Kapitel 1*Letztes gemeinsames Frühstück

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Ich öffne blinzelnd die Augen. Natürlich wurde ich wieder durch das laute Lachen meiner Brüder aufgeweckt. Wie kann man nur so früh am Morgen schon gute Laune haben? Und das auch noch bei diesen Aussichten. Missmutig und verschlafen schaue ich durch mein Zimmer. Alle Möbel stehen an ihrem Platz, doch in den Regalen herrscht gähnende Leere. Generell ist alles kahl und farblos, abgesehen von dem riesigen Koffer und der pinken Reisetasche. Wir ziehen nämlich um. Ins mehrere hundert Kilometer entfernte Köln. Ja, Deutschland.

Man könnte jetzt meinen, dass es daran liegt, dass meine Eltern einen besseren Job gefunden haben, aber so ist es nicht. Wir ziehen nämlich ohne sie um. Anscheinend ist es ja schier unmöglich mich mit meinen Brüdern alleine hier zu lassen, ok, wir könnten uns das Haus nicht leisten, also dürfen wir umziehen.

Entnerft lasse ich mich zurück ins Kissen sinken, in der Hoffnung nochmal einschlafen zu können, aber bei der Lautstärke ist daran einfach nicht zu denken. Max reißt meine Zimmertür auf und kommt, wie ein kleines Kind, grinsend in mein Zimmer gehüpft und fragt: "Na, bist du schon wach?" Seufzend streiche ich mir eine blonde Strähne aus dem Gesicht und sehe ihn gespielt böse an. Manchmal frage ich mich wirklich, ob er tatsächlich schon 21 Jahre alt ist. "Jetzt schon", entgegne ich mit hartem Unterton und fange dann aber doch an zu lachen, als er sich völlig unvorbereitet mit schallendem Gelächter auf mein Bett fallen lässt. Hatte ich erwähnt, dass ich im Bett liege?
***
Ich bin erleichtert als er endlich mein privates Reich verlässt. Als ich mich dann doch endlich nach einer halben Stunde dazu aufgerappelt habe, gehe ich in die Küche, um ein letztes Mal mal mit meinen Eltern an einem Tisch zu frühstücken, zumindest vorerst.

Meine Eltern, die Menschen, auf die ich im Moment am wenigsten gut zu sprechen bin. Schließlich sind sie ja auch der Grund, weshalb ich einfach so mir nichts dir nichts ins Ausland muss, weg von meinen Freunden, weg von meinem Leben, rein in ein Haus mit drei Verrückten, und meiner Tante. Aber das braucht meine Eltern nicht zu interessieren, da sie, wie sie es so gerne ausdrücken, 'jetzt mal an sich denken müssen'. Das bedeutet im Klartext, dass sie sich jetzt nicht länger um ihre Kinder kümmern, sondern beginnen Karriere zu machen. In ihrem Alter! Echt verrückt.

Die Zwillinge sind zu meinem Entsetzen bei bester Laune und Luc albert herum, während sich die beiden einfach nur auf die Zeit in Deutschland freuen. Ich hingegen ziehe die schlechte Stimmung wie eine Lawine hinter mir her, aber das ist mir egal. Ein Blick aus dem Fenster verrät mir, dass es, wie könnte es klischeehafter sein, am regnen ist. Und das in London, da regnet es doch immer, denkt ihr, aber heute passte es einfach zu meiner Stimmung, also lasse ich das jetzt mal so stehen.

Immer wieder versucht meine Mutter mir während des ganzen Frühstücks die Vorteile einzutrichtern, damit ich mich doch ein bisschen freue. Kann man denn nicht wenigstens in Ruhe seinen Tee trinken?

"Aber du hast Louis doch auch schon lange nicht mehr gesehen und ihr habt euch doch immer so gut verstanden. Außerdem werdet ihr fantastisches Wetter haben."

Es bringt wohl auch nichts ihr zu erklären, dass er gerade mal 12 gewesen war, als er noch mit seiner kleinen
Cousine gespielt hatte und dass er nunmal jetzt auch schon 23 ist und ich gar kein Interesse daran habe, etwas mit ihm zu unternehmen. Außerdem ziehen wir nicht in die Karibik, sondern nach Deutschland, und dass da das Wetter auch nicht besser ist als hier, störte hier am Tisch niemanden, außer mich. Warum sollte ich da wohnen wollen, wenn es hier genauso schön ist ? Und das Argument, dass ich ein Auslandsemester brauche, ist total daneben, das könnte ich schließlich auch wo anders machen, zum Beispiel in Amerika.

Geschlagene 20 Minuten und 200 Versuche ,mich umzustimmen, später ist mein Tee leer, meine Laune noch mieser und meine Eltern sind in ihrer Entscheidung bestärkt uns zu unserer Tante zu schicken, nachdem meine Brüder sich die ganze Zeit zum Spaß am Essenstisch bekriegt haben.

Ich weiß ich werde es später bereuen nichts gegessen zu haben, aber irgendwie gehört das zu meinem Protest dazu. Hätte ich nicht mein eigenes Bad, ich würde es wahrscheinlich absichtlich stundenlang belagern. Aber da hier eh niemand rein will und wir auch keine Stunden mehr Zeit haben, mache ich mich schnell fertig und ziehe mir meinen Kuschelpullover und eine Leggins an. Gelangweilt schaue ich in den großen Spiegel, während ich meine Haare zu einem lockeren Zopf flechte. Ich werde das hier alles vermissen, meine verpeilten Freundinnen, unser großes Haus, London...

***

Ich will gerade meine letzten Teile in die Reisetasche packen, als plötzlich meine geliebten Zwillinge in mein Zimmer kommen, sich einer den Trolli, einer die Reisetasche schnappen und Luc mir über die Schulter zu ruft "Wir müssen los, das Taxi ist da"
"Halt!"
"Was hab ich denn jetzt schon wieder gemacht?!"
Luc kommt wieder zurück und sieht mich ehrlich verwirrt an. Wie bekommen die Jungs dieses entschuldigende Lächeln immer hin? Ich halte meinen Kulturbeutel in die Luft.
"Oh sorry, das wusste ich nicht" sagt er schulterzuckend und stellt sie mir wieder vor die Füße.
***
Ok, jetzt fang bloß nicht an zu heulen, du bist wütend, nicht traurig, nicht heulen, nein, nicht heulen. Mir rollt langsam eine Träne über die Wange. Schnell wische ich sie mir weg, trete auf meine Mutter und auf meinen Vater zu und umarme sie halbherzig. Glaubt nicht dass ich sie nicht liebe, aber wenn ich mich ihnen jetzt um den Hals werfe, fange ich erst recht an zu weinen.

Kurze Zeit später sitzen wir endlich alle im Taxi. Und endlich ist wirklich der richtige Ausdruck. Ich meine: Hallo? Luc und Max haben sich ernsthaftig darum gestritten, wer vorne neben dem Taxifahrer sitzen muss. Also habe ich nach drei Minuten meinen Platz auf der Rückbank geräumt und mich vorne hin gesetzt.

Der Fahrer, ich schätze ihn auf 25, hatte mir eine Lächeln zugeworfen, das eher wie eine Fratze gewirkt hatte. Es soll wohl charmant oder sexy wirken. Während die zwei Herren hinter mir an ihren Handys spielen, dreht der Taxityp mir während der Fahrt den Kopf zu.
"Na wo gehts denn hin?"
"Zum Flughafen."
"Ich weiß, ich meinte wohin ihr in Urlaub fliegt." Er lächelt.
"Wir ziehen um." Ich bemerke, dass er mich immer noch anstarrt.
"Müssen Sie nicht auf die Straße gucken? " Ich weiß das meine Stimme genervt klingt und das bin ich auch. Er soll uns gefälligst sicher zum Flughafen bringen und nicht Smalltalk halten. Darauf habe ich gerade echt keine Lust.

Durch eine Blick in den Rückspiegel sehe ich, dass die beiden sich verständnislos ansehen und dann wieder lachend weiter spielen. Nur damit ihr keinen falschen Eindruck von meinen Brüdern bekommt: Sie sind nicht immer so, nur wenn sie besonderst gut gelaunt sind.

Ich schrecke aus meinen Gedanken, als ich direkt hinter mir lautes Gejohle vernehme.
"Yeah, ich hab den Highscore geknackt!"
"Wie alt sind deine Begleiter?"lächelt er mich an. Dieser Affe von Taxifahrer hat wohl immer noch nicht verstanden, dass ich nicht mit ihm reden will.
"1. Wüsste ich nicht was sie das angeht, 2. Habe ich ihnen nicht das du angeboten, 3. Sind das meine Brüder und die wissen wenigstens wann man die Klappe hält."

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So Leute, hier das erste Kapitel meines neuen Buches. Ich hoffe es gefällt euch. Lasst doch mal einen Kommentar dar und sagt mir, wie es euch gefällt. Ich versuche jetzt jeden Montag ein Kapitel hochzuladen :)
Bis dann

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