Die nächsten Sonnenauf- und untergänge rauschten an Tavan vorbei wie ein Traum. Die Tage waren klar und warm, die Nächte wolkenverhangen. Lens Husten war schlimmer geworden. Der Prinz befürchtete manchmal, sie würde gleich von ihrer Stute kippen. Er trieb sein Gefolge an, er wollte so schnell wie möglich in Faest ankommen. Eines Nachts, sie waren schon nahe an den Grenzen, erwachte er von einem leisen Rascheln. Er setzte sich auf und schaute sich um. Braen und Rout schliefen. Der Platz zwischen ihnen war leer. Die Beiden hatten eine flüchtige Freundschaft zu dem Mädchen aufgebaut. Sie lauschten ihrer Musik, ließen sich von ihren Worten verzaubern und wärmten sie in der Nacht. Nur Tavan ging ihr aus dem Weg. Er fürchtete sich vor ihrer Musik und dem Zauber, den sie mit sich brachte. Er war schroff zu ihr und ließ seinen Zorn an ihr aus. Nicht, dass er sie anfasste, aber er beschimpfte ihre Schwäche und Nutzlosigkeit. Sie weinte nicht. Niemals. Sie hatte keine Angst vor ihm. Tavan verstand nicht, wieso ihn das so aufbrachte. Wollte er denn, dass sie ihn fürchtete?
Was erwartete er nur? Er rieb sich über die Augen. Erneut drang das Rascheln an seine Ohren. Es war so leise, weshalb war er davon erwacht? Jemand hustete, gefolgt von einem leisen Stöhnen. Tavan stand auf und folgte dem Geräusch. Er erstarrte, als er Len sah. Sie stützte sich an einem Baum ab, die Hand vor den Mund gepresst. Etwas tropfte auf den Boden. Im Mondlicht sah es aus wie eine pechschwarze Perle. Len sank zu Boden. »Len!« Tavan war so schnell bei ihr, wie er konnte. Er hielt sie fest, verhinderte, dass sie vorne überkippte. Sie hustete und spuckte Blut aus.
»Len, was ist mit dir?« Er drückte sie an sich.
»Sagte ich es nicht, mein Herr«, keuchte sie. »Mein Lied wird enden.«
»Was?« Tavan drehte sie zu sich. »Was sagst du da?« Sie lächelte müde. Sie war so schön. Verboten schön. Schweiß rann ihr von der Stirn. »Es ist wundervoll hier«, murmelte sie.
Tavan strich ihr die Haare aus der Stirn. »Du hast ja Fieber. Wieso hast du nichts gesagt?«
»Das hätte nichts geändert.«
Tavan seufzte laut. »In deiner Nähe fühle ich mich wie ein Unmensch.« Er drückte sie an sich, damit sie nicht fror.
Ich will dich.
»Ist es das, was Ihr wünscht, mein Herr?«
»Wovon sprichst du?«
»Müsstet Ihr nicht alle Überzeugungen aufgeben. Wollt Ihr das, wollt Ihr das wirklich?«
»Du redest wirr, Len.« Er hob sie hoch, trug sie zur Feuerstelle und legte sie sanft auf den Boden.
Er sammelte einige Äste zusammen und entfachte ein neues Feuer, dann setzte er sich neben Len.
»Wenn Ihr mich wollt«, sie setzte sich auf und blickte ihm direkt in die Augen. »Dann müsst Ihr Euch eure Fehlbarkeit eingestehen. Wenn Ihr mich wollt, dann müsst Ihr Eure Welt verändern.«
Tavan starrte sie an, dann lachte er leise. »Wie kommst du darauf, ich würde dich wollen? Würdest du nicht fiebern, oh Himmel. Kind, was reimst du dir da zusammen?«
Sie beugte sich zu ihm, ihr Kleid verrutschte und gab nackte Haut frei. »Ist das so, mein Herr?«
Tavan schluckte. Sein Herzschlag beschleunigte sich. »Verlangt Ihr nicht nach mir?« Sie kam noch näher. Ihr Atem streifte seine Wangen. Ihre Haut schimmerte im Licht der Flammen. Sie war so rein. »Hör auf, Len.« Seine Stimme brach. Was machte sie mit ihm, was geschah mit ihm?
»Verändert Ihr Eure Welt für mich, Prinz Tavan ?« Ihre Nasenspitze berührte seine Wange und ihre Finger krallten sich in seine. Sie glühte und brannte. Tavan wollte sich ergeben. Er wollte mehr. »Wer bist du nur?«
»Was wünscht Ihr Euch, mein Herr?«
»Hör auf, Len. Du wirst es bereuen, mich zu ver...« Er umschloss ihre Finger, sog ihren Duft ein.
»Wer soll ich sein?«, hauchte sie.
»Nicht ... « Tavans Verstand war wie weggeblasen. Da war nur noch sein laut pochendes Herz und Lens Atem in seinem Gesicht. Ich will dich, nur dich.
»Sei eine Prinzessin, sei eine edle Dame ... « Er wanderte mit seinen Händen ihre Arme nach oben.
Er war blind vor Leidenschaft und Sehnsucht. Er tastete sie ab und wusste nicht, wer sie war. »Wer bist du, wer bist du nur?«
Sie küsste ihn. Er schmeckte ihr bitteres Blut auf seiner Zunge.
»Würdet Ihr die ganze Welt für mich ändern?«, wisperte sie an seinen Lippen.
Tavan fuhr durch ihre Haare, küsste sie.
»Prinz Tavan !«, ertönte Braens erschrockene Stimme. Tavan löste sich von Len, er schlug ihr so heftig in das Gesicht, dass sie zu Boden fiel. Fluchend stand er auf. Er brannte. Er verbrannte. Blind rannte er in den Wald, zog sein Schwert und zerschnitt Sträucher und Gestrüpp. Was hatte er nur getan? Verdammt, was hatte er nur getan? Er war kein würdiger Fürstensohn mehr. Er war ... er war .... Tavan wusste es nicht. Sein Schwert prallte an einem Baum ab, er taumelte zurück, rannte weiter, fluchte, hasste sich selbst, schrie ohne Stimme, blieb erst stehen, als er knietief in einem Bach stand. Das kalte Wasser holte ihn mit einem Schlag aus seiner Rage. Tavan bekam keine Luft. Seine Beine gaben nach, er tauchte seinen Kopf unter Wasser, tauchte auf, holte Luft, tauchte wieder unter, tauchte wieder auf. Er atmete.
Als er wiederkam, war alles still. Niemand sagte etwas. Len lag zusammengekauert am Feuer. Braen hatte sich wieder schlafen gelegt. Tavan hoffte, dass er diesen Vorfall niemals mehr ansprechen würde. So musste es auch keiner erfahren. Prinz Tavan vergeht sich an einer Sklavin. Gott! Sein Vater würde ihn dafür enterben! Er legte sich, mit dem größt möglichsten Abstand zu Len ans Feuer und ließ sich von den Flammen trocknen.
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Diener des Himmels
RomanceTavan ist auf der Suche nach mehr, bis er ihr das erste Mal in die Augen sieht - einer jungen Sklavin mit ungebrochenen Augen. Von da an, verändert sich alles. »Verlangt Ihr nicht nach mir?« Sie kam noch näher. Ihr Atem streifte seine Wangen. Ihre...