Kapitel 36

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Während ich mit Liam, Zayn und Rose am Kamin stehe, betrachte ich die neu ankommenden Gäste. Es handelt sich relativ ausgeglichen um beide Geschlechter, wobei ich mir sicher bin, dass sich nicht nur Studenten unter den Gästen befinden. Nachdenklich rätsle ich über deren berufliche Tätigkeiten, als sich plötzlich Niall zu uns gesellt.
„Schaut euch Harry an! Ich wette zehn Pfund, dass er dieses Mädchen bis Mitternacht abschleppt!", verkündet er leise in die Runde.
Irritiert über seine Aussage, wende ich mich an ihn, möchte mich gerade über seine Voreingenommenheit beschweren, als Liam mir zuvor kommt. „Ich wette dagegen!", sagt er in ernstem Ton. Na also, wenigstens Liam glaubt an Harrys Anständigkeit! „Zehn Pfund, dass er sie bis spätestens zehn Uhr in der Kiste hat", stößt er selbstsicher aus.
Geschockt starre ich ihn an. Mein Blick gleitet über Niall bis zu Zayn, der sich kurz mit Rose bespricht. Anschließend gibt auch er seinen Tipp ab. „Ich denke, er wird sich etwas mehr Zeit lassen und erst am Ende der Party mit ihr verschwinden."
„Ist das euer Ernst?", werfe ich aufgebracht ein. „Ihr wettet darum, wann Harry mit einem Mädchen schläft?"
Liam legt besänftigend seinen Arm um meine Schultern. „Zoe, wir kennen Harry mittlerweile sehr gut. Nach einer Party, wie dieser, ist er bisher noch nie alleine in seinem Bett aufgewacht! Willst du mitmachen?", schlägt er hoffnungsvoll vor.
Erstaunt blicke ich von einem zum anderen, bis ich schließlich Harry beobachte, der mit einer Flasche Bier in der Hand neben einem dunkelhaarigen, hübschen Mädchen sitzt. Er unterhält sich angeregt mit ihr, wobei ich in seinem Blick eine Neugier erkenne, die nichts Sexuelles an sich hat. Er interessiert sich wirklich für seine Gesprächspartnerin, nicht nur für ihren Körper. Davon bin ich jedenfalls überzeugt, egal, was die anderen Jungs glauben.
„In Ordnung! Ich bin mir sicher, er wird heute kein Mädchen abschleppen und morgen früh alleine in seinem Bett aufwachen", gebe ich überzeugt meinen Tipp ab.
Vier große Augenpaare starren mich ungläubig an. „Ist das dein Ernst? Wie kommst du darauf?", will Niall schockiert wissen.
„Vielleicht glaube ich einfach noch an das Gute im Menschen – im Gegensatz zu euch!", werfe ich den erstaunt Dreinblickenden entgegen.
„Schon gut!", mischt sich Liam ein. „Lasst Zoe in Ruhe. Sie kennt Harry nicht so gut wie wir! Ich zahle deine Schulden, Süße, wenn du verlierst!"
„Danke! Aber ich glaube nicht, dass ich verliere. Und selbst wenn – dann kann ich meinen Wetteinsatz schon alleine bezahlen", fauche ich ihn beleidigt an. Neugierig wandert mein Blick erneut zu Harry, der offenbar gerade seine charmante Seite zeigt, indem er das Mädchen höflich zum Tanz auffordert.

Der DJ spielt ein ruhiges Liebeslied. Mit dem Rücken an Liam gelehnt, bewege ich mich zu dem langsamen Rhythmus. Dabei beobachte ich weiterhin neugierig Harry, dessen Hände auf dem Rücken des hübschen Mädchens liegen, während sie sich bedacht zu den Klängen der Musik bewegen.
„Lass uns tanzen!", fordere ich meinen Freund auf. In diesem Moment klingelt sein Handy.
Hektisch zieht er es aus seiner Hosentasche, blickt auf das Display und verzieht bedauernd sein Gesicht. „Sorry, Süße! Auf den Anruf warte ich schon den ganzen Tag. Ich bin gleich zurück", entschuldigt er sich kurz. Im nächsten Moment verschwindet er, mit dem Telefon am Ohr, aus dem Zimmer. Obwohl ich enttäuscht bin, kann ich ihm nicht wirklich böse sein. Ich weiß mittlerweile, wie wichtig ihm sein Projekt Kinderheim ist und dass er für anstehende Probleme immer erreichbar sein will.
„Niall hast du Lust, zu tanzen?", wende ich mich dem blonden Jungen unserer Gruppe zu.
Lächelnd reicht er mir den Arm, um mich auf die provisorische Tanzfläche zu führen.

Harry hat ganze Arbeit geleistet, bei seinen Vorbereitungen für die Party. In dem großen Wohnzimmer wurden die Möbel zur Seite geschoben, Lichter an die Decke gehängt sowie eine kleine Musikanlage für den DJ aufgestellt. Der eigens engagierte Barkeeper breitet sich in der Küche aus, wo er seinen Gästen jeden nur erdenklichen Wunsch an Getränkekreationen erfüllt. Obwohl ich den Überblick über die Anzahl der Gäste mittlerweile verloren habe, ist der Raum nicht überfüllt, da sich die jungen Leute nach ihren Bedürfnissen verteilen. Viele stehen in der Küche, einige besuchen den Garten, um zu rauchen. Trotz der unüberschaubaren Menge an Personen, läuft die Party verhältnismäßig diszipliniert ab.

Im Einklang der Musik bewegen wir uns langsam hin und her. Nialls Hände liegen auf meinen Hüften, meine Arme habe ich um seinen Hals geschlungen. Meine Gefühle zu ihm sind rein freundschaftlich, wodurch ich mich geborgen und wohl fühle. Als das Lied zu Ende ist erklingt erneut ein ruhiger Liebessong. Gerade, als er mich näher zu sich heranziehen will, unterbricht ihn ein deutlicher Schlag auf seine Schulter.
„Sorry! Darf ich auch mal?", vernehme ich Louis bestimmende Worte.
Unverzüglich lässt Niall mich los. „Klar! Ich muss mir eh was zu trinken holen", erklärt er lächelnd, während er mich in Louis Richtung schiebt.

Langsam legt er seine Arme um meinen Körper. Ich spüre jeden einzelnen seiner Finger auf meinem Rücken. Wie Feuer brennen sie sich auf meine Haut. Nachdem ich keine Anstalten mache, ihn zu umarmen, zieht er mich auffordern ein Stück näher.

„Ich will nur mit dir tanzen, Zoe! Warum darf Niall das und ich nicht?", wirft er mir leise vor.
„Du weißt genau, warum!", stoße ich wütend aus. Mir bleibt keine andere Wahl, als meine Arme um seinen Hals zu legen. Seine Nackenhaare kitzeln an meinen Fingerspitzen, was es mir schwer macht, nicht sofort meinem Verlangen nachzugeben. Ich würde so gerne in seine Haare greifen, ihn an mich ziehen und ....
„Ich habe dir versprochen, dass wir normal miteinander umgehen. Dazu gehört doch auch, dass wir tanzen können, ohne uns zu streiten, oder?", erklärt er vorsichtig.
Streiten ist gerade mein geringstes Problem!
Während wir uns langsam hin und her bewegen, schauen wir uns unaufhaltsam in die Augen. Ich kann so viel in seinem Blick erkennen. Bedauern, Sehnsucht, Liebe?
Wir verlieren vollkommen das Zeitgefühl. Ein kräftiger Ruck reißt uns auseinander.
„Darf ich auch mal?", sagt Liam etwas lauter als nötig.
Sofort gibt Louis mich frei. „Ich hab nur auf sie aufgepasst, bis du wieder kommst", teilt Louis seinem Freund lächelnd mit.

Während Liam mich an sich zieht, um sich mit mir zur Musik zu bewegen, erkenne ich aus den Augenwinkeln, wie Louis mit einem Mädchen die Tanzfläche betritt. Engumschlungen wiegen sie sich zum Rhythmus. Dabei wirft sie ihre blonden langen Haare aufreizend über ihre nackten Schultern. Abschätzend betrachte ich sie. Ihr weißes Top ist viel zu eng und leicht durchsichtig. Ihr auffälliger roter Rock trägt schwarze Punkte, was dem ganzen einen billigen Ausdruck verleiht. Wie kann Louis nur auf so etwas stehen?

„Hast du Streit mit Louis?", flüstert Liam mir ins Ohr.
Schlagartig bin ich alarmiert. „Nein! Wie kommst du darauf?"
„Ihr habt euch nicht gerade freundlich angeschaut. Ich dachte, vielleicht habt ihr kurz vorher gestritten", erklärt er seine Beobachtung.
„Mach dir keine Sorgen. Es ist alles in Ordnung", versuche ich seine Bedenken zu zerstreuen.
Schnell lege ich meinen Kopf an seine Schulter, um mein schlechtes Gewissen zu verstecken.
Unbemerkt beobachte ich Louis, der seine Partnerin fest an sich drückt, während er mit ihr tanzt. Ich kann einen leichten Stich in meiner Herzgegend nicht vermeiden.

Drei Lieder später begeben wir uns in die Küche, um uns eine Erfrischung bei dem Barkeeper zu holen. Dabei bemerken wir, wie Niall bedrückt in einer Ecke sitzt, eine Bierflasche in der Hand. Während Liam an der Bar auf unsere Getränke wartet, steuere ich auf Niall zu.
„Hey Niall! Was ist los? Hast du nicht gesagt, du wolltest nichts mehr trinken?", versuche ich lustig zu klingen.
„Mir egal!"
„Ist etwas passiert? Willst du darüber reden?", schlage ich behutsam vor.
„Nein! Lasst mich in Ruhe!", antwortet er gereizt.
Besorgt wende ich mich an Liam. „Kannst du mal mit ihm reden? Irgendetwas hat er. Heute Morgen hat er noch erklärt, er wolle keinen Alkohol mehr trinken und jetzt sitzt er alleine da und kippt sich ein Bier rein", erkläre ich meine Befürchtungen.
„Ein Bier wird ihn schon nicht gleich umhauen! Wenn er reden will, wird er schon kommen!", weist Liam mich beruhigend ab.
In diesem Moment leert Niall seine Flasche in einem Zug. Anschließend stellt er sie neben sich ab und greift nach einer neuen Flasche Bier.
„Vielleicht hast du doch Recht! Ich rede mal mit ihm", meint Liam plötzlich beunruhigt.

Liam geht zu seinem Freund, redet kurz auf ihn ein und verlässt anschließend mit ihm die Küche durch die Hintertür. Hoffentlich erzählt Niall seinem Freund, was er auf dem Herzen hat.

Gelangweilt schlendere ich zurück ins Wohnzimmer. Harry sitzt mit seiner Eroberung wieder auf dem Sofa und unterhält sich mit ihr. Obwohl es mittlerweile fast Mitternacht ist, sieht es noch nicht so aus, als ob er in nächster Zeit mit ihr auf dem Zimmer verschwinden will.
Siegessicher trete ich an Zayn und Rose heran. „Da werdet ihr eure Wette heute das erste Mal verlieren, du wirst schon sehen", streiche ich ihnen unter die Nase. Gelangweilt zuckt Zayn die Schultern.
„Was ist eigentlich mit diesem Produzenten aus Amerika geworden? Wollte der nicht die Zeichnungen in deinem Zimmer begutachten?", will ich neugierig wissen.
„Du meinst Anthony Gregory? Der musste leider schon abreisen. Er schrieb mir, ich solle Fotos von den Comics per Email an ihn schicken", erklärt Zayn entmutigt.
„Warum erzählst du das so traurig? Das ist doch ein gutes Zeichen, dass er sich bei dir gemeldet hat", versuche ich ihn aufzumuntern.
„Ich bin mir da nicht mehr so sicher ...", setzt er kleinlaut an.
„Spinnst du? Du schickst ihm die Fotos, sofort morgen, verstanden?", fauche ich ihn ungehalten an. „Versprich mir, dass du es tust!"
Es entgeht mir nicht, dass Zayn leicht die Augen verdreht, bevor er antwortet. „Ja! Wenn du wirklich glaubst, dass es etwas bringt?"
„Wenn nicht, hast du es wenigstens versucht! Gib deinen Traum nicht so schnell auf, Zayn!", werfe ich ihm vor.
Erst jetzt mischt Rose sich ein. „Sei nicht so streng mit ihm, Zoe! Er hat einfach Angst, eine weitere Enttäuschung zu erleben."
„Eine weitere Enttäuschung?", hake ich verständnislos nach.
„Ja, er hat schon einmal ...", fängt Rose an, wird aber abrupt von einem lauten Knall unterbrochen. Erschrocken drehen wir uns zur Geräuschquelle um, wo eine volle Bierflasche auf den Glastisch am Rand der Tanzfläche gekracht ist. Schnell kommt eines zum anderen. Zwei junge Männer streiten, Harry mischt sich ein, wird von einer Faust getroffen. Zayn stürmt auf die kleine Gruppe zu, um ihm zu helfen, wird dabei selbst niedergeschlagen, was wiederum Rose dazu bewegt, besorgt auf ihren Freund zuzulaufen. Einen Augenblick später schreitet ein Security-Mann ein und beendet den Konflikt zwischen den Streitenden.

Während Harry lediglich eine schmerzende Stelle am Kinn davongetragen hat, muss Zayn mit einer aufgeplatzten Wunde über seinem linken Auge kämpfen. Rose bringt ihn fürsorglich aus dem Raum und geht mit ihm hinauf in sein Zimmer. Harry lässt sich von seiner Eroberung bemitleiden und setzt anschließend seine Unterhaltung mit dieser fort.

Verlassen stehe ich da, überlege, was ich jetzt tun soll. Wo sind eigentlich Liam und Niall? Ich beschließe, in den Garten zu gehen, um die beiden zu suchen.

In der Küche schiebe ich mich an den vielen Gästen vorbei und erreiche schließlich die Hintertür. Kaum habe ich den kühlen Garten betreten, stoße ich fast mit einem küssenden Pärchen zusammen. Einige Meter weiter entdecke ich ein verliebtes Paar auf der Bank. Schlagartig bleibe ich stehen. Es ist offensichtlich, was die beiden dort treiben. Das blonde Mädchen sitzt auf dem Schoß des Jungen, während sie sich innig küssen. Von dem Mann erkenne ich lediglich seine braunen Haare, jedoch was ich von dem Mädchen sehe, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren.
Seine Hände ruhen unter ihrem Kleidungsstück. Einem roten Rock mit schwarzen Punkten.

...Praying (FF Louis Tomlinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt