3.

75 4 1
                                    

„Ist was? Du bist schon die ganze Zeit so still." Es war angenehm Rainers Stimme zu hören. Carina wollte nicht selbst reden. „Ich bin viel zu spät dran." „Wann solltest du denn zuhause sein?" „Vor anderthalb Stunden. Das gibt ein Donnerwetter." „Sag deinem Vater, dass es meine Schuld ist. Du musstest noch einen Jungen nachhause bringen. Oder gibt das auch ein Donnerwetter?" Carina zwang sich ein Lächeln auf. „Meinen Vater kümmert das nicht, der ist auf Geschäftsreise. Aber meine Mutter, wird böse sein. Zu spät ist zu spät, sagt sie immer." „Ich muss hier raus. Viel Glück mit deiner Mutter!" „Tschüss, bis morgen!" Als die Türen hinter Rainer zusammenschlugen, fühlte Carina sich einsam. Sie wollte weiter mit Rainer reden. Die Bahn fuhr an und Carina sah, wie der Junge ihr von draußen zuwinkte.

Die Jugendlichen waren echt nett gewesen, vor allem Rainer. Er war eher der Stille. Jule konnte Carina noch nicht einschätzen, genauso wenig wie Jessy. Klaus war viel zu kurz geblieben, aber ihm verdankte sie ihre neue Bekanntschaft. Bernd war etwas seltsam, aber lustig. Wieso hatte Carina das Gefühl, diese Leute wären ihre bisher besten Freunde, obwohl sie sie erst einen Tag kannte? In der Schule war niemand so. Es wäre sicher lustig, mit den fünf anderen zur Schule zu gehen. Carina würde sie auf jeden Fall morgen wiedertreffen. Mit Leuten wie Susi wollte sie nichts mehr zu tun haben. Sie konnte ihre frühere Bewunderung gar nicht verstehen. Carina sah aus dem Fenster und ein mulmiges Gefühl machte sich in ihr breit. Sie würde gleich zuhause sein. Vielleicht wäre ihre Mutter ja schon schlafen gegangen. Doch so wie Carina sie kannte, musste sie hellwach sein.

Es gab ein Donnerwetter. Ein Riesendonnerwetter. Als das Mädchen den Schlüssel ins Schloss steckte, fiel ihr die Tür entgegen. „Gottseidank, du bist da!" Zuerst war Carina erleichtert, auch wenn sie sich schämte, ihre Mutter so beunruhigt zu haben. Die Tränen ihrer Mutter trockneten, noch während sie ihre Tochter in eine Umarmung zog. Plötzlich stieß sie Carina weg. „Was denkst du dir eigentlich dabei? Du bist viel zu spät! Weiß du eigentlich, was für Gestalten sich um diese Uhrzeit da draußen herumtreiben?" Zufällig hatte Carina gerade mit den Leuten, vor der ihre Mutter sie immer gewarnt hatte, Spaß gehabt. Aber das würde sie jetzt besser nicht erwähnen. „Nö.", war ihre einzige Antwort. Ihre Mutter hatte nicht aus Sorge gewartet, sondern nur, um Carina fertig zu machen. So war es bestimmt, so musste es sein. „Hast du getrunken? Oh, liebes Kind!" Sie brach erneut in Tränen aus. Es war albern, nichts als albern. „Ja, Mutti. Sehr viel sogar. Sehr viel Limonade." „Was erlaubst du dir auch noch Scherze? Findest du das etwa lustig? Du bist unverschämt, weißt du das eigentlich? Seit du in diese Disco willst, bist du ganz verdreht." „Mutti, das hat nichts damit zu tun!" „Sei leise und wiedersprich mit nicht. Geh jetzt schlafen, morgen ist Schule. Vielleicht beruhigt sich dein Gemüt bis dahin. " Zorngeladen ging Carina in ihr Zimmer. Sie zog ihren Schlafanzug an und legte die schmutzige Kleidung auf einen Stuhl. Rainers Hose versteckte sie unter ihrem Kopfkissen. Davon dürfte ihre Mutter auf keinen Fall etwas mitbekommen!


GefangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt