhaus wenden kann, welches sich plötzlich vor uns erstreckt.

Völlig unerwartet strömen aus allen Ecken und Enden des Anwesens Kinder. Noch bevor wir das Fahrzeug verlassen können, sind wir umzingelt von einer Gruppe lachender und schreiender kleiner Menschen.
„Liam! Liam!", schreien sie ungezügelt. Als Liam es endlich schafft, den Wagen zu verlassen, springt ihm ein kleines Mädchen, etwa fünf Jahre alt, entgegen. Liebevoll umschlingt sie seinen Hals, während er sie auf den Arm nimmt. Völlig verwirrt und ungläubig beobachte ich die Situation.
„Komm raus!", ruft Liam mir zu, während ich noch immer wie versteinert im Fahrzeug sitze.
Glücklicherweise haben die Kinder kein Interesse an mir, so dass ich ungestört aussteigen kann.
Ohne, dass ich es bemerkt habe, hat sich eine ältere, rundliche Frau einen Weg durch die Kinderschar gebahnt. Lächelnd begrüßt sie Liam, wobei sie ihn kurz umarmt.
„Genug, ihr Raubtiere! Lasst Liam doch erst einmal in Ruhe ankommen. Ab in den Garten mit euch!", ruft sie in die lärmende Menge. Umgehend ziehen die Mädchen und Jungen sich zurück, winken Liam zu, während sie in den rückseitigen Garten laufen. Das kleine Mädchen, welches Liam auf dem Arm hat, macht jedoch keine Anstalten, ihre Errungenschaft loszulassen.
„Soll ich sie dir abnehmen?", fragt die freundliche Frau Liam.
„Nein! Schon gut! Ich habe sie auch vermisst, sie kann bei mir bleiben", erwidert er fürsorglich. Dann wendet er sich an mich. „Zoe! Das ist Karla, die gute Seele der Ranch", stellt er mich der rotbackigen Frau vor. „Und das ist Zoe, eine gute Freundin", erklärt er schüchtern.
„Hallo Zoe! Schön dich kennenzulernen. Du bist der erste Besuch, den Liam hierher mitbringt", begrüßt Karla mich freundlich.
Während Karla voraus ins Haus geht, nimmt Liam mich bei der Hand.
„Das ist übrigens Marie! Marie, das ist Zoe!", stellt er mich dem kleinen Mädchen auf seinem Arm vor.
Marie wirft mir einen abschätzenden Blick zu.
„Bist du Liams Freundin?", will sie direkt wissen.
„Äh... eigentlich ... ja. Hast du was dagegen?"
„Nein! Er kann dich ruhig als Freundin haben, aber heiraten wird er mich!", erklärt sie mit Überzeugung. „Stimmt's Liam? Das hast du mir versprochen!"
„Natürlich Marie! Du bist und bleibst die wichtigste Frau in meinem Leben", bestätigt er, wobei er Marie einen Kuss auf die Wange gibt.
„Wie alt bist du denn, Marie?", wage ich mich vorsichtig vor.
„Fünf! Warum?", funkelt meine Konkurrentin mich an.
„Fünf schon? Na dann kann ich aber nicht mehr lange Liams Freundin sein, dann wird er dich schon bald daten!", erkläre ich mit ruhiger Stimme.
Augenblicklich verändert sich der Gesichtsausdruck des Mädchens. Ein zaghaftes Lächeln zuckt um ihre Mundwinkel, ihre Augen strahlen mir freudig entgegen.
„Du bist nett! Ich erlaube dir, mit Liam zusammen zu sein! Aber nur bis ich alt genug bin!", erläutert sie ernst.
„Natürlich!", nicke ich bestätigend.

Im Wohnzimmer des geräumigen Herrenhauses, setzen wir uns auf das bequeme Sofa. Dabei weicht Marie nicht von Liams Seite.
„Karla, kannst du Bob und Jack Bescheid sagen, dass sie die Kisten ausladen? Ich habe die versprochenen Roller mitgebracht", wendet sich Liam an die rundliche Frau.
Im nächsten Moment verschwindet Karla durch die Tür.

Jetzt umfasst Liam Maries Schultern und dreht sie zu sich, damit er ihr in die Augen schauen kann.
„Marie? Du bist doch schon groß! Kannst du Zoe und mir ein Glas kalte Limonade bringen? Das wäre super nett von dir", bittet er das kleine Mädchen.
Für einen kurzen Augenblick schwenkt ihr Blick zu mir, anschließend jedoch lächelt sie freudig und springt von Liams Schoß. Mit ihren kleinen Füßen trappelt sie hinaus in die Empfangshalle.

„Wow!", stoße ich überwältigt aus.
„Wow? Ist das alles, was dir einfällt?", will er beunruhigt wissen.
Langsam schüttle ich den Kopf. „Ich weiß nicht! Ich glaube, ich brauche noch ein paar Informationen von dir, bevor ich wirklich begreife, was hier vor sich geht. Wie kommt es, dass dich alle hier kennen?"
„Ich habe die Ranch aufgebaut. Natürlich mit viel Hilfe!", erzählt er zögernd. „Kannst du reiten?"
„Was? Wie kommst du jetzt darauf?", will ich erstaunt wissen.
„Zu dem Anwesen gehört ein kleines Gestüt. Ponys für die kleinen Kinder und zwei Pferde für Größeren. Also, kannst du reiten?", wiederholt er seine Frage.
„Ja, ein bisschen. Ich habe als Teenager zwei Urlaube auf einem Reiterhof verbracht", gebe ich zögernd zu.
„Das sollte reichen! Los komm!", fordert er mich auf, während er aufspringt.
In diesem Moment erscheint Marie mit zwei vollgefüllten Gläsern. Konzentriert schleicht sie ins Zimmer, um keinen Tropfen der süßen Flüssigkeit zu verschütten.
„Danke Marie!", sagt Liam, während er ihr die beiden Gläser aus der Hand nimmt. Nachdem er einen kräftigen Schluck des kühlenden Getränkes zu sich genommen hat, strahlt er Marie an. „Das tut gut! Du bist ein Engel, Marie! Ich werde jetzt mit Zoe ausreiten und danach lese ich dir weiter vor, in Ordnung?", sucht er die Zustimmung seiner kleinen Freundin.
Unsicher schaut Marie Liam in die Augen, fällt ihm anschließend um den Hals und küsst ihn auf die Wange.
„In Ordnung! Aber bleib nicht zu lange weg!", wispert sie ihm ins Ohr.
„Keine Sorge! Wir sind ganz schnell wieder zurück!", beruhigt er sie, wobei er sie liebevoll an sich drückt.
Beim Anblick dieser Szene schießen mir Tränen in die Augen. Ich bin so gerührt, von Liams liebevoller und zärtlicher Seite, dass ich tief durchatmen muss, um das Überlaufen der salzigen Flüssigkeit zu vermeiden.

Ungestört erreichen wir den Stall. Ein junger Stallbursche kommt uns freundlich entgegen.
„Hey Liam! Willst du ausreiten?"
„Hallo Richie! Kannst du zwei Pferde satteln, ich habe heute einen Gast!", entgegnet er.
Nachdem Richie mich von oben bis unten begutachtet hat, stößt er einen leisen Pfiff aus.
Während wir den Stallburschen beobachten, wie er zwei Pferde aus dem Stall führt, wende ich mich an Liam. „Ist er nicht etwas jung für diesen Job?"
„Richie ist nicht angestellt! Er wohnt hier! Er ist eines der Waisenkinder, denen ich zu einem guten Start ins Leben verhelfen will. Er sowie die anderen Kinder helfen freiwillig mit, wo immer ihre Hand gebraucht wird", erklärt Liam leise.

Liam tritt auf einen schwarzen Hengst zu, um einen Sattel zu befestigen. Richie erledigt diese Aufgabe bei meinem Pferd, einer hellbraunen Stute, die mich aus treuen Augen anblickt.

Schließlich reiten wir los. Obwohl ich bereits ein neues Bild von Liam in mir erschaffen habe, ist mir nicht bewusst, was bei diesem Ausflug noch alles auf mich zukommt.

...Praying (FF Louis Tomlinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt