Kapitel 5

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《Was die Nacht verbirgt》

Unter dem Himmel, auf dem kein Stern blinzelte und der Mond von Wolken bedeckt wurde, in der pechschwarzen Dunkelheit, loderte ein flimmernder, schwacher Lichtpunkt auf und erlosch wieder. Ein Ast knisterte.

    »Gabriel«, murmelte eine kräftige Frauenstimme überrascht.
    »Ja. Ich bin's.«
    »Was treibst du denn hier? Habe ich nicht gesagt, dass ich dich nie wieder sehen will?«, fragte die Frau empört.
    »Pst... Wir wollen niemanden aufwecken.« Zwei stechend grünen Katzenaugen leuchteten kühl, doch die zwei Gestalten waren nicht zu sehen. »Wir kennen uns schon seit Ewigkeiten, Panther. Glaubst du, ich bin gekommen, um dich zu verärgern und deine Feindseligkeit auszustehen?«, blaffte er und hielt plötzlich inne. »Ich dachte, es sei vorbei.« Er flüsterte gedämpft, aber deutlich zu verstehen.
    »Natürlich nicht! Es war damals nicht vorbei, es ist immer noch nicht vorbei und es wird auch nie vorbei sein! Wenn du darüber reden willst, solltest du am besten jetzt sofort abhauen, bevor ich deine Zunge abschneide!«, zischte Panther aufbrausend.

Gabriel seufzte traurig. Es herrschte ein langes Schweigen. Die mit der Nacht verschmolzenen Wolken lockerten sich und ließen ein Teil des viel zu blass erscheinenden Mondscheins herabstrahlen.
In der Stille erklangen wohlklingenden und unangenehmen Geräuschen im Wald. Früher hörten sie sich diesen gerne zusammen an, vor sehr langer Zeit, als sie jedes einzigartige Geräusch ihrem Tonerzeuger zuzuordnen versucht hatten. Sie hatten sämtliche Tierarten dadurch entdeckt, die sie fasziniert hatten. Doch heute hörten sie sich nichts an. In einer angespannten Atmosphäre sanken sie in Gedanken, in den schlimmsten Erinnerungen der Vergangenheit.


    »Ich habe eine Nachricht für dich«, sagte Gabriel schließlich vorsichtig.
    »Ah...« Panther klang allmählich beruhigt, doch eine kleine Spur von Abscheu schwang in ihrer Stimme mit. Nach all den Jahren hatte sie gelernt, wie man Emotionen unter Kontrolle hält, doch ihr Herz brannte im tiefen Inneren vor Schmerz und Zorn. Sie würde ihn nie verzeihen, was er getan hatte. »Ich hoffe, du redest keine Floskel«, drohte sie. »Gute oder schlechte?«
Gabriel trat einen Schritt nach vorn und das schwache Mondlicht traf auf sein Gesicht. Ein langer schwarzer Umhang war zu sehen, der ihn ganz umhüllte. Er war klein und zierlich, jedoch nicht zerbrechlich, obwohl er nicht mehr der Jüngste war. Das leicht bräunliche Teint wurde von einem Dutzend dicker Falten bedeckt, welche seine furchterregenden, schimmernden Augen noch mehr betonten. Er hatte eine dünne Schicht Bart rund um die Lippen, der ihn weise aussehen ließ. Eine zwei Zentimeter lange, tiefe Narbe hing an seine linke Wange. Hinter den ernsten Blick versteckten sich unzählige Geschichten und Erfahrung. »Das kann ich leider noch nicht sagen. Nun, wenn alles gut läuft, ist es eine sehr gute.«
    »Dann sorgst du dafür, dass alles gut läuft«, befahl Panther bedächtig. Sie konzentrierte sich darauf, wie die Nachricht lauten würde.
    »Sie haben sie gefunden«, packte Gabriel aus.
    »Das Mädchen?«
    »Ganz genau«, berichtete Gabriel aufgeregt.
    »Ich bin nicht überrascht. Bist du dir absolut sicher? Du weißt, ich höre sowas nicht zum ersten Mal.«
    »Ja, ganz sicher. Ich habe sie mit eigener Augen gesehen und auf den ersten Blick wusste ich es instinktiv. Es ist hundertprozentig.«
    »Was für eine gute Neuigkeit. Es ist schon ... so lange her.« Ein fast trauriges Lächeln huschte über ihr Gesicht, das sogleich verschwand. Sie gackerte schadenfreudig. »Das letzte Mal bin ich einem vor zwei Jahrhunderten begegnet! Es war vor... zweihundert... nein...«
    »Dreihundertzweiund-fünfzig«, half Gabriel aus, »Ja. Es ist sehr lange her. Du hast schon immer darauf gewartet, nicht wahr?«
    »Und wie! Was kann ich nur sagen? Ich träume doch, oder?«, fragte sie leise. Ihr Körper begann zu zittern.
    »Es ist ein Traum, der kein Ende nehmt. Aber eins muss ich dir noch sagen: Sie ist noch jung, nur elf. Ich weiß nicht, ob...«
    »Erst elf? Unfair! Ich muss also doch warten. Noch so lange!«, murmelte sie vor sich hin. »Oh Gab', was soll ich mit all dem Warten anfangen! Sie werden sie beschützen, wie sie es immer getan haben. Und sie wird fliehen, aufgeben und sterben, noch bevor ich sie berühre. Es kann niemals gut laufen... auch nicht dieses Mal...«, beschwerte Panther verzweifelt.
    »Das klingt nicht nach der Panther, die ich kenne. Du irrst dich, denn das wird ganz bestimmt nicht passieren. Ich spüre es. Ich spüre es überall. Egal wo sie ist, zieht sie eine unglaubliche Kraft hinter sich. Sie ist anders------sehr anders.«
Eine kleine Hoffnung flammte in Panthers Herz auf. Das Warten hat sich endlich gelohnt. »Warte«, rief sie unvermittelt, »Sie ist da. Oh ja, ich spüre es! Die Kraft! Und dass sich bald alles ändern wird!« 

Ein glühendes Paar Augen blickten Gabriel urplötzlich an, so schwarz wie den Nachthimmel. Auf die Pupillen spiegelten sich ein blassweißer Vollmond. Panther streckte die dünnen Armen nach oben aus. Die Wolken sammelten sich donnernd zusammen, ein Blitz zeriss die Dunkelheit und erhellte ein halbes Gesicht. Große Regentropfen fielen auf die beiden, und das Licht machte Gabriel einen Moment lang blind, welcher zusammenzuckte. Das Echo des Panthers heimtückischen Lachens widerhallte in dem Wald. »Es ist Zeit für ein Spiel.«


Fußnote: "Gab'" ist Gabriels Spitzname.

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