Ein Lied von Blut und Feuer

1. Strophe: Jowan, oh Jowan

Lyra erwachte mit hämmernden Kopfschmerzen. Missmutig warf sie sich einen Arm über die Augen und knurrte. "Erbauer!" brummte sie und entschloss sich, noch einen Augenblick liegen zu bleiben. Ein scharfer Geruch stieg ihr in die Nase und angewidert legte sie den Arm wieder neben sich. "Warum bei Andrastes Flammenarsch muss Lyrium dermaßen stinken?" Die Hände an die Schläfen legend versuchte sie ein klein wenig heilende Magie hindurchfließen zu lassen. Sie hatte ihre Läuterung bestanden, daher sah sie kein Problem darin, wenn sie versuchte sich zumindest ein wenig Linderung zu verschaffen. "Hast du gehört? Der Templer Cullen sagte, dass er noch nie eine derart Problemlose Läuterung erlebt hat." Leise flüsternd vernahm die Elfin die Stimmen ihrer Kameraden. "Ob sie schon wach ist?" - "Seit wann interessiert dich das? Du magst sie ja noch nicht einmal!" Lyra seufzte leise. Sie war gerade mal 19 Jahre alt, eigentlich noch ein Jahr zu jung für die Läuterung. Sie hatte sehr schnelle Fortschritte gemacht, schon seit sie in den Zirkel gekommen war. Das, kombiniert mit ihrem extrem losen Mundwerk hatte ihr nicht gerade Freunde gebracht.

"Beim Erbauer, endlich bist du wach!" Sie schlug die Augen auf und blickte in das Gesicht des jungen Mannes, der sie gerade vorsichtig am Ärmel zupfte. Jowan war einer ihrer wenigen Freunde. Die halblangen braunen Haare waren wie immer hinter die Ohren gestrichen, und die Augen, in diesem faszinierenden grün-blau sahen sie besorgt an. Lyra setzte sich auf. "Fit wie eine Nug auf dem Röstspieß, ich stehe dir zu Diensten." grinste sie ihn an und verzog kurz darauf das Gesicht. Verflucht, diese Kopfschmerzen! Jowan kicherte kurz und wurde dann ernst. "Du hast bestanden. Wie war es?" Lyra hob eine Augenbraue. Jowan wusste genau wie jeder andere Schüler des Zirkels, dass die Magier nicht über die Läuterung sprechen durften. "Es war... Läuternd." Ihr Freund warf die Hände in die Luft. "Ach komm schon, Lyra. Nur ein kleiner Tipp!" Sie seufzte. Sie war zwar aufmüpfig und vorlaut, doch sie hielt sich an die Regeln des Zirkels, und das wusste Jowan. Eigentlich musste sie sogar dankbar dafür sein, mit Magie gezeichnet zu sein, da sie so dem Elend des Gesindeviertels in Denerim hatte entgehen können. Ihre Magie hatte sich erst mit 15 Jahren manifestiert, sehr spät, und dass sie nun, vier Jahre später bereits die Läuterung durchlaufen hatte und nun ein vollwertiger Magier des Zirkels war stieß vielen sauer auf. "Jowan, du weißt, dass ich das nicht darf. Außerdem werden sie dich schon früh genug damit foltern, glaub mir." Sie strich ihre Braunschwarzen Haare hinter die Ohren und beobachtete mit Genuss, wie sich die Augen des Schülers weiteten, bis er begriff, dass das mit der Folter nur ein Scherz war. Eingeschnappt boxte er sie auf den Oberarm und grinste kurz, wurde dann jedoch sofort wieder ernst. Traurig drehte er sich um. "Ich bin schon so viel länger als du hier, langsam glaube ich sie wollen mich besänftigen, nicht läutern." Die Angst in seiner Stimme war deutlich zu hören. "Du siehst ganz offensichtlich Dämonen, mein Freund. Wieso sollten sie? Jeder Magier bekommt die Chance auf die Läuterung." Ein schiefes Lächeln huschte über Jowans Gesicht. "Außer jenen, bei denen das Talent der Magie nicht stark genug ausgeprägt ist um die Kontrolle darüber zu erlangen." Die Elfin winkte ab. "Ich glaube nicht, dass das bei dir der Fall ist. Du hast Angst vor der Magie, und das hindert dich. Du solltest sie als natürlichen Teil von dir akzeptieren, dann lernst du ohne Probleme sie zu meistern." Jowan rümpfte die Nase, doch dann fiel ihm ein, warum er überhaupt hergekommen war. "Der erste Verzauberer will dich sehen, Lyra. Er ist in seinem Büro." Ächzend erhob die Elfin sich und rieb sich die Schläfen. Was nutzte ihr eigentlich ihr Talent für Heilzauber, wenn sie sich selbst nicht damit helfen konnte? "Dann will ich ihn nicht warten lassen." Jowan nickte, während sie ihre Robe zurechtzupfte und sich langsam in Richtung Treppen begab.

Sie hatte die Bibliothek und die Schülerquartiere hinter sich gelassen, war an den Magiergemächern vorbei gegangen und blieb nun wie angewurzelt stehen. Dort, neben einer der Türen, stand ein hochgewachsener, blonder Templer. Ihr Herz schlug schneller, als sie spürte, wie er sie ansah und schüchtern lächelte. "Hallo... Cullen." murmelte sie. In seiner Nähe war sie unsicher, schüchtern und ihr loses Mundwerk war vollkommen verschwunden. Bronzefarbende Augen sahen sie an, als er errötete. "Hallo Lyra. Meinen... Glückwunsch. Ich bin froh, dass ihr es geschafft habt." Sie lächelte ein wenig. "Danke." Cullens Hand fuhr in seinen Nacken. "Ich war der Templer... Der euch hätte erschlagen müssen, falls ihr... Nichts persönliches, wirklich nicht. Ich bin wirklich sehr froh, dass es nicht so weit gekommen ist." Langsam gewann Lyra ihre Fassung zurück. "Keine Sorge, ich nehme das nicht persönlich. Ähm..." Sie holte tief Luft. Ihr war nicht entgangen, wie Cullen sie ansah, und das nicht nur heute. Ihr Verstand kämpfte, doch ihr Mundwerk gewann die Oberhand. "Wie wäre es, wenn wir... Unser Gespräch an einem etwas ruhigerem Ort fortführen würden?" hauchte sie ihm entgegen. Innerlich wollte sie sich ohrfeigen. Sie wusste, dass Cullen nicht darauf eingehen würde, auch wenn sie es sich irgendwie wünschte. "Was... Wieso... solltet ihr?" Cullen wurde puterrot. "Nun... Ich mag euch und... Würde euch gerne besser kennen lernen." - Was bei Andrastes Titten tue ich hier eigentlich? - fragte sie sich, als diese Worte ihren Mund verlassen hatten. Cullen schnappte nach Luft. "Ich glaube... ich sollte gehen... Entschuldigt mich." Und damit flüchtete er. Leise seufzte Lyra auf. Cullen war einer der wenigen Templer, die nicht nur korrekt, sondern auch fair waren und niemals zu hart durchgriffen. Dann schüttelte sie den Kopf, atmete tief durch und straffte die Schultern. "Dann wollen wir mal."