Schmerz

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Ich schritt einen langen Gang entlang, an vielen Türen vorbei. Ich freute mich auf das, was mich erwarten würde. Es fühlte sich an, als ob ich endlich etwas bekommen würde, das mir schon ewig zustand. Schnellen Schrittes eilte ich voran. Plötzlich wurde ich von hinten gepackt. Ich wirbelte herum, gerade noch rechtzeitig um vor einer glänzenden Klinge auszuweichen. Der Angreifer holte ein weiteres Mal aus. Doch wieder war ich schneller. Ich zog meinen Dolch aus dem Ärmel und holte zum Gegenangriff aus. Meine Klinge streifte nur seinen Oberschenkel, doch der Geruch von Blut tränkte die Luft. Weitere Angriffe folgten. Dann traf ich seinen Oberarm. Er kämpfte weiter, doch nun war ich überlegen. Alle Angst wich aus mir und an Ihre Stelle trat Wut. Er lag am Boden und atmete heftig. Ich riss Ihm den Stoff aus dem Gesicht. „Nummer 4! Wer hat dich beauftragt mich zu töten?" Er drückte seine Augenlieder zusammen. „Mach die Augen auf und antworte mir! Wer hat dich beauftragt?" Sein Atem ging noch schneller. Ich hatte nur noch wenige Sekunden bis er starb. „Antworte mir!" Sein Körper erschlaffte.

Nummer 4! Das war kein Traum. Diese Erkenntnis ließ panische Angst wie ein Feuer in mir aufsteigen. Ich stürzte aus meinem Gemach. Von dem schnellen Aufstehen wurde mit schwarz vor Augen, doch ich fing mich und rannte weiter den Gang entlang. Irgendwo zwischen mir und den Räumen von Penelope musste er sein. Als ich eine Treppe heruntergerannt war, erstarrte ich. Leblos lag sein Körper vor mir auf dem Boden. Von Penelope war keine Spur zu sehen. „Nein, Nummer 4!" schrie ich. Ich kniete mich neben ihn und legte meine Hände um sein Gesicht. Ich schloss die Augen. Ich konnte Ihn heilen, es musste einfach funktionieren! Damals hatte ich mich nur darauf konzentriert meinen Schmerz zu lindern. Vielleicht würde das auch mit seinem Herzen funktionieren. Also versuchte ich mich auf seinen schwachen Herzschlag zu konzentrieren. Als ich ihn spürte, hörte ich auch auf meinen eigenen Herzschlag. Dann versuchte ich das ungleiche Pochen zu vereinen. Ich spürte wie mein Herz schwächer wurde. Doch ich ließ es zu. Es war meine Schuld, dass er hier lag, ich hätte seiner statt sterben sollen. Dann wurde das Pochen stärker, Leben floss in ihn zurück. Ich öffnete die Augen. Schmerz durchzuckte meine Arme, sie konnten mich nicht länger halten. Mit einem lauten Schlag kippte mein Oberkörper auf den Boden. Ich atmete schwer ein und sah Nummer 4 an. Er lag immer noch leblos neben mir. Ich wollte meine Hand heben, doch der lähmende Schmerz ließ es nicht zu. Doch letztlich war mein Wille stärker. Ich schaffte es meine Hand auf Nummer 4s Brust zu legen. „Atme!", hauchte ich leise, „los atme schon!" Hustend holte er Luft. „Eyrin?" Er drehte seinen Kopf und sah mich mit Trüben Blick an, „bringt euch in Sicherheit, schnell." „Nein." Antwortete ich, „nicht ohne Euch. Nummer 4 ich lass dich nicht im Stich!" Er lächelte: „Mein Name ist Bering." Er schloss die Augen, sein Atem verstummte. Meine Hand ruhte noch auf seiner Brust. Ich suchte seinen Herzschlag, doch da war nichts mehr. „Bering, nein, bitte." Ich suchte nach irgendetwas lebenden in ihm, woran ich festhalten konnte, in dadurch wieder zurückholen konnte, doch da war nichts. „Nein..." schluchtste ich. „Er ist tot." Ich erschrak beim Klang dieser Stimme. Penelope. Sie trat in mein Blickfeld und sah missbilligend auf mich herab. „So töricht, so dumm. Sieh dich an. Beim Versuch ihn zu retten hast du dich selber geopfert. Nun hast du euch beide auf dem Gewissen. Warum bist du nur so undankbar? Du hättest an meiner Seite über ein so großes schönes Reich regieren können. Aber du warst so naiv. Zu versuchen seine Tante zu töten ist nicht nett, weißt du. Und es seiner Kammerzofe zu erzählen. Ach Eyrin, für wie blind hältst du mich?" Hass schwoll in mir an. Sie hatte Recht, ich hatte Bering getötet und bei dem Versuch ihn zu retten, hatte ich mich so sehr geschwächt, dass ich nichts mehr gegen Penelope tun konnte. Da ergriff mich blanke Verzweiflung. Nun würde sie mich töten, und Bering ist umsonst gestorben. Übelkeit stieg in mir auf. Mein Magen krampfte sich zusammen und Erbrochenes füllte meinen Mund. Hustend rang ich nach Luft. „Nein", sagte Penelope und hockte sich neben mich, sie hob meinen Rücken, sodass ich mich übergeben konnte, „du wirst mir hier nicht einfach ersticken." Als ich fertig war und wieder zu Atem kam, ließ sie mich wieder los und ich krachte zurück auf den Boden.

Dunkelheit umhüllte mich. Da spürte ich etwas in meinem Geist, etwas Fremdes. Und dann kam die Kälte zurück, die eiserne schreckliche Kälte. Sie kroch aus meinem Herzen und verbreitete sich in meinem Körper. Sie schmerze in meinem Kopf. Mein Herz wurde zerdrückt, meine Lunge zersprang. Etwas fing an, an mir zu zerren. Ich erkannte, was hier vor sich ging, ich hatte das Alles schon einmal erlebt. Ich versuchte die Kälte zu vertreiben, kämpfte gegen das zerren. Doch ich war schwach, viel schwächer als die unsichtbare Kraft. Das Gefühl des Verlustes durchdrang mich. Mein Geist entglitt mir und ich konnte nichts tun. Doch plötzlich war die Kälte verschwunden, die Kraft ließ mich los.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 17, 2016 ⏰

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