Heimat?

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Wieder in Wales wurde ich grinsend von Cray begrüßt "und wie war das Pferd?". "Vielversprechend" antwortete ich knapp. Ich hatte andere Probleme. Maries Worte gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich hätte mich bei ihr melden sollen, aber sich jetzt zu melden wäre nicht gerade die klügste Idee. Das käme so, als wollte man sagen 'Ich habe gerade nichts besseres zu tun, also melde ich mich mal notgedrungen bei dir'. "Deiner besten Freundin über den Weg gelaufen?" fragte er immer noch grinsend, als hätte er meine Gedanken gelesen. Wir waren eben doch, wie Brüder im Geiste. Ich atmete hörbar aus und nickte. "und?" er hob fragend die Augenbrauen, während ich ihn anstarrte, als hätte er mich gefragt ob man Schweinen Flügel anzüchten könnte "Was und?". "Hast du mit ihr gesprochen? Hat sie noch einen Freund?" ich wusste nicht ob ich jetzt lachen sollte, oder nicht. Cray Rowlands, der größte Player den ich kenne, will mit mir über sowas sprechen? Wo ist die versteckte Kamera oder ist der erste April? "Luke?!? Jetzt antworte mir!" drängte er. Ich atmete tief durch "Nein wir haben nicht gesprochen und ich weiß auch nicht ob sie noch einen Freund hat". "Dann kümmer dich mal drum, das herauszufinden" Cray zog ohne Witz tadelnd die Augenbrauen hoch. "Was interessiert dich das alles?!?" frage ich skeptisch. "Ich dachte ich interessierte mich ausnahmsweise mal für deine Probleme" er verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte mich vorwurfsvoll aus seinen Grünen Augen an. Ich musste lachen "Seit wann interessierst du dich für jemand anderen, als dich selbst!". Er verzog genervt das Gesicht "Ich wollte nur mal nett seien!" ich musste wieder lachen "Wird ja immer besser. Cathy?" rief ich nach meiner Cousine "Ja?" Sie streckte den Kopf zur Tür rein. "Ich glaube dein Bruder ist krank! Er interessiert sich für die Probleme anderer Menschen" Sie zog die Augenbrauen hoch ne trat in den Raum "Du hast Probleme?". "Nein!" stellte ich sofort klar. Ich wollte einer 12-Jährigen nicht von meinen Probleme erzähle. "Doch" hörte ich Cray trocken sagen. Ich blickten ihn vorwurfsvoll an "Hab ich nicht du Arsch!". "Erzähl!" Cathy ließ sich neben mich auf's Sofa fallen. "Nein!" weigerte ich mich weiterhin. "Doch! Ich bin vielleicht erst 12, aber nicht blöd!" Sie legte den Kopf schief "Geht's um ein Mädchen?". Ich verdrehte die Augen. "Nein, natürlich nicht, wie kommst du darauf, Schwesterherz!" Cray's Stimme triefte nur so vor Sarkasmus. Cathy guckte mich jetzt neugierig an "Kenn ich sie?". "Nein! Sie...." das musste Cathy jetzt echt nicht wissen. "Sie.....?" die kleine dunkel haarige hob fragend die Augenbrauen. "Sie ist seine beste Freundin" antwortet ihr Bruder für mich. "Wo ist, da das Problem?" fragte Cathy vollkommen unbedarft. "Die beste Freundin? Cathy du musst noch so viel lernen!" Cray lachte und ich saß schweigend daneben. "Ich glaube du musst eher was von Luke lernen Bruderherz und zwar wie man sich verliebt!" ich starrte Cathy an. "Ich hab mich nicht....." sie unterbrach mich "Wiederrede ist zwecklos! Schnapp sie dir! Sie wäre schön doof, wenn sie dich nicht haben wollen würde!" War dieses Mädchen echt erst 12? Das war das weiseste was ich je von ihr gehört hatte. "und jetzt such sie bei Facebook oder so und finde raus ob sie noch einen Freund hat! Ich frage dich morgen!" Cray lache inzwischen schon fast Tränen. Cathy hatte aber recht! Ich musste wissen ob sie noch dieses Arschloch von Freund hatte.

Allerdings musste die Recherche warten! Ich hatte anderes zu tun. Peter hatte mir und aufgetragen ein paar der Partbreeds vorzureiten. Es ist schon fast so etwas, wie eine Ehre, wenn Peter einem erlaubt eines seiner Verkaufspferde vorzureiten. Diese Tatsache machte mich zum einen etwas nervös und zum anderen zeigte sie mich, das ich auf einem guten Weg bin. Ich verzog mich deswegen auch schnell wieder und zog mich um. Kurz schoss mir durch den Kopf, noch einmal meine Stiefel kurz etwas zu säubern, aber dafür fehlte schlicht weg die Zeit und so dreckig waren sie auch nicht. Noch ein kurzer Blick im vorbeigehen in den Spiegel, nur um festzustellen, dass der dunkel grüne Hoodie mit dem Stalllogo sich gerade eben so mit dem grün meiner Augen vertrug. 


Mit schnellen Schritten ging in zum Stall und sah, dass Lisa schon das erste Pferd getrenst und gesattelt hatte. Lisa ist etwas kompliziert. Sie ist vielleicht erst 18 oder 19 und bildet sich mehr auf ihr aussehen ein, als ihr zusteht, auch im Bezug auf ihr reiterliches Können überschätz sie sich gut und gerne, aber sie kann mit Pferden umgehen und liebt die Tiere, wie jeder hier auf dem Gut. Mit einem mürrischen Blick drückte sie mir die Zügel  des mittelgroßen Wallachs in die Hand. Es müsste Blueprint seien. Peter will immer noch nicht erzählen wie dieser Name zustande kam. Blueprint ist zum Glück keine besondere Herausforderung, da hatte ich vor der Nummer zwei etwas mehr Respekt. Rowlands White River, ein eleganter Partbreed Hengst mit richtigen Allüren, an denen ein gewisser Cray Rowlands nicht ganz unschuldig ist. "Konntest auch nicht schneller seien oder? Typisch ihr Jungs lasst euch immer Zeit!" knurrte Lisa noch und wandte sich, dann River zu. Sie hatte wohl schlechte Laune. "Du hast 15 Minuten zum Warmreiten" rief sie mir noch nach und ich setzte meinen weg zur Halle fort.


Auf dem Dressurplatz stieg ich auf und fing an am langen Zügel Schritt zureiten. Noch zwei Monate hatte ich all das hier um mich, danach könnte ich nicht mehr so einfach aus der Haustür raus in den Stall. Gleichzeitig müsste ich mich wieder viel zu vielen Problemen stellen, unter anderem auch Marie und Mum, die sich immer noch Vorwürfe macht und mir eigentlich noch etwas sagen wollte. Ich atmete tief ein und verdrängte die Gedanken daran, was mich zu Hause erwarten würde. Jetzt war ich noch hier und das war auch gut so! In Wales, weit weg von den Problemen. 


Das Vorreiten klappte hervorragend, Blueprint zeigte sich von seiner besten Seite und ich hatte fast das Gefühl ich müsste nur an die Gangart oder die Bahnfigur denken und er würde sie schon fast von alleine gehen. Darum freute es mich auch, als Peter beim Abendessen erzählte er habe den Wallach für eine gute Summe verkauf. 


An solchen Tagen wünschte ich mir immer, ich könnte einfach in Wales bleiben, doch wurde mir dann auch immer etwas schmerzlich bewusst, dass ich nicht nach Wales gehöre, sonder nach Deutschland in eine Kleinstadt an der Nordsee. Dort ist meine Heimat, meine Freunde, ein großer Teil meiner Familie und mein neues Pferd. 


Welsh KissesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt