Der Winter war über dem Brocken eingebrochen, Berg, Wald und Tal mit Schnee bedeckt. Auf der Harzburg saß der wilde Raubgraf vor seinem Kaminfeuer und erwartete Nachricht von seinem Kundschafter. Dieser brachte ihm eine erfreuliche Botschaft. Eine Kolonne Kaufleute war auf dem Weg durch den Wald, leichte und reiche Beute für den Grafen. So machte sich der raublustige Graf auf den Weg, um die ziehenden Krämer in einem Hinterhalt zu überfallen. Die Überfallenen versuchten sich mit allen Kräften zu wehren, doch den Männern des Grafen hatten sie nicht viel entgegenzusetzen. Nach dem Kampf hörte der Graf ein kleines Kind weinen. Er schickte seine Männer aus, das Kind zu suchen. Sie fanden einen Säugling, fest umschlungen in den Armen seiner toten Mutter. Obschon der Raubgraf ein fieser Mensch war, schien er doch noch etwas Gutes in sich zu tragen. Er nahm das kleine Mädchen zu sich auf die Burg und gab es seiner Frau, damit diese es großziehe. Das Kind wuchs unter ihrem mütterlichen Schutz zu einer schönen jungen Frau heran, die sich in ein anderes Pflegekind der Edelfrau verliebte. Der böse Graf hatte sehr wohl bemerkt, wie gut sich sein Findling entwickelt hatte. Er wollte dieses Mädchen ganz für sich. Die Fallen, die er ihr stellte, schlugen jedoch alle fehl. Das Mädchen entwischte ihm immer wieder. Bald stellte er fest, dass sie an ihrem ehemaligen Spielkameraden ein ebensolches Interesse entwickelt hatte, wie der Graf an ihr. Um den Konkurrenten außer Reichweite zu halten, schickte er den jungen Mann tief in den Wald zu einem Jäger, damit dieser ihm das Jagen beibrächte. Das Paar schwor sich einander treu zu bleiben, bis der Junge wiederkäme. Als das Mädchen erkannte, was der alte Ritter im Schilde führte, floh sie eines Nachts von der Habsburg, um ihren Liebsten zu suchen. Der Graf wurde sehr wütend und rief seine Männer zusammen. Die junge Frau hörte die Suchenden und betete zu Gott, dass er sie vor dem Ritter und seinen Schergen retten möge. Ihr Gebet wurde erhört. Nebelschwaden umhüllten und verbargen sie vor den Männern. Indes nahm der Junge sein Pferd und seine Hunde, und ritt los, um das Mädchen zu suchen. Mitten in der Nacht entdeckte er ein sonderbares Licht und näherte sich vorsichtig. Am Fuß des Brockens, in einer mit Moos und leuchtenden Blumen bedeckten Felsspalte erblickte er das Mädchen, eingeschlafen mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie wachte nie wieder auf.
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mysteriöse Kreaturen, Sagen, Legenden und unheimliche Wesen
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