Fokussiert starrte ich aus dem Fenster. Ich starrte auf die Baumrinde, denn sie war einfach unglaublich.
''Ella...'', flüsterte jemand mir zu.Alles um mich herum konnte ich nicht wirklich wahrnehmen.
''Ella... ''
''Ella ! Verdammt, hörst du mir zu !? '', rief der Lehrer laut.Die Klasse fing an zu lachen und ich sah ihn erschrocken an.
''Ich habe dir eine Frage gestellt. Wieso nehmen sich Romeo und Julia beide das Leben ?'', fragte er mich während er das Buch in der Hand hielt.
Ich fing an zu stottern. Daraufhin nahm der Lehrer jemand anderen dran. Noch am selben Tag mussten meine Eltern in die Schule kommen. Zusammen saßen wir im Büro meines Deutschlehrers der gleichzeitig der Direktor der Schule war.
''Ihre Tochter kann sich nicht konzentrieren. Sie ist dauernt abgelenkt und ihre Noten in anderen Fächern zeigen, dass sie vermutlich das Jahr nicht schaffen wird. '', sagte er scharf.''Nochmal kann sie nicht wiederholen. Wenn sie das Jahr nicht schafft, muss sie von der Schule gehen. ''
''Aber Herr Direktor, sie wissen ganz genau, dass sie krank ist. ''
Ja, das war schon immer die Antwort auf alles. Meine Eltern erinnerten mich immer wieder dran. Ich fühlte mich einfach, wie ein Krüppel.
''Im weiteren Leben wird sie keine Extrawurst bekommen, dass muss ihr klar gemacht werden. '', sagte der Direktor.
''Ihn töten ? Wieso nicht. Er geht mir schon seit einer Weile auf die Nerven. Wie lasse ich ihn verschwinden ? Vergraben im Wald ? Ja, das klingt gut. Was mache ich mit der Waffe ? Ich löse sie auf in Flusssäure ? Das klingt alles super ! '', grinste ich und starrte den Tisch des Direktors.
Er sah mich erschrocken an.''Hiermit ist das Gespäch vorbei ! '', sagte er.
Als wir aus dem Raum kamen, schlug mich meine Mutter. Sie gab mir einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf.''Du raubst uns jeden Nerv ! '', sagte sie wütend aber so leise, dass nur ich es hören konnte.
Trotzdem befriedigte es mich. Ganz allein der Gesichtsausdruck des Direktors war unbezahlbar.
''Liebling, denke an deinen Blutdruck und beruhige dich, wir finden schon eine Lösung. '', sagte mein Vater.
Nachmittags saßen wir alle am Tisch und aßen gemeinsam. Es war immer wieder faszienierend, was für gute Schauspieler meine Eltern waren. Sie machten immer einen auf 'perfekte Familie' obwohl wir es gar nicht waren. Am Essenstisch sprach man immer über sehr intelligente Themen und so Zeug.
In diesem Moment bemerkte ich, wie interessant die Wand sein kann. Ich konnte meine Augen nicht mehr davon entfernen.
'Erinnerst du dich, als du bei Onkel Jeff warst und ihr das Auto zusammen gebastelt habt ?', ich musste lächlen, denn das war schon ein super Sommer gewesen.''Was lächelst du so, Ella ?'', fragte meine Mutter scharf.
''Hat sie dir schon erzählt, was sie heute gerissen hat, Toby ?'', fragte Mutter meinen großen Bruder.
Er seufzte, denn er wollte es gar nicht wissen.
''Erzähl es Ella ! '', forderte sie mich auf.
''Ich habe so getan, als ob die Stimmen mir erzählen würden, dass ich den Direktor töten soll. '', lächelte ich und sah weiterhin die Wand an.
Für eine Sekunde konnte ich das Lächeln meines Bruder sehen, doch als der strenge Blick meiner Mutter auf sein Gesicht fiel, lies er es schnell.
Nach dem Mittagessen fuhr mich mein Vater zum Professor. Ich lag auf diesen bekannten Liegen und sollte ihm mein Herz ausschütten, doch ich tat es nicht. Ich sagte kein Wort.
''Los, Ella, erzähle mir, wie dein Tag war. Ist etwas passiert ?'', wollte er wissen.
Ich blieb stumm.
''Ella, ich weiß, dass es hart ist, aber ich bitte dich. Für diese Sitzung zahlen deine Eltern viel Geld. '', erinnerte er mich.''Ich bin sauer. '', sagte ich.
''Wieso bist du sauer ?'', fragte der Professor.
''Weil ich Ihr kleines Experiment bin und es Sie sich eingentlich nicht interessiert, wie ich mich fühle. Ständig verändern Sie meine Medikamente und keins davon konnte mir nur ein wenig helfen. Das Medikament jetzt frisst meine Aufmerksamkeit. Ich kann mich nicht konzentrieren. Ich starre stundenlang auf einen Punkt und kann meine Augen nicht davon nehmen. Ich bin hier schon seit Jahren, aber Sie haben keine Ahnung, was Sie mit ihr machen sollen. Sie können mir nicht helfen, Sie wollen nur das Geld von meinen Eltern. '', sagte ich.
Für eine Sekunde hielt der Professor seinen Atmen an.
''Du darfst die Sachen nicht so negativ sehen. '', sagte er.
Ohne etwas zu sagen nahm ich meine Tasche und ging raus, ich hatte einfach keine Lust mehr.Ich klopfte an der Tür und mein Vater öffnete diese.
''Schon vorbei ?'', fragte er mich erstaunt.
''Der Professor hat nur eine halbe Stunde gemacht, weil er noch weg musste. '', lügte ich ihn einfach an.
Abends saß ich auf meinem Bett und versuchte Mandalas auszumalen. Es war das Einzige, was mich wirklich beruhigte. Meine Eltern waren nebenan im Schlafzimmer und plötzlich klingtelte das Telefon. Mir war klar, dass es der Professor war.Meine Mutter sprach mit ihm. Alles was ich hörte, war wie sie sich nach dem Gespräch aufregte. Sie tickte vollkommen aus. Mein Vater versuchte sie noch zu beruhigen.
''Sie ist so ein Dreckskind ! Wir zahlen ihre teuren Medikamente und die Theraphiesitzungen und sie dankt uns so ? Ich kann es nicht mehr ertragen ! Sie macht nur Probleme ! '', schrie meine Mutter.
Nachdem ich es hörte ging ich aus meinem Zimmer raus zu meinem Bruder.''Na, tickt sie wieder aus ?'', fragte er mich.
''Ja. Sie meinte ich wäre ein Dreckskind. '', sagte ich.
Dann schloss ich die Tür hinter mir und kroch unter die Bettdecke meines Bruders. Er spielte momentan und ich sah ihm gerne zu. Doch die Stille hielt nicht lange an. So langsam gaben meine Medikamente den Geist auf.'Hey, Ella'
'Wollen wir was cooles machen ?'
'Lass die Schule niederbrennen''Nimm dir das Leben'
'Du bist unnötig. '
'Niemand braucht dich'
Sie waren wieder da. Ich flüchtete in mein Zimmer und versuchte einzuschlafen, was mir wahrhaftig gelang. Doch mitten in der Nacht wurde ich wach. Ich hasste es. Ich musste einfach in die Küche gehen. Dort erwarteten sie mich. Ich erkannte mein depressives Ich, wie sie von der Menschlichkeit abgegrenzt auf dem Kühlschrank saß. Ich sah mein magersüchtiges Ich am Tisch, wie sie sich beschwerte, dass sie zu fett sei. Dann gab es noch mein ritzsüchtiges Ich, die mir zuflüsterte, dass es in Ordnung sei tiefer zu schneiden. Mein suizidgefährdetes Ich saß am Esstisch und warf sich Schlafmittel rein.
Ich drehte mich um. Alle redeten auf mich ein ich solle werden wie sie. Und dass sie ein Teil von mir sind.
Wahnsinn ? Nein, es ist Schizophrenie.Meine Blase meldete sich, doch als ich die Tür öffenete sah ich mich selber, wie ich an der Decke hang. Ganz allein, das Bild war mich zu viel, aber vielleicht hatte sie recht. Ich ging erneut in das Wohnzimmer und holte die Hundeleine aus dem Schrank. Seit Jahren hatten wir keinen Hund mehr, meine Eltern hatten genug mit mir allein zu tun. Als ich das letzte mal in die Küche blickte, sahen sie mich erwartungsvoll an. Ich weinte nicht, denn dies hätte früher passieren sollen.

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Misterio / SuspensoKurzgeschichten, Antworten auf Fragen und meine persönliche Meinung.