#12: Shirin

782 33 2
                                    

Vor der Halle treffen wir Joana und Steffen. Und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, als ich ihre verschränkten Hände sehe. "Ich wusste es," flüstere ich Christian zu und er grinst wissend. "Na, wenn da nicht zwei Verliebte ganz viel Spaß hatten." "Ew!" Ich schlage ihm gegen den Arm und versuche die Bilder in meinem Kopf loszuwerden. Lachend zieht er mich zu den Beiden und Joana fällt mir überglücklich in die Arme. "Gestern haben wir noch ewig lange miteinander geredet und dann hat er mich gefragt, ob wir es nicht einfach versuchen wollen? Ich hab sofort ja gesagt!" Ich beglückwünsche das frischgebackene Traumpaar und umarme auch Steffen kurz. "Und was habt ihr Zwei noch alles verbrochen?" Mit den Augenbrauen wackelnd guckt Steffen mich an und ich erröte bei dem Gedanken an mich als menschliches Kissen. "Rune hat ihr das Herz gebrochen und sie hat bei mir geschlafen," antwortet Christian barsch und ich sehe ihn warnend an. "Hey, das konnte Steffen nicht wissen. Aber ja, Shirin kam gestern noch an und ähm ... mir ging es halt nicht mehr so gut, deshalb sind wir gegangen." Mitleidig schaut Joana mich an und deutet dann mit einem Kopfnicken hinter uns. Da steht er mit Shirin und die beiden knutschen rum. Das Knacksen meines Herzens kann ich fast schon hören, aber die Leere in mir ist viel schlimmer. Ja, ich habe den privaten Rune noch nicht besonders gut kennengelernt, aber es hat mir gereicht. Wir haben uns sofort blendend verstanden und dann dieser Tanz .. ich habe mir ehrliche Hoffnungen gemacht. Mit einem Mal ist das alles verschwunden und ich drehe mich wieder um. Christian nimmt mich sofort in den Arm, aber Joana erzählt es uns trotzdem. "Disse hat uns ja gestern erzählt, dass Rune eigentlich Schluss machen wollte. Nachdem ihr weg wart, kam er mit Shirin zu uns und hat erzählt, dass sie es nochmal versuchen wollen. Glaub mir Jette, so unfreundlich, wie ich war, willst du mich nicht kennenlernen. Tut mir wirklich leid für dich." An der Brust meines besten Freundes nicke ich und drehe mich schließlich wieder um. "Was solls, sollen die doch glücklich werden!" Eigentlich will ich nicht weinen, aber eine kleine Träne schlüpft trotzdem aus meinem rechten Augenwinkel. Erst, als Christian sie vorsichtig wegstreicht, bemerke ich es. "Komm schon Kleine, das ist es nicht wert." Ich nicke entschieden und bin gerade entschlossen, die Starke zu spielen, als Steffen ein "Achtung!" von sich gibt. Shirin und Rune stehen händchenhaltend vor uns und der Idiot scheint nicht mal die Eier in der Hose zu haben, um mich direkt anzusehen. Er wirft eine Begrüßung in die Runde und stellt Shirin mir vor, wobei er nur sie dabei ansieht. "Freut mich Shirin," presse ich hervor und bin mit meiner Beherrschung echt zufrieden. Da sie für ihren Freund nichts kann, bemühe ich mich, ein wenig nett zu sein. Vielleicht hätte ich doch Schauspielerin werden sollen, denn mein Lächeln scheint so echt zu wirken, dass sie mir ihr eigenes, strahlendes Lächeln zurückwirft. "Mich auch. Joana meinte, dir ging es gestern nicht so gut. Freut mich, dass du jetzt wieder so glücklich aussiehst." Man, wäre sie doch nicht so nett, dann würde es mir leichter fallen, sie zu hassen. "Ja, gestern war wohl einfach nicht mein Tag. Bleibst du auch noch zum Training?" Lächeln, atmen, weiterlächeln. Ich bin wirklich gut, bis Rune mich das erste Mal an diesem Tag direkt ansieht. Unsere Blicke treffen sich und ich kann nicht verhindern, dass ich leicht zusammenzucke. Christian nimmt meine Hand und drückt sie leicht, er scheint echt ein Gespühr für sowas zu haben. Dankbar drücke ich seine Hand ebenfalls und Shirin sieht lächelnd auf unsere Hände. Oh, super, jetzt denkt sie bestimmt, ich wäre mit ihm zusammen. Klasse. "Nein, ich habe gleich noch einen Termin. Vielleicht schaffe ich es, nach dem Training hier zu sein, dann könnten wir ja alle gemeinsam einen Kaffe trinken gehen?" Joana schnaubt wütend, Steffen seufzt wegen ihrer Reaktion und Christian ... der zuckt mit den Schultern. Na toll, danke für eure Unterstützung! "Mal sehen, das können wir ja spontan entscheiden," antworte ich und lächle wieder freundlich. Jetzt bloß nicht die Fassade bröckeln lassen, ich kann das. "Na dann, bis nachher." Sie dreht sich zu Rune, gibt ihm einen Kuss und dackelt dann zu einem roten Opel Corsa. "Bis nachher," äfft Joana sie nach und schüttelt den Kopf. "Also ich gehe nicht mit ihr ins Café, sorry. Meine Selbstbeherrschung ist nicht mal annähernd so gut, wie Jettes. Können wir jetzt reingehen?" Wir schauen sie alle verdutzt an, bis ich sie dankbar umarme. "Ich könte dich knutschen,"  flüstere ich ihr ins Ohr, denn Rune steht ja immer noch hier. Sie grinst und dann schlendern wir alle gemeinsam in die Halle. Dass der blonde Herr neben uns aussieht, als hätte er in eine Zitrone gebissen, bringt mich sogar dazu, ehrlich zu lächeln. Bitte, selbst Schuld! Christian geht nah neben mir und auf einmal fühle ich mich hier in Kiel doch wieder gut aufgehoben.

Kieler Zeit || pausiertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt