15. Übermorgen?

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EMILY
,,Okey Jungs, ich habe einen Plan. Da ja bald Weinachten ist, muss ich noch Geschenke kaufen. Und ihr sicherlich auch" Ich griff nach meinem braunen Plastikbecher und nippte an meiner heißen Schokolade.  ,,Was sagt ihr? Übermorgen? Shelby kann auch mit, wenn ihr wollt" Ich lächelte meine Gesprächspartner an, die immer noch stumm auf ihren Stühlen saßen. Dylan schien mit den Gedanken woanders zu sein und Charlie rieb sich mit einem angestrengtem Gesicht an die Schläfen.
,,Jungs?", seufzte ich und schnippte vor ihren Gesichtern herum. ,,Ich rede mit euch?" Charlie blickte auf. Seine Augen waren blutunterlaufen und seine Hautfarbe war leichenblass. ,,Hört sich gut an", brummte er und ließ seinen Kopf wieder sinken.  ,,Mhm", erwiederte Dylan. ,,Man Leute", meinte ich empört,  ,,eure Begeisterung sprengt ja echt alles" Ich verdrehte die Augen. ,,Außerdem", ich deutete auf den unkonzentrierten Charlie, ,,siehst du echt so aus, als ob du krank wirst"
,,Sagst du", murmelte Dylan, zeigte auf meinen schwarzem Schal und den dampfenden Becher. Ich warf die Bemerkung mit einer Handbewegung weg.  ,,Ach das. Das sind nur Vorsichtsmaßnahmen. Und wenn du's nicht bemerkt hast: Es ist Winter! Da darf man Schals tragen" Aber in Wirklichkeit fühlte es sich wirklich so an, als ob ich krank werden würde. Dylan rümpfte die Nase und verschrenkte seine Arme abwehrend. Er hatte seine Winterjacke für die Pause augezogen, obwohl es richtig kalt war, auch in der Aula. Den Pulli, welchen er anhatte, ließ ein Tattoo aufblitzen, das sich bis zu seinem Ohr schlängelte. ,,Immer wenn du krank wirst, wirst du so bockig" Empört schnappte ich nach Luft. ,,Und ihr beide seid euch viel zu ähnlich", giftete ich schmollend zurück. 
,,Wie meinst du das?", erhob sich Charlies entkräftete Stimme. Ich sah zu ihm. Seine leuchtenden Augen stierten mir matt entgegen und wie immer rieb er sich gedankenverloren über das Kinn. Ich hatte diese Bewegung schon als Charlie-Geste in meinem Hirn eingespeichert. Sie erschien mir beinahe normal, wenn es nicht Charlie gewesen wäre. Alle seine Bewegungen sahen so durchdacht und traurig aus.  ,,Ihr alle beide seid zu leise!", verkündete ich und schlug dramatisch mit meinen Händen auf die Tischplatte. Dylan hob eine Augenbraue und Charlie zog die Stirn kraus. ,,Ja, ihr habt schon richtig gehört" Ich deutete mit meinem Zeigefinger auf die beiden, um das gesagte zu verdeutlichen und fuhr fort: ,,Entweder ihr seid beide zu schüchtern oder", ich zog das oder in die Länge,  ,,ihr mögt einfach nicht reden. Was mich ja wirklich nicht stört. Aber ich führ die halbe Konversation, wenn wir uns unterhalten und da kann ich halt mal bockig werden!"
,,Bitte was?!", lachte Dylan los und um Charlies Mundwinkel zuckte es. Seufzend schob ich meine heiße Schokolade herum. ,,Ihr findet es sehr amüsant, oder?"
,,Aber hallo!", gluckste Dylan und kniff mich in meine Backe. ,,Also übermorgen?", rettete mich Charlie lächelnd. ,,Übermorgen", stellte Dylan klar. Ich zog eine Grimasse. ,,Also übermorgen"

Aus übermorgen wurde dann doch nichts. Für mich. Ich war viel zu krank, um mitzugehen. Also saß ich schließlich im Flur, hatte einen kleinen Stuhl mitgezogen, um nicht so blöd rumzustehen und das Kabel unseres Telefons baumelte ständig gegen meine Schulter. Das kabelloses Telefon hatte meine Mutter verlegt und auf meinem Handy befand sich dummerweise kein Geld zum telefonieren. Ungeduldig knautschte ich den Zettel, den ich in der Hand hielt auseinander und tippte die Nummer, die darauf stand sorgfältig ab. Charlie hatte sie mir gegeben und betont ihn nur mit dieser Nummer anzurufen, wenn es einen Notfall gab. Und da er ja an sein Handy nicht drangehen wollte und ich ihm unbedingt Bescheid geben musste, dass ich nicht kommen konnte, war das eindeutig ein Notfall. Ich überprüfte nochmal ob ich die Nummer richtig abgetippt hatte und presste den Hörer an mein Ohr. Genau in diesem Moment passierten zwei Dinge: ein einsames tuten drang an mein Ohr und mein Dad kam nach Hause. Und zwar laut. Die Tür ging mit einem lauten  knall hinter ihm zu. Schimpfend quälte er sich aus seine Arbeitsschuhe und als er mich erblickte rief er laut und grob: ,,Hallo, Ems!"
,,Pscht!", fauchte ich aufgebracht. ,,Ich telefoniere hier grad!" Oder versuchte es eher. Dad grinste nur, wuschelte durch mein Haar und versuchte sich - der Gang war einfach viel zu eng für einen Stuhl und einen ausgewachsenen Mann, der langsam aber sicher einen Bierbauch bekam - an mir vorbeizuquetschen. Ich warf ihm einen bitterbösen Blick zu und versuchte mit meiner freien Hand, meine durcheinander geratenen Haare zu richten. ,,Hallo?", ertönte eine dunkle Stimme endlich am anderen ende der Leitung. ,,Oh. Eh. Hallo!", rief ich überrascht, weil ich gedacht hatte, dass keiner mehr abnehmen würde. ,,Ist Charlie da?", fragte ich sofort, um meine peinliche Begrüßung zu vertuschen.
,,Wer ist da?" Die Stimme klang so barsch und kalt. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass so ein sanftmütiger Typ wie Charlie mit so einem groben, unhöflichen Mann zusammen lebte.
,,Em Emily", sagte ich hastig. Als keine Antwort darauf folgte, fügte ich hinzu: ,,Eine Freundin"
,,Eine Freundin?", schnaubte er. Seine Stimme tropfte vor Wut. ,,Ja", erwiederte ich kleinlaut. Ein dicker Kloß hing in meinem Hals und hüstelnd, beinahe panisch, schnappte ich nach Luft. ,,Kann ich bitte mit ihm sprechen?" In meinen Ohren klang ich zu schrill, zu bettelnd. Der Mann schwieg. Man konnte nur sein lautes ein und aus atmen hören. ,,Ruf nicht mehr an" Er legte auf.

Sein Name war CharlieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt