Das Zwitschern von Vögeln dringt an meine Ohren, doch der Schlaf hat mich noch fest im Griff. Ich kann nicht mehr tun als einfach nur da liegen und den Vögeln zu hören. Doch etwas stört diese friedliche Geräuschkulisse. Am liebsten würde ich es überhören, doch etwas drängt mich dazu genauer hin zu hören. Wieder dieser Teil von mir dem diese Stimme gehört, die die ich so oft höre und die ich so hasse. Trotzdem muss ich einfach lauschen. Zuerst nehme ich nur die Vögel wahr, doch ich weiss dass da noch etwas ist was ich dringend hören sollte. Ich konzentriere mich jetzt richtig auf das Geräusch. Plötzlich scheint es als ob ein Stöpsel entfernt wird. Alles wird lauter und klarer. Jetzt höre ich auch das Geräusch deutlich. Es ist das leise Geräusch von Krallen, die sich in die Rinde der Eiche bohren.
Nona ist zurück. Ich entspanne mich. Gut sie ist endlich zurück. Ich seufze.
Dann ist ja alles in Ordnung... Momentmal ich kann hören wie sich Nonas Krallen in die Rinde bohren!!! Erst jetzt wird mir klar dass jeder normale Mensch so was nicht hören sollte, besser so etwas nicht hören kann. Besonders nicht, wenn er im Bett liegt und die Katze erst auf halber Höhe des Baumes ist.
Oh nein, das ist ja fast noch schlimmer. Ich stöhne und presse die Hände auf meine Augen. Ich kann sogar sagen, wie weit sie noch entfernt ist. Okay jetzt ist es offiziell: ich bin der grösste Freak aller Zeiten. Erst jetzt öffne ich die Augen. In meinem Zimmer ist es dunkel. Die Vorhänge halten das meiste Licht draussen, doch trotzdem sehe ich alles. Die Konturen meines Bücherregals sind für meine Augen gestochen scharf und auch die anderen Gegenstände kann ich gut erkennen. Ich kann sogar die Blätter meiner Pflanzen zählen.
Kann ich noch freakiger werden? Ein leises Tropfen lenkt mich von meinem Selbstmitleid ab. Es ist ganz nahe. Es befindet sich auf gleicher Höhe mit den Geräuschen von Nona. Besser gesagt das Tropfen kommt von Nona.
Was kann das bloss sein? Eine dunkle Ahnung lässt mich schaudern.
Ist das vielleicht B... Ich will das nicht denken oder auch bloss annehmen. Die Möglichkeit, dass Nona verletzt ist, das kann ich einfach nicht glauben.
Ach was denke ich bloss. Sie ist wahrscheinlich bloss in den Brunnen gefallen und ist jetzt einfach nur nass. Ich sollte ein Tuch aus dem Bad holen und sie, dann kräftig abrubbeln. Ein Windstoss bläht den Vorhang vor meinem Fenster. Er lenkt mich von meinem verzweifelten Versuch ab mich selbst zu belügen. Der Wind ist herrlich frisch, doch ich kann diese Frische nicht geniessen. Die Gerüche, die dieser Wind mit sich bringt lenken mich ab. Der Geruch der Blumen im Garten schwingt darin mit und der Geruch von frischem Gras. Es ist so überwältigend, es scheint, als ob ich die Welt nie richtig war genommen habe. Doch die Überwältigung verschwindet schnell und macht Platz für die Furcht. Nicht nur der Duft von Blumen und Gras liegt in der Luft, sondern auch ein Anderer. Etwas Metallisches. Ein Geruch, der mich an den Unfall erinnert. Schliesslich kann man so etwas nicht so leicht vergessen. Der Duft von frischem Blut. Ich kann mich noch so gut an den Unfall erinnern, zu gut. Ich erinnere mich an jede Kleinigkeit und besonders an das viele Blut. Das Blut, das an der zerbrochenen Windschutzscheibe klebte und vom Fahrersitz herunter tropfte. Und auch an das Blut, das in einem warmen Bach aus der Wunde an meinem Hals strömt. Damals fühlte es sich an, als ob mit jedem Tropfen Blut auch das Leben immer mehr aus meinem Körper strömt und ich immer schwächer und schwächer werde... Hör auf! Ich versuche mich zusammenzureissen und nicht immer wieder an diesen Tag zurück zu denken und immer wieder mich an meine Qualen zu erinnern.
Hör auf, dich in selbst Mitleid zu suhlen. Da ist wieder diese Stimme. Hast du schon vergessen, wer hier blutet? Hast du schon vergessen, dass es jetzt gerade nur einem Wesen in deiner Nähe schlecht geht? Hast du etwa Nona vergessen? Ich muss der Stimme Recht geben. Ich hatte Nona schon fast vergessen. Ich muss zugeben, dass es auch hilfreich sein kann verrückt zu werden.
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Schwarzer Mond - Das Flüstern der Nacht
ФэнтезиVanessa ist 16 und ihr Leben ist eine einzige Qual. Sie hat niemanden mehr ausser ihrer Tante und der Hass aufeinander ist das einzige was sie verbindet. Sogar im Internat hat sie keine Ruhe auch wenn der Abschluss immer näher rückt. Aber die Schatt...