♥ 5

6.7K 838 101
                                    

Das dumme dumme dumme Ufer-Fest. Ich hatte vergessen, dass es das noch gibt. Ich erwarte, dass es in ihrem Laden voll ist und ich heute Nacht auf mein Ritual verzichten muss. Dass ich sie nicht sehen kann. Doch zu meiner großen Überraschung steht ein einzelner Hocker an der Theke, genau vor ihr, während sie mit einer älteren Frau redet und dabei lacht.

Ich habe sie noch nie lachen sehen.

Ich liebe es.

Es ist kitschig, das zu sagen. Ich kenne sie nicht. Weiß nicht einmal, wie sie heißt. Aber manchmal ... Bin ich gerne kitschig.

Ich setze mich grinsend auf den Hocker und der neue Platz ist ungewohnt, wenn auch nicht verkehrt. Ich mag es hier vorn.

»Ich hätte gern-«, sage ich, komme jedoch nicht weit. Sie begleitet eine Mutter mit Kind zu den Kundentoiletten und weil ohnehin so viel Betrieb ist, stehle ich mich hinter die Theke und gieße mir frischen Kaffee ein. Und dann fällt mein Blick auf eine Plastikverpackung für Cupcakes. Ein heller Cupcake mit nur einer Kirsche obendrauf. Und auf der Verpackung ist ein Notizzettel befestigt.

Coffeetogo.

Das Grinsen kommt automatisch.

Sie hat einen Spitznamen für mich. Sie denkt an mich. Sie macht sich tatsächlich Gedanken und stellt mir sogar meine Nascherei beiseite!

Als sie zurückkommt und mich mit dem Cupcake und dem Becher sieht, verzichte ich darauf, in mein scrapbook zu kritzeln. Es gibt nichts zu schreiben. Nicht jetzt, wenn ich endlich die Chance habe, mit ihr zu reden.

»Ich habe das Café aufgebaut, als ich Anfang Zwanzig war. Die Bank wollte mir erst keinen Kredit geben, aber meine Schwester hat einiges an Überredungskunst, wenn sie will.«

Ich lache. »Mein Bruder ist da ähnlich. Er sagt immer, man muss die Gelegenheit bei der Haarwurzel packen und notfalls hinter sich herziehen.«

»Schlauer Bruder.«

Ich frage sie nach ihrer Arbeit. Höre ihr dabei zu, wie sie von Mitarbeitern spricht, die ich nie sehe, weil ich tagsüber meist schlafe oder bei Jan oder in der FH bin. Als ich sie nach ihrem Namen frage, verschwindet sie zu den letzten Kunden. Was seltsam ist. Aber nicht ungewöhnlich.

Ich starte einen erneuten Versuch und nenne ihr meinen Namen, als ich gerade dabei bin, zu gehen. Ich weiß nicht, wieso ich das sage. Wieso ich jetzt endlich endlich endlich den Mut habe. Aber sie lächelt.

»Ich bin Kassandra«, sagt sie. »Aber alle nennen mich Kassy.«

Und endlich bekommt das Gesicht einen Namen.

Everyday at 9PM (I want to see you)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt