02. DIE BEGEGNUNG

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Als ich über die kleine Treppe schritt und schließlich festen Boden unter den Füßen fasste, schnappte ich, bevor ich irgendetwas anderes machte, erst einmal tief nach Luft.

Danach ließ ich meine Augen über die Umgebung gleiten; die Stadt war atemberaubend und das erkannte ich schon allein aus diesem Blickwinkel. Doncaster war meiner Meinung nach viel hübscher als Glasgow, zumindest soweit ich dies beurteilen konnte; Nesrin hatte mit ihren Erzählungen nicht im Geringsten übertrieben.

Atemlos drehte ich mich einmal um die eigene Achse, ehe ich in irgendeine Richtung zu laufen begann. Nach zirka fünf Minuten Fußmarsch fiel mir auf, dass ich überhaupt keine Ahnung hatte, in welche Richtung ich eigentlich gehen musste.

'Super gemacht Serena!', schimpfte die Stimme mal wieder, aber ich war viel zu sehr mit meiner Verzweiflung beschäftigt, um diese zu beachten. 

Nesrin hatte mir zwar den Namen ihrer Straße vor kurzem in einer separaten Textnachricht gesendet, aber ich hatte keine Ahnung, wo diese war und wie ich sie mit meinem verlangsamten Internet finden sollte. 

Ich wollte meine beste Freundin anrufen, doch der Bildschirm meines Handys blieb schwarz; Akku leer.

Nervös guckte ich mich um und versuchte einen Stadtplan ausfindig zu machen und das, obwohl ich wusste, dass dieser mir sowieso nichts nützen würde.

'Scheiße gelaufen, würde ich mal sagen.'

Musste diese Stimme sich die ganze Zeit und noch dazu überall einmischen? Ich hatte hier gerade definitiv größere Probleme. Wie sollte ich nun zu Nesrin kommen? 

Ich achtete gar nicht genau auf meine Umgebung und hechtete wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die ganzen Menschenmassen.

Auf einmal fand ich mich fluchend auf dem Boden wieder.

Ich war gerade nicht im Ernst gegen einen Laternenmast gelaufen. Stirnrunzelnd griff ich nach meiner Tasche und strich mir mit meiner anderen Hand die Haare aus dem Gesicht, damit ich wieder eine freie Sicht hatte.

'Doch, genau das ist passiert. Hoffentlich hat es niemand gesehen, sah ziemlich peinlich aus.' 

Schon wieder! Gab es einen Aus-Knopf für diesen nervigen Mist?

'Wohl eher nicht. Ich hoffe, du bist nicht allzu enttäuscht.'

Ich plante gerade meine nächste Aussage durch, als ein Geräusch meine Aufmerksamkeit erregte.

"Hey, ist alles in Ordnung mit dir?", verlangte eine Stimme hinter mir zu erfahren und unterbrach somit den Krieg mit meiner inneren Stimme.

Irgendwie war es klar, dass ich nicht lange auf diese Frage warten musste. Die Leute mussten mich aber auch für ganz schön bescheuert halten. Typisch blond eben. Eigentlich war ich ja braunhaarig, aber ich kam manchmal einfach rüber wie eine waschechte Blondine. Nicht das ich etwas gegen Blondinen hatte, aber irgendwie trafen diese Witze und die Blödheit bei den meisten wirklich zu.

"Ja, alles okay", gab ich von mir und wagte einen Blick nach oben.

Ein paar graublaue Augen starrten mich an. Der Typ bot mir seine Hand an, die ich dankend ergriff. Wieder auf beiden Beinen stehend, nickte ich ihm zu. Erst jetzt bemerkte ich, wie gut er aussah; braune, nach oben gestylte Haare, jung, eine schöne Augenfarbe und die ziemlich gute Figur.

Um Klartext zu reden: genau mein Geschmack.

Er hatte ein gestreiftes T-Shirt und eine Schwarze, bis zu den Knöcheln hochgekrempelte Hose, an. Die schwarzen Vans ergänzten die Gesamtfassung perfekt; ich dagegen sah wie der letzte Penner aus. Okay, ich hatte die Ausrede, meine Eltern am gestrigen Tag verloren zu haben. Gedankenverloren suchte ich die Gegend ab. Mir stiegen die Tränen in die Augen, ich war in dieser Gegend sowas von verloren.

IT IS WHAT IT IS » LOUIS TOMLINSONWo Geschichten leben. Entdecke jetzt