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Als ich gerade Joana etwas sagen will, kommen keine Wörter, sondern ein Piepen aus meinem Mund. Was soll das? Ich reibe mir die Augen und auf einmal ist ein ganz neues Bild vor meinem Auge. Vor mir ein blauer Sitz, auf meinen Ohren liegt ein merkwürdiger Druck und meine Beine kribbeln. Verwirrt ziehe ich die Kopfhörer aus meinen Ohren und sehe auf das leuchtende Handy. Es ist 23:59 Uhr und ... das kann doch gar nicht sein! Es ist immer noch das Datum, an dem ich losgefahren bin. Und ich sitze auch nicht in der Halle, sondern im Zug. Das Piepen war mein Handy, weil es mir einen schwachen Akku anzeigt. Verdammt, es war alles so real, wie kann ich nur geträumt haben? Die Wärme auf meinen Lippen kann ich fast schon spüren, wenn ich an den Kuss mit Christian denke. Aber er ist nie wirklich passiert. Warum wundere ich mich eigentlich jetzt erst darüber, wie alles so schnell gehen konnte? Es war teilweise, als hätte die Zeit einen Sprung gemacht. Aber, wenn das alles nur ein Traum war, dann gibt es Joana vielleicht gar nicht! Ruckartig drehe ich mich um, doch da sitzt niemand. Allgemein bin ich ganz alleine im Abteil, aber die Anzeige verrät mir, dass der Zug noch nicht in Kiel war. Verdammt, wieso träume ich nur immer so real? Müde streiche ich mir die Haare aus dem Gesicht und schließe mein Handy an die Powerbank an. Ob ich wohl so jemanden wie Joana treffen werde, wenn ich in die WG komme? Vielleicht. Ich beschließe noch ein wenig zu schlafen und schließe meine Augen ein weiteres Mal in dieser Nacht.

Als ich die Augen endlich wieder öffne, ist es immer noch dunkel, doch die freundliche Bahnstimme verrät mir, dass ich in Kiel angekommen bin. Ich muss bloß daran denken, dass ich alles nur geträumt habe, wenn ich die Spieler zum ersten Mal treffe. Immerhin weiß ich, dass das Café so wirklich existiert, ich habe mich im Internet schlau gemacht und daher war es im Traum auch so detailreich. Immer noch etwas geschlaucht von der langen Fahrt hieve ich meinen Koffer nach unten und verlasse den ICE, als sich die Türen zischend öffnen. Es dämmert zwar leicht, aber im Sommer wird der Himmel ja nie ganz schwarz. Ich folgen den Schildern zum Ausgang und aktiviere mein Navi auf dem Handy, um die Wohnung zu finden. Nun, nach 15 Minuten herumirren stehe ich vor der Adresse und wundere mich. Es ist ein großes Haus mit hohen Fenstern und einem hübschen Garten mit Hollywoodschaukel. Sieht fast so aus, als würden wir 6 alle gemeinsam hier wohnen. Was soll's. Zielsicher drücke ich auf die Klingel, nachdem ich den Kiesweg entlang gegangen bin. Der THW hat sich Mühe gegeben. Mir öffnet ein braunhaariger Junge und nachdem wir uns einen kurzen Moment gemustert haben, beginnt er zu reden. "Du bist bestimmt auch wegen der Ausbildung hier, oder? Ich bin Jan, komm rein." Grinsend nicke ich Jan zu. Er ist einen Kopf größer als ich und seine braunen Augen funkeln freundlich. Er scheint nett zu sein. "Genau. Ich bin Jette, freut mich." Ich rolle mit dem Koffer ins Haus und muss erstmal im Flur stehen bleiben, da mir ein paar Schuhe im Weg liegen. "Sorry, die sind von Kassandra, sie kann jetzt schon keine Ordnung halten." Irgendwie habe ich das Gefühl, er wird schon bald nicht nur über unsere Mitbewohnerin so reden. In spätestens zwei Tagen sieht es in meinem Zimmer mit Sicherheit wie auf dem Schlachtfeld aus und meine Schuhe liegen im ganzen Haus verteilt. Ich habe die Angewohnheit, sie immer einfach auszuziehen und abzustellen, auch auf Treppen. Meine Eltern haben sich daran gewöhnt. Ob meine Mitbewohner das auch werden, bleibt fraglich. Jedenfalls räume ich die Sneakers einfach mit dem Fuß zur Seite und zerre meinen Koffer weiter geradeaus. "Bisher sind nur du, ich, Kassandra und Fabienne hier, aber die Mädchen schlafen natürlich. Oben ist noch ein Zimmer frei und unter dem Dach sind zwei Zimmer. Einer von uns muss das Schlafzimmer hier unten nehmen, ist eigentlich ein Gästezimmer, aber der Verein hat es noch schnell renoviert und neu eingerichtet." Jan ist wahnsinnig gut informiert und ich kann mir ein Kichern nicht verkneifen. Er würde einen super Makler abgeben. "Dann werde ich mal das Zimmer hier unten beziehen, zum Treppensteigen jeden Tag bin ich viel zu faul." Er lacht und verschwindet hinter einer Schiebetür, hinter der ich das Wohnzimmer vermute. Ich biege links vom Flur ab und stehe erst in der Küche, bis ich zwei Türen weiter endlich ein Bett sehe. Gleich danach fällt mir die schöne Wandfarbe und der Teppich auf und anschließend der riesige Schrank und das Fenster. Also wenn ich mich in diesem Zimmer nicht wohl fühle, habe ich wirklich ein Problem. Alles ist in Brauntönen gehalten, der Bettbezug ist vom THW und auf dem Bett liegen ein paar rote Kissen. Sehr süß, ich entdecke ein Mannschaftsbild mit Autogrammen. Der Verein weiß wirklich mit seinen Auszubildenen umzugehen. Den Koffer lasse ich mitten im Raum stehen, jetzt interessiert mich erstmal die Tür links in der Wand. Ich öffne sie und stehe in einem kleinen Bad mit Dusche, Toilette und einem Spiegelschrank. Mehr brauche ich nicht. Die Tür, an der ich vorbeigelaufen bin, führt vom Gang aus hier rein. Sofort schließe ich die Gangtür ab, denn jetzt ist das hier klar mein Bad, nicht das für Gäste. Lächelnd hebe ich das Poster an und weihe gleich mein doppelseitiges Klebeband ein. Mein Vater hat darauf bestanden, dass ich es mitnehme. Im Stillen danke ich ihm dafür und hänge es über meinem Bett auf. Die Kissen schmeiße ich vor dem Fenster auf den Boden, ich werde mir nachher bei Tag erstmal einen Sitzsack kaufen. So viel Platz vor einem riesigen Fenster muss genutzt werden. Aber jetzt um kurz vor 1 Uhr heißt es auspacken und weiterschlafen. Leider ist meine Reihenfolge etwas anders, denn nachdem ich meine Hosen in den Schrank sortiert habe, lasse ich mich auf das Holzbett fallen. Man, ist die Matratze weich. Ausräumen kann ich auch später noch.

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Ich hoffe, ihr nehmt mir das nicht übel, aber ich war mit der Story so einfach nicht zufrieden. Um alles neu zu schreiben, waren eure Rückmeldungen aber viel zu gut und ich konnte es nicht über's Herz bringen. Das ist jetzt mein Kompromiss, ich hoffe, damit könnt ihr euch anfreunden. Das Zimmer müsst ihr euch mit beigen Teppich, hellbraunen Wänden und ohne den Hintergund im Fenster vorstellen. Dieses Bild entsprach am Ehesten meinen Vorstellungen. - Hannah ♥


Kieler Zeit || pausiertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt