#11: Guten Morgen!

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Am nächsten Morgen werde ich dadurch wach, dass ich keine Luft mehr bekomme. Könnte daran liegen, dass ich von einem anderen Körper halb zerquetscht werde. Im Schlaf hat sich Christian auf mich gerollt und missbraucht meine Brust jetzt als Kissen. Na gut, für ihn wahrscheinlich gemütlich, für mich eher weniger. Ich hebe mein rechtes Bein an, welches zum Glück noch freiliegt, und lasse es auf seinen Hinter klatschen. Brummelnd bewegt sich der Körper auf mir, aber er macht keine Anstalten, von mir runterzurollen. Seufzend murre ich in sein Ohr: "Disse du zerquetscht mich!" Ich beobachte, wie seine Augen aufgehen, er verwundert seine Lage bemerkt und dann mit hochrotem Kopf von mir wegrollt. Auf seiner rechten Wange hat er Abdrücke vom zerknitterten T-Shirt und ich bemerke, wie weit es in der Nacht hochgerutscht ist. Schnell ziehe ich das Teil wieder zurecht und Christian grinst mich an. "Also ich fand es sehr gemütlich." Das kann ich mir vorstellen, denke ich aber sage laut nur: "Tja, ich habe jetzt vermutlich eine platte Brust." Er lacht und ich kann nicht anders, als mitzulachen. Es sieht so niedlich aus, wie er mit den zerzausten Haaren im Bett herumrollt vor Lachen. Kurz entschlossen werfe ich mich auf ihn und wir schauen uns einen Moment in die Augen. Er lacht nicht mehr, dafür mustert er ernst mein Gesicht. An meinem linken Oberschenkel spüre ich seine Morgenlatte und rolle mich wieder auf meine Seite. Merke: morgens nicht auf Männer werfen! Vermutlich, um diese komische Stimmung zu vertreiben, schlägt Christian vor Frühstück zu machen. "Endlich eine vernünftige Idee," ziehe ich ihn auf und flüchte kurz darauf aus dem Zimmer, um der Kitzelattacke zu entfliehen. Meine Füße tragen mich ins Badezimmer, in dessen Spiegel ich ein Mädchen mit zerzausten Haaren und geröteten Wangen entdecke. Oh nein, wenn ich so auf die Straße gehen würde, könnte ich auch gleich den Stempel "Morgen danach" auf der Stirn stehen haben. Dabei war das einzig Erotische zwischen uns die Morgenlatte und dafür kann Christian nicht einmal was. Ich mache das Wasser an und schöpfe mit beiden Händen das kühle Nass in mein Gesicht. Jetzt muss ich erstmal wach werden, nach dem Essen in die WG und mich für meinen ersten Arbeitstag umziehen. Mir fällt nämlich gerade ein, dass ich mit allen anderen Azubis heute ein Training bei den Jungs mitmache. Zum lockeren Kennenlernen, meinte zumindest Julian. Ich gehe in die Küche und bekomme gerade mit, wie sich Christian an den Toasts verbrennt. Kichernd nehme ich ihm den Brotkorb ab und setze mich an den kleinen Holztisch. Er setzt sich kopfschüttelnd mir gegenüber und darf Zeuge werden, wie ich mich am Nutella vergreife. Genüsslich beiße ich vom Toast ab und erst danach bemerke ich, dass Christian lächelt. "Waf if lof?" Ich klinge wie ein vollgestopfter Hamster, aber er versteht mich trotzdem. "Du siehst einfach nur unglaublich niedlich aus mit dem übergroßen T-Shirt und dem Nutella an der Nase." Schnell wische ich mir über die Nase und lecke den Schokoladenrest ab. Jetzt lacht er und fängt auch an, sein Nutellabrot zu essen. Nach dem dritten Toast bin ich endlich fertig und lehne mich im Stuhl zurück. "Kommst du mit zu mir in die WG? Ich muss mich vor dem Training noch umziehen." Christian nickt und räumt den Tisch ab. Ganz der höfliche Gastgeber.

Als wir schließlich an der Wohnung ankommen, bin ich ziemlich erleichtert. Auf dem Weg wurde ich gefühlte 20 Mal komisch von der Seite angeschaut und ich glaube, der Typ mit der Kamera im Bus war von der Zeitung. Jedenfalls sehe ich mich schon morgen in der nächsten Klatschzeitung, denn Christian hatte den Arm um meine Schulter gelegt und ich war an ihn angelehnt. Gut, dass ich mich nicht groß umgezogen habe, sondern immer noch sein T-Shirt trage, ist vielleicht nicht ganz so schlau gewesen. Wie auch immer, meine restliche Kleidung habe ich bei ihm gelassen ("falls ich mal wieder eine Nacht hier bin.") und jetzt in der Wohnung bin ich endlich wieder ungestört. Naja, nicht ganz, Disse ist auch hier, aber das gilt nicht. Wie erwartet ist Joanas Zimmer leer und auf meinem Handy blinkt die Nachrichtenleuchte. Ich öffne WhatsApp und sehe nur ihre kurze Nachricht: "Bleibe heute Nacht bei Steffen, komme mit ihm zum Training. Kuss Joana" - ansonsten wollte niemand was. Ich suche in meiner Schublade nach einem Sport BH und meiner blauen Adidasshorts. Nachdem ich fündig geworden bin, greife ich nach einem weißen Top und verschwinde ins Badezimmer. Christian sitzt im Wohnzimmer und spielt irgendein Spiel auf dem Handy. Nachdem ich mich gewaschen und die Sportsachen angezogen habe, stelle ich mich hinter ihn und schaue Christian über die Schulter. Er spielt Best Fiends, das sehe ich gleich. Das Level habe ich schon gespielt und deshalb gehe ich jetzt in den Flur, um meine Schuhe zu suchen. Im Schuhschrank stehen die Sneakers für draußen, aber meine Handballschuhe sind wie vom Erdboden verschluckt. Seufzend suche ich in meinem Zimmer weiter und finde sie in meiner Sporttasche - wow, darauf hätte ich auch kommen können - direkt neben meinem Ball. Aus der Küche packe ich noch eine Wasseflasche ein und dann stupse ich meinen Besucher an, der immer noch am selben Level verzweifelt. "Wir sollten los, kannst ja nachher weiterspielen." Seufzend schließt Disse die App und wir ziehen uns die Schuhe an, um gleich danach zur Bushaltestelle zu rennen, weil der Bus schon um die Ecke kommt. Lachend sitzen wir hinten und rätseln darüber, was wir wohl heute alles machen, wo doch Spaßtraining angesagt ist.

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Ich möchte mich bei euch für 1k Reads bedanken - ich hätte nie gedacht, dass eine einfache FanFiction so schnell so viel Aufmerksamkeit bekommt. Danke! ♥ - Hannah

Kieler Zeit || pausiertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt