Das Klicken und Klacken des Scheibenwischers machte ihn wahnsinnig. Durch die Windschutzscheibe des Fords konnte er kaum etwas sehen, so sehr schüttete es. Die Scheibenwischer liefen auf Hochtouren, doch sie halfen keineswegs, den Blick auf die Straße zu erleichtern. „Schreckliches Wetter", fluchte der Mann vor sich hin. Seine Hände hielten verkrampft das Lenkrad fest, während sein Oberkörper weit nach vorne gebeugt war und seine Augen angestrengt durch den Guss aus Regen starrten. Durch das Radio empfingen sie schon lange keine Musik mehr. Anscheind hatte das Wetter nun auch einen Einfluss auf den Rundfunk. Er hasste es, ohne Musik Auto zu fahren. Er hasste es wie die Pest. Ein dunkelblauer Volkswagen kam ihnen auf der sonst menschenleeren Straße entgegen. Auch dieser Fahrer fuhr langsam und vorsichtig. Das grelle Licht der Scheinwerfer blendete den Jungen auf dem Beifahrersitz im Ford. Beinahe hätte er geflucht, ließ es aber doch bleiben. Schließlich war es nicht die Schuld des anderen Fahrers, dass er schlechte Laune hatte.
In der Aktentasche auf der hinteren Sitzreihe klingelte ein Handy. Erneut fluchte der Mann. Bei diesen Verhältnissen konnte er unmöglich dran gehen. Doch es war wichtig. Das verriet ihm der Klingelton. So aufdringlich, es wollte gar nicht mehr aufhören zu piepen. Wütend trat der Mann in die Bremse, zum Glück fuhr niemand hinter ihm. Aufgebracht wühlte er in der Tasche, bis der Junge ihm das Telefon vors Gesicht hielt. Der Mann hob ab „Ja?" Als er erkannte, wer am anderen Ende der Leitung war, begannen seine Hände zu schwitzen. „...Nein, es wird nicht wieder vorkommen... Oh, ich bin mir sicher, sie werden keinen Verdacht schöpfen. ... Was sagen sie? Die Verbindung ist schlecht. ... Nein, alle Spuren sind beseitigt. ... Wünsche ich ebenfalls, auf wieder sehen, Sir." Der Mann legte auf und ließ das Handy in die Tasche zurückfallen.
Leicht verstört sah der Jungen den Mann an, welcher völlig ausgeblendet hatte, dass noch jemand im Auto saß. Immer noch wütend fuhr der Mann weiter. Genervt fuhr er sich durch die Haare und fluchte vor sich hin. Es schien immer dunkler zu werden, je weiter sie fuhren. Aber sie waren noch lange nicht am Ziel. „Ich hab Hunger", beschwerte sich der Junge nach wenigen Minuten. „Jetzt nicht, ich muss mich konzentrieren." Jedoch beschwerte sich der Junge weiter. Schlussendlich hielt der Mann an, stieg aus und ging einmal um das Auto. „Halt jetzt verdammt nochmal den Mund. Wenn ich sage nicht jetzt, dann meine ich auch nicht jetzt", schrie der Mann. Beim genaueren hinsehen erkannte der Junge, dass die Pulsader gefährlich pochte. Er erwiderte kurzzeitig nicht, fing dann jedoch wieder an sich zu beschweren. Die darauffolgende Drohung des Mannes ließ ihn kalt, er kannte es bereits. Was dann folgte hätte er sich jedoch nicht vorstellen können. Blitzartig schlug der Mann das Kind ins Gesicht, drehte sich stillschweigend um und ging zur Fahrerseite. Der Junge starrte wie versteinert auf die Stelle wo der Mann bis vor kurzem noch stand. Vorsichtig legte er seine kleine Hand auf die Wange. Er wusste, auch ohne, dass er es sah, dass diese vollkommen rot war. „Warum?" Der Mann schwieg. „Warum? Verdammt nochmal ich bin dein Sohn! Wieso hast du mich geschlagen?" Stille. Weitere Minuten vergingen bis der Mann sich räusperte. „Du bist mein Stiefsohn. Ich habe nicht darum gebeten, dass deine Mutter stirbt und ich dich nun am Hals habe." Wieder lag ein unangenehmes Schweigen in der Luft. „Außerdem hast du mich genervt." Der Junge starrte ihn weiterhin an und konnte nicht glauben, was sein Stiefvater soeben von sich gegeben hat.
Stunden vergingen, jedoch erschien es als wären es Sekunden, in denen der Junge nachgedacht hatte. Draußen war es mittlerweile dunkel. Wieso ist er mitgegangen, fragte sich der Junge seit dem Tod seiner Mutter. Er kannte seinen Stiefvater kaum, wusste nicht, wie er für ihn sorgen sollte. Nachdenklich kaute der Junge die Kekse, die ihm der Stiefvater gegeben hatte. Immer wieder schloss er die Augen, konnte sie kaum noch offen halten. „Nicht einschlafen. Wir sind gleich da", ertönte plötzlich eine Stimme. Kaum merklich nickte er. Ein Seufzen ertönte. Dann noch eins.
Eine halbe Stunde später trafen sie endlich ein.Ihr Ziel, ihr neues Zuhause. Das Gebäude vor ihnen wirkte porös und kahmig.Beide stiegen aus dem Auto aus, um sich das Gebäude von Nahem anzusehen. „Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?" Die geflüsterte Frage des kleinen Jungen konnte der Mann kaum verstehen. „Nimm deine Tasche und komm", antwortete der Mann monoton. Nickend nahm der Junge seine Tasche aus dem Kofferraum und folgte seinem Stiefvater. Als er das Haus betrat staunte er nicht schlecht. So mag es von außen porös aussehen so ist es das Gegenteil im inneren. Glänzend. Teuer. Der Junge konnte sich nicht erklären, wie sein Stiefvater so viel Geld auftreiben konnte, immerhin ging er nicht arbeiten. „Erste Etage, dritte Tür links ist dein Zimmer. Geh schlafen. Ich muss morgen noch mir die reden." Verwirrt nickte der Junge, schulterte seine Tasche und folgte der Wegbeschreibung. Auch dieses Zimmer schien viel gekostet zu haben. Müde von der Fahrt legte er sich in sein Bett und schloss die Augen. „Endlich bist du da", hörte er eine Stimme flüstern, bevor er komplett in die Welt der Träume abdriftete. Wie der Junge begab sich der Mann in sein Gemach, tätigte jedoch vor dem zu Bett gehen noch wichtige anrufe mit einer Person. Durch das geöffnete Fenster drang leise die Luft und umschmeichelte ihn, als würde er ihn willkommen heißen. Ferner jedoch hörte er leises schluchzen, kümmerte sich jedoch nicht weiter darum.
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Nights
Short StoryNights ist eine Kurzgeschichte, die ich vor Jahren geschrieben habe