14 Tage und 9 Stunden, bevor ich Dich traf

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„Ich kann euch wirklich hinbringen", „Nein, aber danke Mum. Wir kommen schon zurecht", „Aber du begleitest Samantha wirklich zu ihrer Klasse?", „Das ist doch das Mindeste, was ich tun kann", kommt es von Austin und Rebecca abwechselnd.

Der 18-jährige, der seit Anfang an ziemlich hilfsbereit und verantwortlich wirkt, scheint es auch tatsächlich zu sein. Seine Mutter lächelt ihn daraufhin dankend an und gibt ihm einen Kuss auf die Wange, ehe sie Lilly zu sich zieht und sie auf die Stirn küsst. „Und du versuchst heute bitte, dass mich dein Direktor nicht anruft, gut?", meinte Rebecca amüsiert über die Tatsache, aber sieht die Kleine dennoch etwas warnend mit hochgezogenen Brauen an.

„Ha-ha. Es ist nicht meine Schuld, das hab ich dir doch schon gesagt", ertönt es genervt von der Zwölfjährigen, bevor auch ich eine mütterliche Umarmung von Rebecca bekomme.

Gestern beim Abendessen habe ich erfahren, dass mir Lilly gleich gesinnt ist, da sie genauso wie ich hin und wieder eine Unruhestifterin ist - darum wurde sie am Donnerstag ins Direktorat geschickt. Sie ist zwar klein, zierlich und süß, aber sie hat das Temperament eines großwüchsigen Latinos. Diese Kleine hat letzte Woche tatsächlich einem Schulkollegen eine gescheuert. Das ist aber zum Glück nicht die ganze Geschichte: Der genannte Klassenkamerad hat ihre beste Freundin ausgelacht, die Legasthenikerin ist.

Ihr kann man nun wirklich nicht böse sein.

„Viel Spaß heute! Ich hab dafür gesorgt, dass du in deiner neuen Schule gut aufgehoben bist, keine Sorge. Austin wird dir heute alles zeigen. Über die Schule wirst du von Mrs Hansley noch mehr erfahren, sie wird dir übrigens auch deine Bücher besorgen. Jause habe ich dir in die Tasche gepackt. Wenn du möchtest, kannst du aber auch in die Schulkantine gehen. Laut Austin ist das Essen dort ziemlich gut. Ich glaube, heute sollte alles gut laufen. Ach ja, ruf mich an, wenn du zum Abholen bist, okay?", redet die mitte 40-jährige drauf los, als wäre sie die Konkurrenz eines Tele-Shopping Verkäufers.

***

HAILEYBURY SCHOOL
kommt mir der Name meiner neuen Schule auf einem Schild entgegen, als der Bus bei der Einfahrt stehen bleibt. Sofort gehen die Türen auf und die Schüler strömen heraus. In dieser Traube voller Jugendlichen befindet sich auch irgendwo Austin, der zum Glück draußen auf mich wartet.

„Gut, Saman-"
„Sam!", korrigiere ich ihn - etwas scharf, weshalb ich daraufhin freundlich lächele - während er brüderlich einen Arm um meine Schultern legt, um sich beim Gehen an mir anzulehnen. Auf meine Reaktion hin lacht er und nickt „Ist mir auch recht. Jedenfalls zeig ich dir zuerst die Kantine und das Klo. Danach musst du ins Sekretariat, um deine Spindnummer ausfindig zu machen und deine Schulbücher abzuholen. Wenn du Glück hast, schicken sie dich auch ins richtige Klassenzimmer", erklärt er schmunzelnd, als wir gemeinsam den mit Schülern gefüllten Schulhof durchquerten. "Wieso erzählst du das so amüsiert?", frage ich ihn und grinse augenblicklich, nachdem ich in sein verschmitztes Lächeln blicke.

"Naja, nachdem ich so einiges von dir gehört habe, wird Mrs Hansley viel... Spaß mit dir haben. Und ich hätte schon beinahe gedacht, dass die nächste, die hier mal ein wenig auffrischt, Lilly sein wird", meint er belustigend. Bevor ich etwas darauf antworten kann, betreten wir das große Gebäude und die Schüler, welche die gleiche Uniform wie ich tragen, drängen durch die Gänge, sodass sie mich von Austin kurzzeitig trennen. Sobald ich wieder bei ihm bin, schiebt er mich vor sich hin. Ich vermute mal, da ich sonst zu unfähig wäre, ihm zu folgen. Jedoch nutze ich jenen Moment aus, um mir die Details genauer anzusehen. Die dicken, hohen Wände lassen das Gebäude alt aussehen, jedoch macht der helle, frische Anstrich den Eindruck von Sauberkeit. An der Decke sind kunstvolle Bemalungen angebracht, die von barocken Schnörkel umrahmt werden. Große Fenster am Gang bieten einen einmaligen Blick auf das gesamte Schulgelände und füllen das Innere auch an den vielen trüben Tagen, sowie heute, mit ausreichend Licht.

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