Zwischen Angst und Hoffnung

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Zwischen Angst und Hoffnung

Ich rannte den weißen Gang entlang. In meinen Ohren pochten die schnellen Schritte und mein Blut im Gleichklang. Ich wollte weg von hier. Weit weg. Mein Kopf realisierte immer mehr, was auf mich zukommen würde und fachte die Angst an, sodass sie zu einem Feuer lodernder Panik wuchs. Ich wollte nicht kämpfen, ich wollte nicht das Leid eines Krieges sehen. Ich kam in mein Zimmer. 'Ich muss hier weg' war immer noch mein einziger Gedanke. Ich nahm die lederne Tasche aus meinem Schrank und fing an alles mögliche hineinzustecken. Klamotten, Brot, meinen Dolch. Die Tür wurde langsam geöffnet. "Was tust du da?" sagte Milena erschrocken, als sie eintrat. Tränen der Verzweiflung stiegen mir in die Augen. "Ich kann das alles hier nicht. Ich will das alles nicht. Ich muss hier weg." Milena nahm mich, ratlos, was sie sonst hätte tun sollen, in ihre Arme. Schluchzend lehnte ich mich gegen ihre Schulter. Sie versuchte mich zu trösten, doch sie wusste nicht wie. Sie kannte schließlich nicht meine Situation. Sie wusste nicht wie es um unser Land stand. Sie drückte mich von sich und sah mir in die Augen. "Was ist denn los?" Ich konnte nur den Kopf schütteln. Meine Kehle wurde von den Tränen verschlossen. "Eyrin, rede doch bitte mit mir. Sorgen teilen hilft immer." Ich schluckte schwer und atmete stockend tief ein. Mit einem weiteren Kopfschütteln sagte ich: "Du, du kannst das nicht verstehen." Milena sah mir immer noch in die Augen: "Lass es mich doch wenigstens versuchen. Bitte, ich will dir doch nur helfen. Du siehst so fertig aus. Du kannst das doch alles nicht alleine tragen." Ich versuchte mich aus ihrem Griff zu winden und schüttelte nur wieder den Kopf. Doch Milena ließ nicht locker: "Eyrin, ich weiß, dass ich den Ruf hab alles weiterzuerzählen, aber doch nur unwichtige Dinge. Ich bin deine Freundin, ich würde niemals deine Geheimnisse weitererzählen. Vertrau mir!" Ihr vertauen? Konnte ich das? Wenn nicht ihr, wem dann? Und sie hatte Recht, ich musste meine Sorgen teilen. Doch wo sollte ich anfangen? Und während ich noch über meine Formulierung nachdachte, kamen die Zweifel zurück. Ich kann ihr das alles nicht erzählen. Penelope würde nicht wollen, das ihr das erzähle. Sie würde nicht wollen, dass Milena alles erfährt. Ich versuchte Penelopes gebieterische Maske aufzusetzen. Mit ruhiger Stimme, zumindest versuchte ich ruhig zu sprechen, sagte ich: "Milena, es ist nett von dir wenn du dir Sorgen machst, aber es ist alles ok." "Du darfst nicht gehen. Bitte.", antwortete Milena, es war fast ein Schreien. Mit dieser Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Und Milena war auch noch nicht fertig, "egal was es ist, bitte geh nicht. Es ist verständlich das du mir nichts sagst, aber bleib. Du bist unser aller Hoffnung. Penelope führt eine Schreckensherrschaft. Du bekommst hier nur nicht mit, wie es in der Stadt zugeht. Warum glaubst du Penelope lässt dich dort nicht hin? Bitte Eyrin, alle haben die Hoffnung, dass es mit dir als Königin besser wird." Ich starrte Milena entsetzt an. Ich war ein Bild der Hoffnung? Alle warteten darauf, dass ich Königin werde? Ich war mir der Verantwortung, die auf mir lastete nie bewusst gewesen. Ich war auserwählt ein Volk zu regieren. Und dieses Volk wollte mich auch als seine Königin. Ich spürte Angst in mir aufsteigen, vor all den Herausforderungen die auf mich zu kommen werden. Doch ich wusste, dass ich mich ihnen stellen musste. Ich richtete mich auf und fand meine starke Stimme wieder: "Ich werde bleiben." Milena war erst erstaunt, doch dann formte sich ihr Mund zu einem zufridenem Lächeln. Ich beschloss schnell das Thema zu wechseln, bevor ich wieder in Selbstzweifel fiel: "Ich bekomme Nahkampftraining, wo und wann?" Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht, so erstaunt war sie über meinen plötzlich so sachlichen Ton. Ich war selbst auch ein wenig überrascht, dass ich so gefasst war. "Ähm, also, wenn die Sonne im Zenit steht und ich soll dich hinführen." Ich nickte ihr als Antwort zu, woraufhin sie sich verbeugte und ein wenig verwirrt meinen Raum verließ. Ich war wieder allein. Allein mit mir. Und der großen Last der Verantwortung. Ich würde sie tragen müssen bis ich starb. Ich schob die Zweifel, ob ich es schaffen würde, beiseite. Ein Land regieren. Ich hatte mir diese Bürde nicht ausgesucht, aber ich konnte vor ihr auch nicht davonrennen. "Ich werde mich dieser Aufgabe stellen!", sagte ich laut zu mir selbt. Ich nahm die Tasche und packte sie wieder aus. Als ich den Dolch in den Händen hielt, stockte ich. Seinen Griff zu umfassen, gab mir Kraft, es machte mich stärker. Ich beshloss, dass ich ihn zum Training mitnehmen würde. Plötzlich kamen mir die Worte Milenas über Penelope wieder in den Sinn. Eine Schreckensherrschaft? Was meinte sie damit? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Tante zu den ihr anvertrauten Menschen schlecht war. Ich würde sie einfach fragen. Sobald ich diesen Gedanken hatte, war mir auch schon klar das er absurd war. 'Penelope, ich hab gehört alle hassen dich, stimmt das?', konnte ich wohl kaum fragen. Aber wie sollte ich mir und Milena sonst beweisen, dass Penelope ein guter Mensch war? Natürlich, ich musste in die Stadt. Milena würde mir sicher dabei helfen.

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