Familie

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Der Wind trieb mir den Sand in die Augen, während ich auf der Höhe des zehn stöckigen Hauses über eine Gasse sprang. Die Kante des Gebäudes vor mir, lag ein Stück unter der, von der ich abgesprungen war. Ich bemerkte auf dem Dach gegenüber, einen Zaun, hinter dem eine Plane über das Flachdach gespannt war. Ollie landete auf dem Kies und rollte sich ab, während ich dem Boden immer näher kam. Erleichterung machte sich in mir breit, als ich den Kies unter meinen Schuhen spürte und mich, wie Ollie, abrollte. Zwar tat es weh, aber in diesem Moment überwog meine Freude, es geschafft zu haben. Auch Perry landete und saß neben mir am Boden während wir auf Alex und Kai warteten. Ollie hatte sich aufgerappelt und starrte energisch auf die Kante des Gebäudes, von dem wir gesprungen waren. Es vergingen Minuten und so langsam dachte ich, dass sie es nicht geschafft hatten. Meine Freude verschwand und Sorge breitete sich in mir aus. Was wenn sie es nicht geschafft hatten? Wenn sie von den Zombies getötet wurden, wie die Menschen in Unterkunft 934. "Wie lange sollen wir warten?", fragte Perry, der die Steinchen von den Kleidern entfernte. Ich sah in Ollies braune Augen. Sorge, Angst und Verzweiflung stand darin. "Sie werden kommen", murmelte er und konzentrierte sich wieder auf die Kante. Und da, tatsächlich hörte man schnelle Schritte und dann sprang auch schon Alex über die Kante. Wir freuten uns, bis er sich wieder aufgerappelt hatte und wir ihn genauer sahen. An seinen Fingern und Händen klebte frisches Blut. Ich erstarrte. "Kai hat es nicht geschafft", verkündete er ernst und tauschte einen ernsten Blick mit Ollie aus. Man sah ihnen die Trauer an, trotzdem gingen sie langsam los in Richtung des Maschendrahzaunes. Inständig hoffte ich, dass wir hier bleiben durften. Wo sollten wir sonst hin."Wir werden mit den anderen abstimmen, ob ihr hierbleiben könnt oder nicht", sagte Alex, als hätte er meine Gedanken gelesen. Perry und ich folgten ihnen, durch ein kleines Tor im Zaun, das durch ein großes Zahlenschloss verriegelt war. "Wie viele seid ihr hier?". Ollie schloss hinter uns das Tor. Nun standen wir unter der sandfarbenen Plane, unter der es angenehm warm war. Hier standen ein paar Stühle um Tische, zwei Bänke standen nahe dem Geländer am Rand des Hauses. Es war süß und ich bekam das Gefühl, dass diese Leute hier schon lange waren. "17". Durch ein Treppenhaus, das mitten auf dem Flachdach war, gelangten wir in den obersten Stock. Es war lange nicht so leer, wie im Nebengebäude. Die Raumteiler wurden so angebracht, dass es viele kleine Räume gab, zu denen es immer eine Schiebetür gab und in die man durch einen langen Gang gelangen konnte. "Das sind unsere Schlafräume. In jedem schlafen zwei Leute". Alex bog um eine Ecke und wir gelangten in einen großen Raum, der als Speisesaal diente. Vier Tische mit je sechs Stühlen standen hier. An der Wand waren ebenfalls ein Tisch, auf dem ein Campingkocher stand. Ich kannte so etwas, da wir dasselbe bei uns hatten. "Den Strom gewinnen wir durch die Sonne und das Wasser durch eine Pumpe, die es aus einer unterirdischen Quelle holt". Man sah Ollie an, dass ihn der Tod von Kai ziemlich mitgenommen hat. Er seufzte. "Die anderen sind wahrscheindlich alle unten im Versammlungsraum. Kommt mit". Wir folgten ihm einen Stock tiefer, wo vierzehn der übrigen fünfzehn Leute hier saßen. Das Alter war gemischt, jedoch überwog der Bereich von ungefähr achtzehn bis Mitte zwanzig. Der jüngste war ein kleiner Junge mit schwarzem Haar und um die neun war. Die Älteste war eine ungefähr fünfzig jährige Frau, deren Haare schon grau wurden. Alles wurde still, als wir eintraten. "Wir haben die beiden im Nebenhaus gefunden. Sie kommen aus Zone neun, die gestern überrannt wurde", fing Alex an zu erzählen. Schon nach den ersten zwei Sätzen, waren sahen einige bestürzt aus. "Und gerade sind auch wir von Wiedergängern überrascht worden". Sie nannten die Zombies also Wiedergänger. Das erklärte Alex Verwunderung über das Wort Zombie, vorhin als er mir das Messer an die Kehle gehalten hatte. "Kai hat es nicht überlebt". Spätestens jetzt, sah man in jedem Gesicht Trauer und Schrecken. Sie wirkten wie eine Familie. Ein blondes Mädchen umarmte den kleinen Jungen und drückte ihm einen Kuss auf das wirre Haar. "Kris und Perry suchen Schutz. Und wenn es für euch in Ordnung ist, würden wir sie aufnehmen", Ollie steckte seine Hände wieder in die Hosentaschen. Zu meiner Überraschung begannen einige zu nicken. Erst nur ein paar, doch dann waren sich alle einig. Ich konnte es nicht glauben, dass diese Menschen, die uns kein Stück kannten, aufnahmen. "Ihr gehört jetzt zu unserer Familie", eine junge Frau stand auf, kam auf uns zu und umarmte erst mich, dann Perry. "Ich bin Eva", sie lächelte uns an.
Wir bedankten uns bei allen. Jeder einzelne hatte mit ja gestimmt. Sie nahmen uns in ihre Familie auf, obwohl sie ein Mitglied davon verloren haben. Wie lange sie sich kannten oder wie gut, wussten wir nicht. Wir waren die neuen und wurden einfach aufgenommen. Ein junger Mann brachte mir einen Becher Wasser und stellte sich mit dem Namen Jonah vor. Sein Lächeln und die Freundlichkeit dieser Menschen gab mir das Gefühl, das ich schon lange suchte und nie wirklich gespürt hatte. Das Gefühl, eine Familie zu haben.

DustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt