Kapitel 03

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Noch im Halbschlaf hole ich aus und verpasse meinem Wecker einen Schlag, der vorerst sein hoffentlich letzter ist.
Wie von der Hummel gestochen setze ich mich im Bett auf und habe nur einen Gedanken: Heute habe ich meine erste Vorlesung!
Mein Blick bleibt an meinem Wecker hängen, der mir anzeigt, dass es gerade mal 07:30 Uhr ist. Das heißt ich habe noch anderthalb Stunden bis zu meiner Vorlesung. Es sollte wohl möglich sein sich in dieser Zeit moralisch und physisch darauf vorzubereiten.

Ich will gerade meine Beine aus dem Bett schwingen, als mein Blick bei dem Bett gegenüber hängen bleibt. Das Kopfkissen weist eine Delle auf und auch die Bettdecke wurde unordentlich zurückgeschlagen. Die Hanteln, die am Tag zuvor noch unter dem Bett lagen liegen nun davor und auf dem Boden am Fußende des Bettes liegen getragene Klamotten.
Achtlos hat der Träger sie dort liegen lassen. Kopfschüttelnd sehe ich mich in meinem Zimmer um.
Was ist das eigentlich für ein Mitbewohner? Er kommt einfach so, bleibt über Nacht und verschwindet am morgen wieder wie er in der Nacht gekommen ist.
Als Mitbewohner hätte er mindestens einen Zettel hinterlassen können, indem er den Grund nennt, wieso er sich noch nicht vorgestellt hat.
Was macht das denn für einen ersten Eindruck, wenn man noch nicht einmal dazu in der Lage ist?

Um den Kopf von meinem eigenartigen Mitbewohner zu befreien, stehe ich auf und mache mich auf den Weg zum Kleiderschrank.
Ich bin noch nicht ganz aufgestanden, da vibriert mein Handy und verkündet damit eine eingegangene Nachricht.
Ein Blick genügt um zu sehen, dass es eine Nachricht von Joanna ist.

Die Homies wünschen dir viel Spaß in deiner ersten Vorlesung und hoffen, dass sie dich bald besuchen können.
Liebe Grüße,
The Queen

Diese Nachricht bedarf keinem weiteren Kommentar. Ich lasse das Handy ins Bett fallen und öffne die Türen meines Kleiderschrankes. Ich ziehe einen schwarzen Pullover, eine Boxershorts und eine blaue Jeans heraus und verschwinde anschließend im Badezimmer, wo ich mich zunächst einmal dusche, dann rasiere und anschließend die Zähne putze.

Um 08:03 Uhr stehe ich zufrieden vor dem Spiegel im Badezimmer und fahre mir ein letztes Mal mit der Hand durch meine schwarzen Haare, damit auch diese richtig sitzen.
Kurz darauf verlasse ich das Badezimmer und mache mein Bett. Es juckt mich in den Fingern auch das Bett meines Zimmergenossens zu machen, aber ich hab nichts an seinen Sachen verloren.
Gedanklich gehe ich noch einmal meine To-Do-Liste durch und werfe einen prüfenden Blick in meinen Rucksack, den ich am Abend zuvor schon für heute gepackt habe.
Als ich mir sicher bin, dass sich alles in meinem Rucksack befindet, was ich gebrauchen könnte mache ich mich auf den Weg aus meinem Zimmer.
Ich lege einen kurzen Stopp am Kühlschrank ein, um eine Flasche Wasser in meinen Rucksack zu packen und verschwinde dann aus meinem Zimmer.

Auf dem Weg zu den Fahrstühlen begegne ich weiteren Studenten. Manche von ihnen laufen bereits munter durch die Gänge, während andere noch schlaftrunken durch die Gegend schlürfen und sich im letzten Moment vor einer weiteren peinlichen Situation retten können, in dem ihnen doch noch auffällt, dass sie glatt vergessen haben eine Hose über ihre Boxershorts zu ziehen. Eine Retour ist fällig und ein paar Minuten später begegnet man ihnen wieder, allerdings sieht man ihnen dann nichts mehr von ihrem Hosenpatzer an.
Ich stehe im Aufzug und folge anderen Studenten aus meiner Etage in den Speisesaal meines Hauses. Einige Mädchen sitzen bereits an den Tischen und frühstücken, während die Jungs sich lediglich ein Brötchen holen und wieder verschwinden.
Ich lasse meinen Blick über die Mädchen schweifen, kann aber das Mädchen von gestern nirgends entdecken. Dann muss sie wohl in einem der anderen Studentenwohnheimen wohnen. Vielleicht begegne ich ihr in der Uni. Der Anzahl an Büchern nach, die sie in dem Moment als wir kollidiert sind dabei hatte schließe ich, dass ich sie vielleicht in der Bibliothek antreffen.

Nachdem ich meine belegten Schinkenbrötchen und den Apfel bei der Dame an der Kasse bezahlt habe, mache ich mich auf den Weg zu meiner ersten Vorlesung.
Als ich mein Wohnheim verlasse bleibe ich einen Moment stehen und atme tief durch. Es ist nun Anfang Oktober und man genießt die letzten warmen Tage und Sonnenstrahlen, die dieses Jahr noch zu bieten hat, bevor es schneit und kalt wird.
Ich beobachte ein Blatt, das sich seinen Weg in Richtung Boden bahnt. Es senkt sich langsam und weht dabei von links nach rechts und wieder zurück.

Ich atme ein weiteres Mal tief durch, bevor ich den Reißverschluss meiner Jacke weiter schließe und anschließend den Weg in Richtung Uni einschlage.
Erwartungsgemäß begegne ich auf diesem Weg mehr Studenten als gestern.
Einige von ihnen laufen einfach nur eilig an mir vorbei, während andere sich über ein Buch lehnen und gar nicht richtig sehen wo sie hinschauen, was wie man nur Minuten zuvor bei einem blonden Typen mit Brille gesehen hat. Er ist ohne, dass man ihn noch hätte retten können gegen einen Baum gelaufen. Verwirrt hat er den Baum angesehen und ist anschließend, nachdem er knallrot angelaufen ist verschwunden. Die umstehenden Studenten haben es lächelnd beobachtet, aber niemand hat ihn für diesen Vorfall ausgelacht. In der High School hätte man es dem Jungen wochenlang unter die Nase gerieben, aber hier auf die Uni scheinen die Menschen Anstand zu haben. Gut, wäre man wirklich nett gewesen hätte man ihm vielleicht zugerufen, dass er gegen einen Baum laufen wird, aber nur aus Fehlern lernt man. Vielleicht merkt er sich nun, dass man nicht mit einem Buch in der Hand einen Weg, der durch einen Park mit ganz vielen Bäumen führt, entlang läuft.

Wenig später betrete ich das Unigebäude und laufe in die Richtung, in der sich der Saal befindet, wo meine erste Vorlesung stattfindet.
Ich will gerade um die letzte Ecke biegen, die mich von meinem Saal trennt, als ich einen blonden, vertrauten Schopf in der Nähe entdecke.
Ohne umschweife gehe ich auf das Mädchen von gestern zu und tippe ihr auf die Schulter. Sie ist ein Kopf kleiner als ich und ich muss schmunzeln, als sie sich erschrocken zu mir umdreht und mich aus ihren geweiteten, braunen Augen ansieht.

"Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken. Du hast gestern ein Buch vergessen. Es ist dir runtergefallen", sage ich und hole das Buch aus meinem Rucksack. Als ich zu ihr sehe hat sie ihren Kopf zur Seite geneigt und sieht konzentriert einen Punkt hinter mir an.
Kleine Falten bilden sich auf ihrer Stirn und ich richte mich langsam wieder auf. Sie spricht so wenig? Kann sie nicht sprechen oder will sie einfach nicht oder hat es ihr die Sprache verschlagen? Dieses Mädchen ist anders als die, die ich bis jetzt kennengelernt habe.

"Danke", murmelt sie nach einer gefühlten Ewigkeit und ich nicke. Sie kommt nicht von hier, schießt es mir durch den Kopf. Sie spricht brüchig und mit einem Akzent, außerdem zittert ihre Stimme beim sprechen.
Ich lächle sie aufmunternd an und reiche ihr das Buch, dass ich vorsichtshalber eingesteckt habe.

"Ich bin Josh", stelle ich mich vor und versuche dabei möglichst langsam zu sprechen, damit sie mich auch versteht. Sie schenkt mir ein kurzes, zögerliches Lächeln, wobei sie das Buch an ihre eher flache Brust drückt.

"Mein Name ist Rosa", sagt sie zögerlich und meine Vermutung wurde bestätigt. Der deutsche Akzent ist kaum zu überhören.

"Freut mich. Du kommst aus Deutschland oder?", frage ich sie und sie nickt. Sie wirft einen Blick auf eine einfache, alte Uhr, die schon ziemlich mitgenommen aussieht und greift dann erschrocken nach ihrem Rucksack.

"Ich muss gehen. Tschüss", sagt sie und im nächsten Moment verschwindet sie um eine Ecke. Ich sehe ihr einen Moment hinterher und schüttle dann den Kopf.
Sie wirkt ein wenig verloren und alleine in Mitten der Studenten und im allgemeinen irgendwie der Welt.
Ich bin mir sicher, dass ich ihr in Zukunft öfter begegnen werde und das nicht unsere einizigen Treffen waren. Wenn Joanna von ihrer Existenz wüsste und wüsste wie alleine dieses Mädchen hier wirkt. Joanna würde es sich zur Aufgabe machen dieses Mädchen so zu verändern, dass sie sich endlich wohlfühlt und am Ende wäre unsere Clique um eine Person erweitert. So läuft es doch bei uns immer ab. Nun ja ... Ein Blick auf meine Uhr verrät mir, dass es noch zehn Minuten bis zur ersten Vorlesung sind und ich atme tief durch. Dann mal los!


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Hallo ihr Lieben,

Tut mir leid, dass es noch nicht so viel Gerede gibt, aber das wird jetzt von Kapitel zu Kapitel mehr.

Ich wünsche euch allen schöne Osterferien,
eure CrazyInHeaven

My Bad Boy Neighbour *wird überarbeitet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt