Es war bereits dunkel, als das Gewitter mit voller Wucht über sie hereinbrach. Blitze zuckten vom Himmel, und innerhalb kürzester Zeit waren sie bis auf die Haut durchnässt. Lyra und Alistair hatten sich unter eine Kuppel zurückgezogen, die einen guten Blick auf die Brücke bot, die sie überqueren mussten, um zum Turm von Ishal zu kommen. Das, was sich unten auf dem Schlachtfeld abspielte, bekamen sie nur am Rande mit. Was sie jedoch wahrnahmen, war der Schlachtenlärm und die Rufe, die Cailan ausstieß, um seine Soldaten zu motivieren. Nachdem zunächst Pfeile und Hunde losgeschickt worden waren, folgte dann der Ruf, der tausendfach wiederholt wurde: "Für Ferelden!" Dann wirkte es, als würden hundertfach die Trommeln geschlagen. Alles, was sie hörten, war das Klirren von Metall, das Stampfen von Füßen, das Schreien und Rufen, das Kreischen der dunklen Brut, das Stöhnen der Sterbenden. Nur mühsam unterdrückte Lyra das Bedürfnis, sich die Ohren zu zuhalten und sich in der hintersten Ecke zu verstecken. Die Kämpfe in der Wildnis waren etwas ganz Anderes gewesen. Diese Schlacht war Krieg, und das machte ihr Angst. Selbst vor ihrer Läuterung hatte sie nicht eine solche Angst gehabt. "Wir müssen über die Brücke, und dann zum Turm von Ishal!" Alistairs Ruf riss die Magierin aus ihren Gedanken. Fest schloss sie die Finger um ihren Stab, nickte und folgte dem Krieger auf die von Katapulten beschossene Brücke. Sie geriet ins Straucheln, und Alistair musste sie auffangen, als ein Geschoss die Brücke traf und eine Statue zerstörte. Kurz schloss die Magierin die Augen. Sie kämpfte gegen den unmenschlich starken Drang an, ihre Heilfähigkeiten einzusetzen, denn die Bogenschützen, die hier postiert gewesen waren, waren zum Teil schwer verletzt oder sogar schon tot. Doch Alistair zog sie weiter, unnachgiebig, darauf fixiert ihre Aufgabe zu erledigen. Dann hatten sie die Brücke hinter sich gelassen und liefen auf den ersten Aufgang zu, der zum Turm führte.
"Ihr seid graue Wächter, oder?" Alistair und Lyra blieben stehen, um den Krieger der sie abgefangen hatte irritiert anzusehen. "Was ist passiert? Wieso seid ihr nicht beim Turm?" Die Magierin sah, wie der Blonde Krieger seinen Griff um sein Schwert festigte. Seine Nervosität lag greifbar in der Luft. Ängstlich sahen die beiden Soldaten sie an, und einer wischte sich das Wasser aus den Augen. "Wir wurden überrannt. Dunkle Brut ist im Turm! Sie kamen aus den unteren Ebenen. Die meisten von uns sind entweder verwundet oder tot." Alistairs Blick suchte den der Elfin. "Was zum?" Sein Blick war geschockt, doch Lyra sah ihn nur entschlossen an. "Dann werden wir da reingehen und das Feuer selbst entzünden." Ein Nicken war die Antwort, und gestärkt von der Entschlossenheit der beiden Wächter folgten ihnen die Soldaten.
Sie kamen jedoch nicht weit. Kaum waren sie um die erste Ecke gebogen trafen sie auf die ersten Hurlocks, die bereits mit den letzten Soldaten kämpften, die verzweifelt versuchten, ihre Stellung zu halten. Ohne zu zögern griffen sie ein, versuchten den Soldaten zu helfen, doch es war fast hoffnungslos. Die Anzahl der Gegner war zu hoch, doch nach einiger Zeit hatten sie ihre Gegner zurückgedrängt. Anfänglich brauchten sie einen Augenblick, doch dann hatte sich die Gruppe eingespielt. Lyra konzentrierte sich wie in der Wildnis zunächst auf die Verteidigung, in dem sie Alistair und einen der Soldaten mit einer Barriere umgab. Der zweite Soldat deckte sie, indem er seine Armbrust nutzte. So schafften sie es tatsächlich unverletzt, sich durch die dunkle Brut zum Turm durchzuschlagen.
Lyra sah zu den mächtigen Toren des Turms, und ohne das sie drüber nachdachte wanderte ihre linke Hand auf Alistairs rechten Arm. Ein entschlossener Blick war die Antwort ihres Waffenbruders, und dann stießen sie die Tür auf.
Seltsamerweise sahen sie direkt an den Toren keine Brut. "Seid vorsichtig. Mir gefällt das nicht." Alistair sah sich nervös um. Es war zu still. Kein Kampflärm war zu hören, und das konnte nur eins bedeuten: Die Gegenwehr war bereits getötet worden. Sie spähten um die erste Ecke, zogen die Köpfe jedoch sofort zurück. "Bei Andrastes Flammenarsch!" flüsterte Lyra entsetzt. Hinter einer aus Trümmern aufgeschichteten Blockade waren einige Hurlocks zu sehen, und sie erkannte einen Magierstab, was bedeutet, dass mindestens ein Gesandter ebenfalls dabei war. "Wie sollen wir denn nun vorgehen?" Alistair blickte sie an. "Ich weiß, du hast deine Läuterung erst kurz vor deiner Rekrutierung hinter dich gebracht, aber... kennst du einige Flächenzauber?" Kurz überlegte die Elfin, dann jedoch grinste sie. "Lass mich das machen. Ich habe eine Idee." Entschlossen strich sie sich ihre Haare hinter die Ohren und schlich um die Ecke. Glücklicherweise gab die Barrikade nicht nur der Brut Deckung, sondern verbarg auch sie vor ihren Feinden. Das, was sie nun vorhatte, war ein Experiment. Lyra schloss die Augen und begann sich zu konzentrieren. Dann kniete sie sich hin und berührte mit beiden Händen den Boden. Langsam, kriechend, begann sich von ihren Handflächen aus eine schmierige Schicht auszubreiten. Als hätte dieser Schleim ein Eigenleben, kroch er auf ihre Gegner zu und bedeckte innerhalb von wenigen Minuten den kompletten Vorraum. Lyra schlich zurück. "Haltet euch jetzt einige Minuten hier hinten. Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob es funktioniert, aber normalerweise müsste es klappen." Alistair sah sie verwirrt an, wollte etwas sagen, doch die Elfin schüttelte nur den Kopf. "Warte ab." Flüsterte sie mit einem Grinsen und machte eine kurze Handbewegung. Feuer umfing ihre Hand, und dann trat sie vor. Ungeschützt wie sie nun war, hatten die Hurlocks und Genlocks sie schnell entdeckt, doch die Magierin schleuderte einen Feuerball in die Menge. Zunächst entfuhr den Kreaturen ein bösartiges Lachen, da sie sie weit verfehlte, doch dann wurden sie schlagartig still. Zwei von ihnen, die nach vorne gestürmt waren, waren auf der Schmiere ausgerutscht und hatten ihr Gleichgewicht verloren. Bevor sie sich jedoch aufrichten konnten, hatte der Teppich unter ihren Füßen Feuer gefangen. Rasend schnell hatten sich die Flammen ausgebreitet, und mit einem unnatürlichen Kreischen fingen die Kreaturen nun ebenfalls Feuer. Grinsend betrachtete Lyra ihr Werk, zufrieden mit dem Ergebnis. Dann geschah etwas, womit die Elfin nicht gerechnet hatte. Die Brut hatte eine Falle aufgestellt, direkt am Eingang der Barrikade, bestehend aus zwei mit Sprengstoff gefüllten Fässern. Diese explodierten nun mit einem Ohrenbetäubenden Knall und schleuderten Lyra nach hinten gegen die Wand. Ihr wurde schwarz vor Augen, dann wurde sie ohnmächtig.
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Ein Lied von Blut und Feuer
FanfictionLyra, elfische Magierin des Zirkels von Ferelden, wird durch eine Verkettung ungünstiger Umstände von Duncan, dem Kommandanten der grauen Wächter rekrutiert. Schnell wird ihr klar, dass es Schicksal gewesen sein muss, denn nachdem Ostagar fällt ist...