12 Tage und 8 Stunden, bevor ich Dich traf

15 0 0
                                    




Vielleicht sind die Mädchen ja doch ganz nett. Ich gebe ihnen eine Chance. Ich bin zwar auf einer internationalen Privatschule mit ausschließlich multikulturellen reichen Leuten, die alle mittels Stipendium aufgenommen worden sind, aber so schlimm kann es ja nicht werden. Solche Leute sind doch nicht arrogant. Besser neben Zicken zu sitzen, als neben Lügnern, nicht wahr? Versuche ich mir jedenfalls einzureden.

Deswegen steuere ich in Englisch einen Platz neben einem hübschen Mädchen mit schulterlangen blonden Haaren und Stirnfransen an, die es anscheinend alles andere als toll findet, dass ich heute neben ihr sitzen möchte. "Darf ich mich hierher setzen?", frage ich und erspare mir ein freundliches Lächeln, da sie mich nicht einmal ansieht. Kaugummi kauend schiebt sie ihre Schulbücher auf ihre Seite des Tisches, ohne dabei den Blick von ihrem Smartphone abzuwenden. "Danke", sage ich höflichkeitshalber und setze mich schnaufend hin. Jetzt darf ich also die Stunde lang dem schmatzenden Mädchen zuhören?

Ich bin froh, dass Samuel und Callum erst beim Läuten in den Klassenraum eintreten als der Professor schon anwesend ist, sodass ich sie mühelos ignorieren kann.

"Sieh mal einer an, da hat die Neue schon genug von den Hübschlingen. Das ist ja mal schnell gegangen", äußert sich das Mädchen neben mir mit einem Akzent, den ich nicht zuordnen kann und zieht dabei den Kaugummi lang, indem sie ein Stück zwischen ihren Zähnen festhält und das andere Stück um ihren Zeigefinger wickelt. Yuck.

"Das geht dich überhaupt nichts an", zische ich und warte nur darauf, dass der Lehrer sie ermahnt.

Sie nimmt ihren Kaugummi wieder ganz in den Mund und lehnt sich zu mir rüber "Warum bist du eigentlich hier? Machst du zu viel mit Jungs, dass dich Mami und Papi nicht mehr ausgehalten haben und dich ins Internat geschickt haben?", fragt sie mich provozierend. Bitte ersticke an deinem Kaugummi.
"Ich wohne nicht im Internat, Amalia", lese ich von ihrem Heft ab.
"Hast wohl eine nette Villa in der Umgebung und fühlst dich zu gut, um mit anderen Leuten abzuhängen."
"Ich spare meine Energie lieber für wichtigere Dinge auf, als mit Leuten wie dir zu diskutieren", flüstere ich trocken. Was ist mit der los?
"Ach ja, für Sex mit einem der zwei hübschen da hinten? Oder gleich mit beiden?", nicht schlecht, Mädchen. Das geht jedoch zu weit, Blondie.
"Jetzt hör mal her, Süße. Ich hab die ganzen Spekulationen und Vorurteile satt, also wieso hältst du nicht einfach deinen Mund und schreibst deinen verdammten Aufsatz? Wird dir wohl nicht so schwer fallen, Fantasie besitzt du offenbar zur Genüge. Jetzt kümmere dich um deinen eigenen Mist", fauche ich sie beinahe an. Das war die letzten Worte, die ich jemals mit diesem Mädchen austauschen möchte. Das hat sich der Lehrer anscheinend auch gedacht, da nun ich zurechtgewiesen werde. Warte nur, irgendwann bekommst du das noch zurück, du verdammte Hexe.

***

"Jetzt warte doch mal!", ruft mir Sam hinterher, als ich mich nach dem Unterricht schnellstmöglich aus dem Staub mache. Offenbar nicht schnell genug, denn sobald ich meinen Spind erreicht habe, sind auch schon die zwei Jungs an meiner Seite.

Ich will euch nicht sehen. Ihr könnt verschwinden, ihr habt mich schon genug verletzt.

Ich öffne die Tür zu meinem Fach, um sie weiterhin zu ignorieren und hole meine Bücher heraus. "Samantha, jetzt verhalte dich doch nicht so kindisch", seufzt Callum und lehnt sich gegen die anderen Spinde. "Was haben wir dir getan? Wäre ich ein Sexist, würde ich wohl behaupten, dass du deine Tage hast. Doch mein innerer Feminist schlägt dieses Clownsgesicht gerade zusammen und sagt mir, dass ich die Schuld an mir suchen soll", labert mich auch Samuel voll.
"Ihr braucht euch nicht mehr um mich zu kümmern, ihr habt schon genug getan", antworte ich monoton und gehe an ihnen vorbei in den nächsten Unterrichtsraum.

Chewing GumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt