Kapitel 16

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„Louis? Was ist los? Warum schaust du mich so ernst an?", will ich vorsichtig wissen.
Hat er einen Schock? Ist es der hohe Blutverlust? Quatsch! Bleib mal auf dem Teppich!

Langsam senkt er seinen Kopf. Erst jetzt bemerke ich das Blatt Papier, welches er in Händen hält. Behutsam setze ich mich neben ihn. Keiner von uns beiden denkt mehr an seine blutende Ferse. Das Pflaster in meiner Hand wird zur Nebensache.
„Ist das ein Brief?", stelle ich die offensichtliche Frage.
Ein Blick auf den Boden verrät mir, dass in dem Bilderrahmen ein Bild von El steckte. Mit glücklichen Augen blickt sie in die Kamera, neben ihr Louis, der ihr einen angedeuteten Kuss auf die Wange gibt.
„Er ist von El", flüstert Louis kaum hörbar. „Sie hat ihn, laut Datum, vor einem halben Jahr geschrieben. Warum sie den Brief auf der Rückseite des Bildes versteckt hat, weiß ich nicht. Sie hat ihn mir nie gegeben."
„Was steht drin?", frage ich behutsam.
„Es ist ein Liebesbrief! Hier - lies selbst", antwortet er, wobei er mir das weiße Blatt in die Hand drückt.
Neugierig überfliege ich die mit zierlicher Handschrift verfassten Zeilen:

Mein liebster Louis,
ich weiß nicht, warum ich diesen Brief schreibe. Aber ich will dir folgendes sagen: Ich liebe dich! Obwohl ich vor einer Woche bei dir ausgezogen bin, hat das nichts mit meiner Liebe zu dir zu tun. Ich will nur nicht, dass wir ständig streiten. Ich genieße jede Minute mit dir und kann mir eine Zukunft ohne dich nicht mehr vorstellen! Bitte verlass mich nicht! Ich würde daran zerbrechen!
In ewiger Liebe, deine dich über alles liebende Eleanor.

Ich brauche einen Moment, um die Tragweite dieser Worte zu begreifen. Wie muss Louis sich jetzt fühlen? Er war gerade dabei, El zu betrügen und jetzt ...
„Louis, der Brief ist ein halbes Jahr her. Du sagtest doch selbst, dass ihr in letzter Zeit kein Liebespaar mehr wart", versuche ich ihn zu beruhigen.
„El wusste, dass ich kurz davor war, Schluss zu machen. Ich habe nicht verstanden, warum sie ausgezogen ist. Weshalb hat sie mir den Brief nie gegeben?", rätselt er mit sich selbst.
„Vielleicht gab es für sie nicht den richtigen Moment dafür? Vielleicht hat sie ihn hier versteckt und dann vergessen?", überlege ich laut.
Liebevoll lege ich meinen Arm um seine Schultern und rutsche näher an ihn heran. Zärtlich küsse ich seine Schulter. Im nächsten Moment schiebt er mich behutsam von sich.
„Nicht, Zoe! Das hat sich erledigt!", erklärt er bestimmt.
„Das hat sich erledigt? Was ist das denn für ein Spruch? Haben sich deine Gefühle durch den Brief geändert?"
„Nein, aber das spielt jetzt keine Rolle mehr", gibt er mit zittriger Stimme zu.
„Doch, das tut es! Louis, wir haben uns ineinander verliebt! Wenn El nicht im Koma wäre ..."
„Sie ist aber im Koma!", schreit er mich umgehend an. „Es ist wie es ist! Und ich kann El's Wunsch nicht ignorieren. Wenn sie aufwacht und von unserer Affäre erfährt, dann ..."
„Affäre?", platzt es aus mir heraus. „Ich will keine Affäre mit dir! Ich will eine Beziehung!", schreie ich mein Unverständnis heraus.

Louis steht auf, woraufhin ich mich ebenfalls erhebe. Dabei fällt mein Blick auf sein Tattoo auf der Brust. It is what it is.
„Das ist dein Lebensmotto, stimmt's?", spreche ich meine Vermutung aus. „Du nimmst alles hin, wie es ist! Du traust dich nicht zu kämpfen! Du ignorierst deine eigenen Gefühle, nur um niemanden zu verletzten! Aber gerade damit verletzt du andere Menschen! Du verletzt mich! Du gibst uns keine Chance, weil du an einem alten Brief festhältst, obwohl du nicht einmal weißt, ob sein Inhalt noch aktuell ist! Du bist so feige!"
Mittlerweile ist mein Blick betrübt durch die tränennasse Flut, die mich überschwemmt. Louis schaut mich traurig an. Auch er kämpft mit seinen Gefühlen.
„Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns aus dem Weg gehen. Solange du hier wohnst, sollten wir nicht mehr gemeinsam in die Klinik fahren. Ich schreibe dir auf, zu welchen Zeiten ich El besuchen kann. Versuch bitte, das Krankenhaus bis dahin verlassen zu haben, damit wir uns nicht unnötig über den Weg laufen", erklärt er seine Regeln, wobei er es nicht schafft, mir dabei in die Augen zu sehen.
„Du machst es dir ja einfach! Aber auch du wirst merken, dass die Liebe sich nicht verdrängen lässt!", motze ich ihn enttäuscht an. Nach diesen letzten Worten, stürme ich aus seinem Zimmer.

Völlig aufgelöst werfe ich mich auf mein Bett und weine in meine Kissen. Ich bringe es nicht fertig, El an diesem Tag noch zu besuchen. Zu tief sitzt die Enttäuschung über Louis Verhalten, welches seinen Ursprung in einem Liebesbrief findet, den meine beste Freundin ihm geschrieben hat.

...Praying (FF Louis Tomlinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt