Mit schnellen Schritten hatten sie die letzten Stufen hinter sich gebracht und rissen die Tür zur Turmspitze auf. Lyra und Alistair stürmten voraus, ihnen folgten die beiden Soldaten, konzentriert ganz auf ihr Ziel: Das Signalfeuer anzuzünden. Sie kamen jedoch nicht weit.
Der ehemalige Templer und die Magierin kamen schlitternd zum Stehen. Lyra wäre beinahe in Alistair hineingelaufen und rempelte den Krieger leicht an, der vor Schreck einige Schritte zurückwich. Hinter ihnen ertönte ein erstickter Schrei, als einer der Krieger die Stufen rückwärts hinunterfiel. Die Augen der Elfin wurden immer größer, je länger sie die Szene vor sich betrachtete. Keuchend kam der andere Soldat hinter ihnen zum Stehen, und wenig später hatte sich sein Kamerad ebenfalls dazu gesellt, immer noch blass vor Schreck. Das Bild, was sich ihnen bot, war das letzte, mit dem sie gerechnet hatten.
Vor ihnen hockte ein Oger. Groß, grau, mit Hörnern, und kaute er schmatzend auf einem Bein herum, das offensichtlich einem toten Soldaten gehört hatte, der einige Schritte weiter auf dem blutbesudelten Boden lag. Der Gigant gab ein Geräusch von sich, das einem Rülpsen gleichkam, und drehte sich nun langsam um. „Beim Erbauer!" Mehr brachte Alistair nicht heraus. Ungelenk erhob sich der Oger, wankte kurz als wäre er betrunken und brüllte sie dann an. Speichel spritzte ihnen entgegen, und angewidert wischte sich Lyra durchs Gesicht. „Bei dem haarigen Arsch von Andrastes Großmutter! Der stinkt ja schlimmer als die ungewaschene Unterwäsche des gesamten Zirkels!" Der Soldat mit der Armbrust trat hinter sie und griff nervös nach ihrem Arm. „Was machen wir jetzt?" Entschlossen blickte die Elfin nach vorne, versuchte Zuversicht zu zeigen, obwohl sie innerlich gerade einen starken Kampf ausfocht. Sie wollte am liebsten sofort weglaufen. „Das einzige was wir wirklich machen können – kämpfen." Sie trat einen Schritt auf den Oger zu und baute sich auf. Es sah ein wenig seltsam aus, da ihre Robe inzwischen nur noch halb so lang war wie normal, unten angesengt, an ihrer linken Schulter ein Loch und ihre Haare hatten sich aus dem Knoten an ihrem Hinterkopf nun vollends gelöst. Dennoch gab ihr entschlossener Auftritt den Anderen ein wenig Hoffnung. Alistair und der Soldat, der ihn die ganze Zeit im Nahkampf unterstützt hatte, traten hinter die Magierin. „Wenn du eine Idee hast, Lyra, dann bitte – ich bin für alles offen." Lyra schluckte ihren Scherz hinunter, der wohl ein wenig unpassend gewesen wäre, und machte eine Geste. Schnell hatte sie eine Barriere aufgebaut, die die beiden Nahkämpfer vor dem gröbsten schützen sollten. „Ich kann ihn nicht lähmen... Er ist zu groß, und ich zu erschöpft. Ich werde mich wohl auf die Verteidigung konzentrieren und ihr müsst versuchen, ihn im Nahkampf abzulenken, damit unser Armbrustschütze ihn erledigen kann." Ein unsicheres Wimmern war die Antwort des Schützen, doch er spannte seine Waffe. Alistair seufzte schwer, blickte sie kurz zweifelnd an und nickte dann. Dann stürmte er vor, gefolgt von dem anderen Krieger.
Die nächsten Sekunden verliefen für Lyra wie in Zeitlupe. Der Oger holte aus, schlug nach den beiden Männern, die es nur mühsam schafften auszuweichen. Jede Bewegung ließ den Boden beben und machte es den Kriegern schwer auf den Beinen zu bleiben. Alistair versuchte die Aufmerksamkeit des Ungetüms auf sich zu lenken, in dem er nach seinen Beinen hackte und ihm einen tiefen Schnitt an der Wade zufügte. Der andere Krieger griff gleichzeitig den linken Arm an, verfehlte ihn jedoch, da sich sein Gegner dem ehemaligen Templer zuwandte. Ein Bolzen flog an Lyras Kopf vorbei und verfehlte den Oger um Haaresbreite. Ein Fluchen war hinter ihr zu hören. Erneut holte Alistair aus, schlug nach dem Bein, dass er bereits verwundet hatte und fügte ihm einen weiteren Schnitt zu. Kurz wankte der Riese, dann ging er in die Knie, um sich sofort wieder aufzurichten. Er brüllte wütend, sah sich hektisch um, da Alistair sich inzwischen hinter ihn begeben hatte, entdeckte ihn jedoch nicht. Stattdessen fixierte er den anderen Krieger, stürmte vor und rammte den völlig überrumpelten Mann gegen die Wand. Durch das Brüllen des Ogers konnte man die Knochen knirschen hören. Er spuckte Blut, dann sank er zusammen. Lyra schloss die Augen. "Möge der Erbauer dich in seine Arme schließen..." flüsterte sie. Sie wusste, dass sie nichts mehr für ihn tun konnte. Der Krieger war tot.
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Ein Lied von Blut und Feuer
FanfictionLyra, elfische Magierin des Zirkels von Ferelden, wird durch eine Verkettung ungünstiger Umstände von Duncan, dem Kommandanten der grauen Wächter rekrutiert. Schnell wird ihr klar, dass es Schicksal gewesen sein muss, denn nachdem Ostagar fällt ist...