Welsh Kisses

Ich bin so ein Idiot!

Ich schaute meine Mutter prüfend an. Sie verarschte mich doch jetzt! "Luke, please!" sie sah mich immer noch an. "I haven't said anything against it, but I've got one question" ich lehnte mich provokant zurück "Why?". Sie atmete hörbar aus und ihre Miene wurde streng "because, enough is enough!" Was wollte sie von mir, verdammt?!? Meine Noten waren trotz meiner mittlerweile regelmäßigen Besuche beim Direktor nicht all zu schlecht und der Rest konnte ihr ja wohl egal seien. Ich war nie sturzbesoffen und Drogen genommen habe ich auch nicht. Warum regt sie sich so auf?! Ich wollte ihre weiteren Erklärungsversuche nicht hören. Was würde das auch bringen? Es war doch eh, alles besiegelt und das ohne mich zu fragen! Ich stand auf und ignorierte, das Rufen meiner Mutter ich solle mich wieder hin setzten und ihr zuhören. Ich wollte nicht und wenn ich nicht wollte musste ich es in der Regel auch nicht.

Ich atmete tief durch und ließ mich der Länge nach auf mein Bett fallen. Ich habe nichts gegen meine Familie in Wales und mein Großcousin und meine Großcousine sind, wie Geschwister für mich, aber ich weiß nicht, diese Idee für ein Jahr in Wales zu leben widerstrebte mir doch ziemlich! Mir würden jetzt noch zwei Wochen im Deutschland bleiben und dann würde es heißen Sachen packen.

Ich griff nach meinem Handy. Ich wollte jetzt nicht weiter darüber nachdenken. Ich schrieb Ole an. Wehe der Arsch hat keine Zeit.

Ole ist mein bester Kumpel, wir kennen uns schon mindestens 8 Jahre, seit dem wir beide in der Leistungsförderung unseres Clubs gekommen sind. Mittlerweile sind wir beide Springreiter auf S-Niveau und das mit gerade mal 15.

Am Wochenende geht es in der Hauptsaison von Turnier zu Turnier, aber das ist es mir alle mal wert. Ich will es unbedingt an die Spitze schaffen.

Ehrgeiz wird bei uns in der Familie ja eh groß geschrieben. Wir sind alle mehr oder weniger im Reitsport tätig. Mein Großvater, ehemaliger Springreiter und jetzt Fahrer, Grandma Vielseitigkeitsreiterin von Kindesbeinen an und Mum ehemalige Vielseitigkeitsreiterin und jetzt Dressurreiterin. Ich bin, also mit dem Sport aufgewachsen.

Ich ging die breite Treppe runter in den Flur und schnappte mir ohne ein Wort meinen Haustürschlüssel und meinen Spinndschlüssel. Meine Mutter stand inzwischen auch im Flur. "Luke! Wait!" sie sah mich bittend an, aber ich ignorierte ihren Blick. "I don't know Why!" zischte ich noch, bevor ich aus der Haustür ging.

Mir war gerade alles scheiß egal. Sie könnte sagen was sie wollte. Sie wollte mich doch eigentlich nur für ein Jahr abschieben. Ich bin ihr wohl zu anstrengend geworden oder sie nimmt es mir immer noch übel, dass ich ihren letzen Freund vergrault habe oder, dass mein Vater sie damals mit der Begründung 'Er wäre noch nicht bereit für ein Kind' verlassen hat. Ich bin daran schuld, dass er sie verlassen hat.

Mein Handy riss mich aus meinem Gedankengang. "Ja, bin gerade am Stall. Ist was?" hatte Ole geschrieben. "Bin auch gleich da." tippte ich nur schnell und beschleunigte meine Schritte etwas. Ich wollte ja nicht wieder in diesen Gedankengang verfallen!

"Bohar! Ziehst du ein Gesicht!" würde ich von Ole begrüßt, als ich den Stall betrat. Ich ignorierte sein Kommentar, sondern kam direkt auf den Punkt "Meine Mutter will mich nach Wales abschieben". Ole guckte fragend "Wie?" "Ich soll für ein Jahr nach St. Davids" erklärte ich knapp. Ole nickte nachdenklich "Wann geht's los?" war das jetzt ernst? Sowas darf sich bester Freund nennen?! "In zwei Wochen." motzte ich und ließ mich vor die Box meines Partbreds fallen. "Luke, sie will dich erstens bestimmt nicht 'abschieben' und zweitens vielleicht braucht sie mal eine kleine Auszeit von deinen Eskapaden." Ole ließ sich neben mich fallen. Auszeit? Das war jetzt nicht sein ernst, oder? Ich bin so selten zu Hause, wozu braucht sie dann eine Auszeit?! "und jetzt mal ganz im Ernst, vielleicht bekommen sie dich in der Waliser Abgeschiedenheit wieder einigermaßen hin. Du machst in letzter Zeit wirklich nur Scheiße". Ich stand auf. Jetzt dürfte ich mir das auch noch von meinem besten Kumpel anhören?! Ole stand jetzt auch auf "Jetzt überleg mal, wie viel scheiß hast du in den letzten vier Wochen Schule gemacht, die Partys an den Wochenenden ausgeschlossen?" Ich war mindestens 9 mal beim Direktor und habe gefühlte 10 Englischstunden vor der Tür verbracht. Warum? Weil das Fach mich langweilt und mein neuer Englischlehrer mit dem Walisischenakzent und dem Walisischem an sich nicht klar kam, somit also etwas gegen mich hatte.

Ich wandte mich etwas frustriert, dass auch mein bester Kumpel nicht zu mir hielt meinem Pferd zu, da hörte ich wieder Schritte die den Stall betraten, leise und weiche. Ich drehte mich so, dass ich sehen könnte wer es war. "Hey" hörte ich die mir nur all zu bekannte Stimme meiner besten Freundin Marie. "Alles okay" wandte sie sich sofort besorgt an mich. Ich nickte einfach nur etwas genervt. "Wales?" fragte sie. Ich nickte wieder. "Hey. Jetzt sei nicht so misstrauisch! Kann bestimmt auch voll genial werden" sie schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. "Ich bin nicht misstrauisch!" sie zog die Augenbrauen hoch "Luke! Du bist das Misstrauen in Person" Sie musste über meinen kritischen Blick lachen. Sie umarmte mich schließlich "Du hast jetzt noch zwei Wochen und glaub mir ein Jahr ist manchmal nicht so lang, wie es sich anhört" unwillkürlich schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen, aus ihrem Mund klang das alles gar nicht mal so scheiße. Ihr Handy gab einen Ton von sich und sie ließ mich los. Ich musste gar nicht erst auf ihr Handy gucken um zu wissen wer ihr geschrieben hatte. Ihr Freund, so ein richtiger Arsch und vor allen Dingen Eifersüchtig, wie sonst was. So einer wie der hatte Marie gar nicht verdient. Sie drehte sich sofort, wieder zum Tor und lächelte mir noch einmal über die Schulter zu "Wir sehen uns bestimmt noch", dann war sie wieder weg.

Tatsächlich trafen wir uns noch, auch meiner "Abschiedsparty" einen Tag bevor ich für ein Jahr in der nächsten Versenkung verschwinden würde. Marie war wohl nur wegen mir da gewesen, denn sie war alleine da, eigentlich wollte sie auch nicht lange bleiben, aber im Endeffekt hatten wir, dann doch gegen 0:00 Uhr angetrunken an eine Wand gelehnt, etwas abseits von den anderen gesessen. Ich hatte schon die ganze Zeit nach etwas 'Ablenkung' gesucht, hatte, aber einfach kein Mädchen gesehen was mir gefiel und wenn man angetrunken ist kommt man ja bekanntlich auf die dümmsten Ideen.

Wir hatten uns erst normal unterhalten und uns dann irgendwann angeschwiegen. Es war kein unangenehmes schweigen, eher ein angenehmes und vertrautes. Mit einem mal lagen meine Lippen auf ihren. Ich bin so bescheuert! Sie hat einen Freund, gut der ist ein Arsch, aber sie ist auch noch meine beste Freundin! Es wunderte mich ehrlich etwas, dass sie mich nicht von sich weg stieß. Sie war wahrscheinlich einfach doch schon zu besoffen, um dass noch wirklich mitzubekommen. Ich wurde fordernder, mal schauen wie weit man mit ihr gehen kann. Sie rutschte immer näher und erwiderte den Kuss mit einer Leidenschaft....Ich hatte meine Hände inzwischen auf ihre Hüften gelegt. So langsam schien sie zu verstehen, was hier abging, denn sie löste sich von mir und schob mich etwas von sich weg. Man konnte ihr ansehen was sie dachte -Scheiße! Warum musste das passieren?-. Ich hatte eigentlich erwartet, dass sie entweder einfach aufstehen würde und damit hatte sich die Sache oder mich jetzt zur Sau machen und mir eine Scheuern würde, aber sie blickte mich einfach nur verwirrt aus ihren großen blauen Augen an. Sie wirkte plötzlich etwas neben der Spur und stand schließlich auf "Ich glaube es ist besser, wenn ich jetzt gehe" meinte sie schlicht und meinte, dann noch "Viel Glück in Wales". Irgendwie hatte ich kein gutes Gefühl, sie jetzt alleine gehen zu lassen, aber mich würde sie jetzt auf keinen Fall sehen wollen. Ich kenne sie gut genug um zu wissen, dass sie diesen Weg nutzen würde um sich wieder etwas zu ordnen. Ich hatte zwar das Gefühl ich hatte mit der Aktion gerade etwas Mist gebaut, aber ganz ehrlich bereue ich nichts.

Am nächsten morgen, durfte ich total übermüdet in aller frühe aufstehen. Meine Mutter machte ein totales Drama am Flughafen draus. Hallo? Ein Jahr? auf ihren Wunsch? Was macht sie, dann so ein verdammtes Drama draus? Ich hoffte ganz ehrlich, das dieses eine Jahr möglichst schnell um war.