Atemlos.

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Die Tür vom Kofferraum schloss sich und ich ging zur Fahrerseite, um einzusteigen. Mit einem leisen Seufzer stieg ich ein und ließ mich auf den Sitz fallen, bevor ich die Tür wieder schloss und nach vorne sah. Draußen war es hell, blauer Himmel, wolkenlos. Es war ungefähr 12 Uhr, vor einer Stunde hatte Melina angerufen und mir Bescheid gegeben. Da die Fahrt länger dauerte und ich nicht im Stress in der Dunkelheit fahren wollte, entschied ich mich die 5Stunden-Fahrt etwas früher zu starten. Der letzte Touort war Köln, wo Melina und ihre Freunde sowieso lebten, weshalb auch kein Hotel nötig war. Ich hab mir trotzdem ein Hotelzimmer gebucht, in der Nähe vom Verantstaltungsort. 

Ich war mir selber nicht sicher, ob es eine gute Idee war, in meinem Zustand so lange Auto zu fahren, doch Zugfahren hasste ich umso mehr.

Ich presste meine Lippen aufeinander und hielt die Luft an, während ich den Motor startete. Ich lenkte meinen Wagen auf die Straße und folgte der Route, die mein Navi mir angab. Ich drückte auf einen Knopf am Lenkrad und ließ leise Musik das Auto erfüllen, was mir sogleich ein Lächeln aufs Gesicht zauberte.

[...]

Ich musste zugeben, alleine zu fahren und dazu noch so lange, war mehr als langweilig. Als ich Ansätze machte, zu singen, protestierte mein Körper. Zu Reden war irgendwie anstrengend, wieso auch immer. Und Noten rauszuhauen, ließ den Schwindel eintreten. Stattdessen wurde ich einfach leise und dachte nach.

Ich dachte darüber nach, wie der nächste Tag wohl sein würde. Es würde sicherlich ganz cool werden, da ich das letzte Mal sowieso kaum etwas mitkriegen durfte. Ich dachte darüber nach, wieso Melina wollte, dass ich zum letzten Tourort kam. Ich dachte darüber nach, was diese Frau überhaupt über uns dachte und fragte mich, wie lange es noch dauern würde, bis einer von uns das Thema ansprechen würde. Und ich dachte darüber nach, was der Grund für meinen kränklichen Zustand sein könnte. Mein Herz schlug noch immer viel zu schnell, und meine Brust kitzelte. Wie bei einem Adrenalinschlag, nur immer und immer wieder nochmal.

[...]

Everybody loves the things you do.
From the way you talk,
To the way you move.

Ich ließ den Text in mich einwirken, mich berühren. Sie fühlten sich an, als wären sie über Melina und mich geschrieben worden.

Everybody here is watching you,
Cause you feel like home.
You're like a dream come true.

Melina war wahrlich wie ein Traum. Nicht, weil man die ganze Kindheit immer davon geträumt hatte, irgendwann mit einem Star zusammen zu sein. Sondern weil ihre Persönlichkeit, ihre Ausstrahlung so eine Härte besaß, die ich liebte. Sie war wunderschön. Und so freundlich. Sie sorgte sich, sie war ehrlich. Nicht nur wurde sie von mir geliebt, sondern auch von ihren Fans.

[...]

Das Navi zeigte eine Fahrtdauer von einer Stunde an. Ich war bereits ziemlich müde, durch das lange fahren und die Langeweile. Die Musik wurde von einem lauten Klingeln unterbrochen und ich zuckte zusammen. "Rangehen!", sagte ich schnell und kniff die Augen an.

"Hey.", dröhnte es durch mein Auto. Ihre Stimme war so laut, doch das lag wohl kaum an der Nähe.

"Hey, Melina.", antwortete ich, bog links ein. "Ist alles okay? Wieso rufst du an?", fragte ich leise. Reden war wirklich anstrengend, fiel mir auf.

Ich hörte ein leises Rascheln und dann ein Gähnen: "Es ist alles gut. Wo bist du gerade? Es hört sich irgendwie an, als wärst du unterwegs."

"Ich bin gleich in Köln.", antwortete ich knapp. Oh Gott. Da war eine viel zu große Distanz zwischen Melina und mir, die mich zum heulen bringen könnte. Es tat weh.

"Was? Wieso hast du mir das nicht gesagt?", ihre Stimme war erschrocken, "Wo schläfst du?"

"In dem Hotel, das du mir empfohlen hast."

"Okay... Ehm.. Wann kommst du an?", fragte sie.

Ich sah zum Navi. "In einer halben Stunde."

Ein Klopfen, lautes Rascheln und dann Schritte. Melina ging durch ihre Wohnung. "Okay. Bis gleich."

Ich lächelte erschöpft und betrachtete das Stadtleben um mich herum, durch das ich fuhr. Es war fast 17 Uhr. Mit einem Knopfdruck legte ich auf und fuhr dann ganz normal. Nicht ignorierend, wie sehr meine Brust stach und wie mein Atem abrupter wurde. 

[...]

Ich parkte neben dem Hotel und wurde von einemjungen Mann in Empfang genommen. Er nahm mir mein leichtes Gepäck ab und gab mir meine Schlüssel. "Ich werde nochmal kurz ein bisschen Luft schnappen. Könnten Sie die Sachen in mein Zimmer stellen und den Schlüssel bei der Rezeption abgeben?" Der Typ nickte knapp und ich ging wieder auf die große Glastür zu. Draußen angekommen, atmete ich tief durch. Also so tief es ging, denn kurz bevor die Luft das Ende meiner Lunge erreichen konnte, stoppte mein Atem und ich biss mir auf die Zunge, weil der Schmerz so stark war. Ich lehnte mich an die Mauer des Hotels und sah mich um, während ich versuchte, das Zittern in meinen Händen und Armen unter Kontrolle zu bekommen. Doch es fühlte sich fast an, als würde mir die Kehle zugeschnürt werde. Und mit jedem Atemzug, wurde mir heißer. Blut pumpte durch meine Adern, als würde ich rennen. Meine Wangen wurde rot, meine Beine hingegen kalt und leicht.

Ich öffnete meinen Mund, um zu schreien, um Aufmerksamkeit zu erregen, doch es kam nichts heraus. Ein paar Passanten sahen mich verwirrt an. Das Stechen in der Brust wurde unerträglich. Es drang durch meinen ganzen Körper, durch meine Venen.
"CHLOE!", schrie sie.
Doch als ich sie ansehen wollte, wurde es schwarz um mich herum und ich spürte den Aufschlag auf den Betonboden in meinem ganzen Körper, wie ein Schuss direkt durchs Herz.


#22UhrNonMention - behind the love (abgebrochen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt