17.Neuer Plan

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Ich wache auf, halte meine Augen jedoch noch geschlossen. Ich kann das leichte schaukeln des Schiffes und einen Sonnenstrahl auf meinem Gesicht spüren. Meine Wange liegt auf dem weichen Baumwollstoff eines T-Shirts. Ich kann Michaels Herzschlag hören. Es ist ein sanftes und rhythmisches Geräusch. Seine Atemzüge sind tief und ruhig, er schläft also noch. Ich fühle mich so wohl in seinen Armen.

Langsam öffne ich meine Augen. Ein paar Sonnenstrahlen haben sich in mein Zimmer verirrt und tauchen meine Kabine in goldenes Licht. Ich hebe den Kopf und lächle.

Ein Sonnenstrahl fällt direkt auf seine roten Haare und verleiht ihnen einen leichten goldenen Schimmer. Eine widerspenstige Locke hängt ihm ins Gesicht. Mal wieder. Was für eine Verlockung für mich. Ich kann nicht wieder stehen und streiche sie ihm sanft aus dem Gesicht. Seine Haut fühlt sich unter meinen Fingerspitzen so warm an. Michael öffnet seine Augen und schaut mich an. Meine Finger ruhen immer noch auf seiner Wange. Mir stockt der Atem als ich in seine grünen Augen schaue. Diese grünen Augen, die roten Haare...

„Du hast den richtigen Namen ausgesucht", meine ich. Er blinzelt verschlafen und lächelt mich schief an. Mein Herz macht einen kleinen Hüpfer.

„Meinst du?", sagt er und zieht mich näher zu sich heran. Dann küsst er mich. Vorher hat mein Herz gehüpft, doch jetzt setzt es einen Schlag aus. Er löst sich von mir und betrachtet mich.

„Ich glaube eher, dass du hier der Engel bist", sagt er grinsend. Ich schnaube.

„Ein Engel mit schwarzen Haaren? Eher weniger", erwidere ich. Michael lacht.

Ich küss ihn kurz, dann stehe ich auf und mache mich auf den Weg ins Bad.

„Dann bist du halt ein schwarzer Engel. Aber du bist immer noch die, die mir das Herz gestohlen hat", sagt er grinsend. Ein warmes Gefühl breitet sich in meiner Brust aus. Ich drehe mich zu ihm um und sage:

„Selbst Schuld, du hast es mir zuerst gestohlen." Er lächelt und ich verdrücke mich schnell ins Bad. Ich schliesse die Tür und lehne mich dagegen. Ein Blick in den Spiegel verrät mir, dass ich grinse wie eine Bekloppte.

Oder wie eine Verliebte, füge ich in Gedanken hinzu. Mein Grinsen wird noch breiter. Dann stelle ich mich unter die Dusche. Schlagartig verschwindet mein Grinsen, als das Wasser auf mich herunter prasselt. Das Wasser lässt die Erinnerungen an gestern wieder aufleben. Es ist nicht so, dass ich es vergessen habe. Es spuckt schon seit dem Aufwachen in meinen Gedanken herum, aber wegen Michael war ich zu abgelenkt um mich gross mit ihnen zu befassen. Doch jetzt ist alles wieder da. Ich beisse mir auf die Lippe.

Lope hat schon wieder versucht mich umzubringen, denke ich.

Und wieder hat er es nicht geschafft, flüstert die melodische Stimme in meinem Kopf und versucht mich aufzumuntern.

Geht es mir schon so mies, dass mich Stimmen in meinem Kopf trösten müssen? , frage ich. Ein leises Lachen ertönt.

Jeder kann ein bisschen Trost gebrauchen, meint diese. Ich antworte nicht. Ich schalte das Wasser ab.

Was ist, wenn ich es nicht schaffe? , frage ich, Was ist, wenn ich alle enttäusche oder sogar ihr Schicksal besiegle? Diese Prophezeiung hat mir eine Last aufgebürdet, die mich jeden Moment zu zerquetschen droht. Für eine Weile ist es Still. Ich höre nur wie Wassertröpfchen von meinen Haaren auf den Boden der Dusche platschen.

Es besteht zwar die Möglichkeit, dass du versagst, sagt die Stimme zögernd, aber ich glaube an dich. Ich glaube fest daran, dass du es schaffen kannst. Ich schliesse die Augen. Eine Wärme breitet sich in mir aus, die von unsichtbaren Armen zu kommen scheinen, die sich um meine Schultern legen. Es fühlt sich gut an. Ich fahre mir übers Gesicht und erst jetzt merke ich, dass ich weine. Ich verlasse die Dusche und starre in den Spiegel. Er ist beschlagen, darum ist mein Spiegelbild kaum sichtbar, aber ich kann trotzdem meine schwarzen Haare und meine blauen Augen verschwommen erkennen.

Schwarzer Mond - Das Flüstern der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt