14. Vergangenheit und Zukunft

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Es ist der Tag der Beerdigung meiner Eltern. Ich sehe zu wie ihre Särge in ihren Gräbern versschwinden. Tränen laufen mir übers Gesicht. Meine Oma legt mir den Arm um die Schultern um mich zu trösten. Doch nichts kann die Wunde schliessen, die ihr Tod in mein Herz gerissen hat. Wird es je aufhören zu bluten?

Der Pfarr steht am Grab und hält eine Rede. Ich höre ihm nicht zu. Ich merke zwar, dass er redet aber mehr nicht. Ich bin leer. Meine Tränen laufen mir unaufhörlich übers Gesicht. Ich umklammere den Strauss den ich in der Hand halte. Es ist ein Strauss aus weissen Lilien und blauen Veilchen. Mams Lieblingsblumen. Dann hört der Pfarr auf zu reden und tritt beiseite. Oma führt mich nachvorne zu den beiden Gräbern. Ich starre hinunter in die beiden Erdlöcher.

Nur einen halben Meter Erde trennt die beiden Gräber und somit meine Eltern von einander. Immer noch laufen mir die Tränen übers Gesicht. Ich hebe den Arm und werfe den Strauss in das linke Grab. Mams Grab. Dann stecke ich eine Hand in die Tasche und taste nach Dads Abschieds Geschenk. Das letzte Geschenk für meinen grossartigen Däd. Endlich trifft meine Hand auf einen Gegenstand. Ich ziehe ihn aus meiner Tasche und betrachte ihn. Es ist ein Stück eines Eichenasts.

Dad liebte Eichen. Er erzählte mal, dass Mam und er sich zum ersten Mal unter den Ästen einer Eiche geküsst haben. Das war einer der schönsten Momente in seinem Leben. Ich glaube er hat das grosse Haus am Waldesrand nur gekauft wegen der riesigen Eiche, die im Garten hinter dem Haus steht. Und nun besteht mein letztes Geschenk an ihn aus einem Ast von genau diesem Baum. Ich werfe den Ast in Däds Grab. Immer mehr Tränen laufen mir übers Gesicht. Ich kann nicht mehr. Ich wende mich von den Gräbern ab und laufe los.

Es ist ein kalter Tag. Ein kalter Tag Ende März. Heute ist der 28. März. Eine Woche nach meinem Geburtstag. Eine Woche nach dem schrecklichen Umfall. Ich höre leise Schritte hinter mir. Es ist meine Oma. Ich weiss es auch ohne mich umzudrehen. Sie ist die Einzige, die sich jetzt noch um mich kümmert. Sie holt mich ein und läuft schweigend neben mir her. Dann erreichen wir einen kleinen Hain. Er steht mitten auf dem Friedhof.

Ich hebe den Blick um die Bäume zu betrachten. Kleine Knospen und Blätter spicken die Äste. Plötzlich kommt Wind auf. Die noch jungen Blätter in den Baumkronen rascheln. Ich bekomme eine Gänsehaut. Der Wind warnt mich vor der drohenden Gefahr. Ich drehe den Kopf und suche den Hain mit meinen Augen ab.

Meine Oma legt mir wieder einen Arm um meine Schultern. Nicht mehr Tröstend, sondern beschützend. Wir beide spüren die Gefahr. Ich entdecke ihn noch vor meiner Grossmutter. Den dunklen Schatten zwischen den Bäumen. Meine Nackenhaare stellen sich auf. Der Arm um meine Schultern verkrampft sich als meine Oma ihn auch sieht. Der Schatten ist zu dunkel um normal zu sein.

Der Wind wechselt plötzlich die Richtung. Jetzt kommt er aus der Richtung des Schattens, und der Wind trägt mir die Worte der Gestalt unter den Bäumen zu mir heran. Ich mache sofort einen Schritt zurück und meine Grossmutter zieht mich schnell weg vom Hain. Weg von dieser seltsamen Gestalt mit dem zu dunklen Schatten.

Selbst als wir den Friedhof verlassen, kann ich nicht vergessen. Kann die Worte die mir der Wind entgegengeweht hat, nicht aus meinem Kopf verbannen. Das Versprechen der Gestalt im Hain auf dem Friedhof.

„Ich werde nicht eher ruhen bis auch du Tod bist. Warte auf den Moment, in dem ich dich töten werde. Du wirst mir niemals entkommen. Das verspreche ich dir, Tochter der Dunkelheit."

Ich schrecke aus dem Schlaf auf, halte meine Augen aber noch geschlossen. Für einen Moment weiss ich nicht wo wir sind. Panik steigt in mir auf, doch dann entspanne ich mich. Ich kann das leise Dröhnen des Motors und das Schlagen eines kräftigen Herzens hören. Ich sitze im Auto an Michaels Brust gelehnt.

Schwarzer Mond - Das Flüstern der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt