19. Weihnachten

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CHARLIE

Weihnachten stand vor der Tür, obwohl das nicht wirklich so aussah. Keine weißen Weihnachten, eher matschige Weihnachten. "Wohin gehst du nochmal?" Paul stand an meiner Zimmertür und beobachtete mich dabei wie ich einen Pullover über mein T-Shirt anzog. Mir war schrecklich kalt und ich dachte diese Zwiebeltechnik würde schon klappen. "Zu meinen Freunden"

"Es ist Weihnachten und du gehst zu deinen Freunden", stellte er mit frostiger Stimme fest. "Ja, genau" Ich richtete mich auf und wir blickten uns grimmig in die Augen.

Er, wie immer ziemlich wütend und ich, ziemlich entschlossen. "Ich glaub, das ist keine gute Idee" Ich versuchte mich an Paul vorbeizuquetschen, aber er streckte bloß den Arm aus und versperrte mir den Weg. "Paul!",stieß ich entrüstet hervor und wich zurück.

"Ich sagte, das ist keine gute Idee!" Seine Stimme schwoll an. "Und ich sage, das ist eine gute Idee!", fauchte ich zurück. Unser Verhältniss hatte sich in den letzten Wochen zum zerreißen gespannt. Es war beinahe unerträglich, weil ich ihn verstand. Das war das schlimmste. Ich verstand ihn. Er aber nicht mich.

"Merkst du das denn nicht?! Du bist völlig am Ende!" Ich war völlig am Ende. "Na und. Das ist doch meine Ent-"

Paul brach mich mit einem lauten Gefluche ab. "Oh nein! Das ist es sicherlich nicht! Ich hab deiner Mutter versprochen... Ich hab's versprochen! Und zwing mich nicht dazu es zu brechen!"

"Das ist mein Leben!", brüllte ich zurück. "Kapiert es endlich! Wir sterben sowieso irgendwann. Ist doch egal ob jetzt oder morgen oder in zehn Jahren!"

"Aber nicht so!", knurrte Paul. Ich schnaubte. Mein Körper spielte verrückt. "Ich verschwinde jetzt"

"CHARLIE!"

"Ich verschwinde jetzt", wiederholte ich und schubste Paul aus dem Weg. Ich war wenige Schritte gegangen, als Paul mich an meiner Schulter packte und mich mit einem lauten Krachen gegen die Wand stieß. Ich war so schockiert, dass ich keinen einzigen Laut aus meinem Mund brachte. Pauls Gesicht war nur wenige Zentimeter vor meinem. Und er schrie nicht. Er murmelte. "Ich weiß doch, dass du Angst hast, Junge. Hör auf diese Angst. Sie hat recht"

"Nicht lachen!", brummte Emily. Aber ich musste lachen. Und Dylan lachte mit mir. Der Grund unseres lachens war Emilys kirschroter Pulli, auf dem ein grinsendes Rentier und ein grinsender Weihnachtsmann prangten. Emily öffnete die Tür noch weiter und ließ uns mit einem griesgrämmigen Blick rein. "Merry Christmas!", brüllte Emilys Dad und breitete seine Arme einladend aus. Emilys Mum wuselte im Wohnzimmer herum. In ihren Händen meherer Gabeln und Löffel, die drohten runterzufallen. "Könnte mir mal jemand helfen?", presste sie mühsam hervor. "Ich helfe ihnen gerne!", rief Dylan. Er grinste Emily an, die schon beinahe anfing zu lachen, während Mrs. Doyle Dylan abschätzige Blicke zuwarf. "Meine Mum kann ihn nicht aussthen", flüsterte Emily und prustete los, als Dylan mit scheinheiliger Stimme nachfragte: "Kann ich ihnen sonst noch helfen?"

Emilys Mom schürzte die Lippen. "Nein. Das passt schon. Emily..." Sie deutete Richtung Küche und Emily folgte ihr augenverdrehend. "Na Jungs?", meldete Mr. Doyle zu Wort. "Habt ihr schon Geschenke bekommen?" Dylan grinste. "Billy hat mir eine Spidermanpuppe geschenkt" Emilys Dad nickte. "Naja, die hat er irgendwo in seiner alten Spielzeugkiste gefunden" Mr. Doyle lachte und sah dann zu mir. "Und du Jeremy?" Ich blinzelte kurz. Den Namen Jeremy hatte ich zu selten gehört. Erst jetzt fiel mir auf wie idiotisch es war meinen Namen zu ändern, nur weil ich jemand anderes sein wollte. "Nein", sagte ich lahm. "Hat dir deine Mutter denn nichts geschenkt?" Dylan warf mir einen besorgten Blick zu. "Nein, sie ist nicht mehr da" Aber vielleicht ist sie das bald wieder. Mein Kopf fing wieder an zu pochen. "Ah, dann lebst du bei deinem Vater?"

Sein Name war CharlieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt