Enttäuschung

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Bild: Ellie's Zimmer

"Elaine!", hörte ich ihn rufen. Langsam schwang ich die Beine aus dem Bett. Mein Vater hatte mich gerufen und zwar mit meine vollen Namen. Das konnte nichts Gutes heißen. Ich warf noch einen Blick in den Spiegel und atmete tief durch. Ich hatte ein ganz schlechtes Gefühl.

"Was gibt es?", fragte ich betont lässig, als ich das Wohnzimmer betrat. Mein Vater saß auf dem großen Ledersofa und blickte von seinem Laptop auf, als er mich bemerkte.
"Ich möchte mit dir über etwas reden, Elaine.", begann er und knetete die Hände. Es fiel ihm sichtlich schwer.

"Also, es ist ja schon ein bisschen her, dass...", er stockte und schaute mich nicht an.
"Du ziehst dich zurück und ich glaube, es ist das Beste für dich, etwas Abstand zu nehmen. Von hier, von allem.", fuhr er fort und als mir klar wurde, was er mir sagen wollte kochte ich vor Wut.

"Nein. Nein. Nie im Leben werde ich von hier weggehen. Du kannst mich nicht abschieben. Das kannst du nicht tun, nach allem was passiert ist!", schrie ich und er schaute mich traurig an.
"Ellie, glaub mir, ich will nur das Beste für dich.", sagte er sanft, doch ich war auf 180.

"Glaub mir, ich will nur das beste für dich. Das kannst du dir in den Arsch stecken!", brüllte ich nun. Jetzt wurde auch er sauer.
"Das reicht, geh auf dein Zimmer!", sagte er warnend und ich beschloss, besser zu tun, was er sagte.

Oben warf ich mich auf mein Bett und vergrub das Gesicht im Kissen. Sowas hätte ich nie von ihm erwartet! Hat er sie denn nicht geliebt? Meine Mutter, seine Frau?

Es war nun 5 Monate her, dass sie tot war. Gestorben an einer Hirnblutung. Alle Hilfe kam zu spät. Bei diesem Gedanken kamen mir die Tränen. Und wie so oft in den letzten Monaten weinte ich mich in den Schlaf...

...

Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug sah ich erstmal nur verschwommen. Meine Augen waren verquollen und ich spritzte mir erstmal eine Ladung kaltes Wasser ins Gesicht. Ich wollte mich gerade wieder auf mein Bett schmeißen, als ich ein Tablet auf meinem Nachttisch stehen sah.

Darauf standen eine Tasse heißer Kakao, ein Croissant mit Nutella und ein geschnittener Apfel. Ich lächelte. Lena, unsere Haushälterin musste mir Frühstück gemacht haben. Ich nahm mir den Teller mit dem Apfel und entdeckte darunter etwas buntes. Heraus zog ich einen Hochglanzflyer. Darauf klebte ein Zettel.

Ellie,
Ich weiß, du willst nichts davon hören, aber schau es dir doch wenigstens einmal an.
Es tut mir leid

Ich seufzte und lehnte mich zurück. Mit großen, roten Buchstaben stachen mir die Worte Heimavist viskunnar ins Auge. Darunter stand in verschnörkelter, blauer Schrift Für Islandpferdereiter genau das Richtige. Mein Herz begann schneller zu klopfen und ich schlug den Prospekt auf.

Das Internat unterrichtet alle normalen Fächer auf dem Niveau eines Gymnasiums. Hinzu kommt Nachmittags der hochqualifizierte Reitunterricht durch mehrere A- und B-Trainer, der ebenfalls versetzungsrelevant ist. Der Besuch des Internats ist nur mit eigenem Islandpferd zugelassen.

Enttäuscht ließ ich die Hände sinken. Natürlich hatte ich kein eigenes Islandpferd. Ich nahm nur seit Jahren Reitunterricht im Stall von meiner Bekannten Lisa. Dort durfte ich alle Pferde reiten und war soetwas wie ein Stammgast. Hatte mein Vater den Prospekt etwa nicht richtig gelesen, oder was?

Ich bekam Kopfschmerzen und stellte mich ans Fenster. Ich öffnete es und atmete die frische Luft ein.

Wie würde es in meinem Leben nur weitergehen?

4 Hufe, 2 Beine und 1 TeamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt