Erst langsam begann sich mein Herzschlag zu normalisieren. Die Verfolgungsjagt hatte mich anscheinend doch mehr erschöpft als ich am Anfang gedacht hatte und gerade der letzte Teil gegen den Prinzen forderte allmählich seinen Tribut. Meine Lungen brannten und mein Knöchel schmerzte vom Aufprall. Dennoch konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Seine haselnussfarbenen Augen, die brauen, strubbeligen Haare und sein schiefes Grinsen hatten es mir anscheinend angetan. Aber solange ich nicht wie irgendein verliebter Teenager durch die Gegend laufe, war ein bisschen Tagträumerei noch in Ordnung.
"Da bist du ja!", rief Andrea mir erleichtert zu. "In der ganzen Stadt wurde von nichts anderem als deinem Überfall auf Monocerotis erzählt. Einige meinten sogar, Alnitak und Mirfak hätten dich mit etwas Hilfe gefangen genommen. Ich dachte wirklich kurzzeitig, dass ich dich nie wieder sehe." Ihre Besorgnis war ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. Gerötete Augen ließen mich darauf schließen, dass Andrea geweint hatte. Ich nahm meine beste Freundin in die Arme. "Hey, alles ist bis auf ein paar Kleinigkeiten gutgegangen. Außerdem ist die Hauptsache doch, dass ich nun da bin und dann auch noch mit einer Menge an Geld, die uns durch die nächsten Monate bringen wird!" Langsam löste sie sich wieder aus meiner Umarmung. "Du hast ja recht, wie immer. Was hältst du von einer heißen Tasse Kaffee, während du mir von deinem Tag erzählst?" Normalerweise hätte ich ihr jetzt einen Vortrag darüber gehalten, wie unnötig es war unser meist knappes Geld für Kaffee auszugeben, der sowieso für meine Verhältnisse viel zu teuer war. Jedoch schien es so, als ob es Andrea wegen mir schon schlecht genug ging. Also nahm ich ihren Vorschlag an.
Unser Zuhause war ein altes, verlassenes Theater wenige Häuser von unserem momentanen Standpunkt entfernt. Es war einmal Treffpunkt der Oberschicht gewesen. Aus allen Ländern kamen Menschen herbei um die Schauspieler und ihre Stücke zu bewundern. Jedoch wurde es irgendwann aus einem mir unbekannten Grund geschlossen und steht heute leer. Von seinem alten Glanz war nicht mehr viel übrig. Trotzdem liebte ich diesen Ort. Die samtenen Wände des Foyers, die riesige Bühne mit ihren Kulissen und die bunte Kostüme, welche teils sogar noch vollständig erhalten waren. Für mich versprühte dieses Theater einen ganz eigenen Charme. Für mich bedeutete dieses Theater Zuhause.
Nachdem Andrea uns schließlich einen Kaffee zubereitet hatte setzten wir uns gemeinsam in die hochgelegene Ehrenloge. Während ich mein Getränk noch abkühlen ließ, erzählte ich ihr von meinen Erlebnissen des heutigen Tages. Eine ganze Reihe von Emotionen zeichneten sich auf dem Gesicht meiner Freundin ab, welche durch ihre Narben nur weiter verstärkt wurden. Ich glaube dies hatte ich bis jetzt vergessen. Andrea war ein wundervolles Mädchen mit heller, elfenbeinfarbener Haut, blonden Haaren und haselnussbraunen Augen. Jedoch überzogen auch Narben den Großteil ihres Körpers. Nur Teilpartien des Kopfes und der Handinnenflächen waren unbedeckt. Ich kannte sie nun seit vielen Jahren und doch hatte ich sie bis jetzt nie gefragt, wodurch sie sie erhalten hat. Ich ging davon aus, sie würde es irgendwann von selbst erklären, wenn sie bereit dazu war.
Ich beendete meine Erzählung und trank einen Schluck von meinem nun lauwarmen Kaffee. Andrea starrte auf den Fußboden. Wahrscheinlich hätte ich nicht viel anders reagiert, wenn ich von so einer Verfolgungsjagd gehört hätte. "Ich muss mit dir reden", sie unterbrach das Schweigen. Meine beste Freundin war schon immer sehr direkt gewesen, wenn es darum ging, dass sie etwas von mir wollte. Ich weiß nicht, ob ich das gut oder schlecht fand. Sie schaute mir direkt in meine Augen. "Es geht um meinen Vater." Dies war der Moment, in dem ich mein Glas zur Seite stellte und meine komplette Aufmerksamkeit auf sie richtete. Andrea hatte noch nie über ihre Eltern oder allgemein über ihre Vergangenheit geredet. Wahrscheinlich denkt ihr jetzt von mir, dass ich zu unvorsichtig bin und fragt euch wieso ich mich überhaupt auf eine Person eingelassen habe von der ich nicht mehr weiß als ihren Namen. Jedoch wisst ihr bis jetzt auch nichts von meiner Vergangenheit, ihr wisst nicht, was wir gemeinsam durchgemacht haben bis wir zu unserem heutigen Leben gekommen sind, also urteilt nicht über meine Entscheidungen. Jedenfalls noch nicht.
"Ich hatte eine Mutter. Eine großartige sogar. Sie war noch sehr jung, als sie mit mir schwanger wurde. So jung, dass sie sich nicht wehren konnte gegen den Mann, der sich an ihr vergriff. Er war ein mächtiger Mann und verheiratet noch dazu. Natürlich konnte er den Gedanken nicht ertragen, dass ein uneheliches Kind ihm seinen guten Ruf zerstört. Darum bot er meiner Mutter eine große Menge Geld an. Sie lehnte ab und verschwand aus dem Land. Ich wurde geboren. Viele Jahre gelang es uns, uns zu verstecken, doch der Mann ließ mich und meine Mutter suchen. Schlussendlich fand er uns in einem Haus im Wald, welches wir seit einem halben Jahr bewohnt hatten. Seine Leute lachten, als sie mehr und mehr von unserem Zuhause anzündeten. Als ich wach wurde, war es bereits zu spät für meine Mutter. Hinter ihrer Zimmertür verbarg sich eine glühend heiße Flammenwand mit dem brennenden Körper meiner Mutter in der Mitte. Ich rannte daraufhin in den Keller in der Hoffnung, das Feuer könne mir dort nichts anhaben. Doch wie üblich lag ich mit meiner Vermutung falsch. Die Flammen verbrannten den Großteil meiner Haut. Mein Gesicht konnte ich teilweise mit meinen Händen schützen und dennoch siehst du ja welchen Schaden ich von diesem Tag davongetragen habe. Nur wie ein Wunder überlebte ich. Genauso groß war meine Überraschung, als einer der Männer vom Abend zurückkehrte und beschloss mich mit nach Hause zu nehmen. Ich war doch nur ein Kind." Tränen sammelten sich in ihren Augen. Natürlich hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, wie Andrea zu ihren Narben gekommen war doch diese Geschichte erschütterte mich bis ins Mark. Nicht im Traum könnte ich mir ausmalen, welche Qualen sie durchlebt haben musste.
Ich wollte schon etwas zu ihr sagen, als Andrea erneut das Wort ergriff: "Der Mann kümmerte sich mit seiner Ehefrau stets gut um mich, doch war mir ein langes Leben bei ihnen nicht vergönnt. Den anderen Männern war selbstverständlich der Familienzuwachs nicht entgangen und so kamen sie, um mich ein für alle Mal zu töten. Gerade rechtzeitig noch sah ich die drohende Gefahr und flüchtete über das Dachfenster. Wenig später traf ich dann auf dich. Den Rest der Geschichte kennst du ja. Wahrscheinlich hast du jetzt einige Fragen. Am meisten interessiert dich jedoch sicherlich wer mein Vater ist. Wer für mein Leid und das meiner Mutter verantwortlich ist." Auf einmal war ihre Trauer und Angst wie weggewaschen. Schierer Zorn war nun an ihre Stelle gerückt.
"Du kennst ihn. Ich meine meinen Vater. Herrgott jeder kennt ihn", sagte sie mit angewiderten Blick, "Er ist der gleiche Mann, der auch für den Tod deiner Eltern verantwortlich ist." Blut schoss urplötzlich durch meine Adern und mein Herz begann zu rasen. Das konnte nicht ihr Ernst sein. Ich hatte vor Ewigkeiten mit dem Tod meiner Eltern abgeschlossen. Ich hatte ihn akzeptiert! Und nun erfahre ich, dass meine beste Freundin, ausgerechnet sie, die Tochter von diesem Mistkerl ist. Doch auf eine verdrehte Art und Weise machte auf einmal alles Sinn. Der Ausdruck in ihren Augen, der nur dann auftrat, wenn irgendwo die Rede von diesem Mann war, der Schatten, der über ihr Gesicht zu huschen schien, wenn sein Name erwähnt wurde und dazu noch ihre Erzählung.
Ich sah in ihre hasserfüllten Augen. Hoffte inständig, dass ich mich geirrt hatte. Doch ihre nächsten Worte machten alles wieder zunichte: "Ja, mein Vater ist Eltanin XII, König von Andromeda."
Hey, hoffe euch gefällt das Kapitel auch wenn es ein wenig kürzer als sonst ist.
Ich möchte mich auf diesem Weg dafür entschuldigen, dass ich so lange nichts geschrieben habe (bis zum nächsten Kapitel dauert es nicht ganz so lange ;-). Noch einen schönen Tag
Wünscht
Eure
0maro4.
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Behind the mask
RomanceEs gibt Momente, die ein Leben für immer verändern können... Für Elena war der Tod ihrer Eltern ein solcher Moment. Gezwungen sich das Nötigste zu stehlen und ohne jegliche Zukunftsaussichten lebt sie mit ihrer einzigen Freundin Andrea in einem alte...