Kapitel 7*Kekse?

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Keine halbe Stunde später halten wir vor einem etwas größeren Einfamilienhaus mit gelb-orange getünschter Fassade. Nicht besonders schön, aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren.

Ich höre Türen schlagen und kurz drauf öffnet sich eine der Autotüren wieder.
"Freya, möchtest du nicht auch aussteigen."
Verwirrt drehe ich mich um. Ich kann die Stimme keinem meiner Brüder zuordnen, aber als Louis Gesicht in mein Blickfeld kommt, wird mir klar, dass er mit mir gesprochen hat.

Ich lasse seine Frage unbeantwortet und trete raus auf den Bürgersteig. In dem Moment wird die Haustür aufgerissen und eine quirlige Frau mitte 50 kommt auf uns zu. In ihrem runden Gesicht breitet sich ein Lächeln aus, ihre locken Wippen, als sie die drei Stufen runter läuft und mich in eine feste Umarmung zieht.
"Tante Mary" , sage ich und als wäre ihr Lachen ansteckend kann ich nicht verhindern, dass auch meine Mundwinkel nach oben wandern.

Nachdem sie einen nach dem anderen in ihre Arme geschlossen hat, auch meine Brüder werden nicht verschont, hält sie uns die Haustür auf, während wir unser Gepäck in den hellen freundlichen Flur tragen. Louis nimmt wie selbstverständlich meinen Koffer aus seinem Auto und trägt ihn die Stufen hoch.

Irgendwie fühle ich mich dabei nicht so ganz wohl. So als würde ein Fremder dir helfen, ohne dich zu fragen. Als hätten all die Jahre uns diese Leichtigkeit genommen. Aber vielleicht ist es einfach weil wir beide älter geworden sind. Vielleicht müssen wir einfach nur mehr Zeit miteinander verbringen, damit es wird wie früher.

Der Flur ist nicht besonderst groß. Direkt links hinter der Tür geht eine Treppe nach oben, ihr gegenüber steht ein großes Schuhregal und ab da gehen 5 Türen ab. Die erste auf der rechten Seite ist geschlossen und Mary erklärt uns, dass sich das erste Bad dahinter befindet, dann kommt die Tür, die in ein Wohnzimmer führt. Es ist in hellen Farben gehalten und das graue Sofa macht einen gemütlichen Eindruck. Erst bei den zwei Sesseln, die vor den bodentiefen Fenstern stehen, beginne ich zu strahlen. Es wirkt richtig idyllisch...

Von da aus geht eine zusätzliche Tür zur Küche ab. Sie ist wie der Flur nicht besonderst groß, aber gemütlich. Also die Deko lässt es gemütlich wirken, denn ich glaube kaum, dass die zwei schmalen Holzstühle an dem kleinen Tisch in Sachen Bequemheit an die Sessel im Wohnzimmer heran reichen können.

Als ich die Küche betrete, kommt mir unwillkürlich ein leicht kokeliger Geruch in die Nase. Und im nächsten Moment spüre ich anhand des Luftzugs, wie Tante Mary an mir vorbei in die Küche rennt und den Backofen aufreißt. Wären wir in einem dieser Filme, käme jetzt sicher Qualm aus dem Backofen und würde die ganze Küche einräuchern, ist aber nicht der Fall. Stattdessen wird der Geruch nur etwas stärker und die Kekse, die gerade auf einem Blech aus dem Ofen befördert werden sind etwas zu braun.

"Kekse???", fragt sie mit leicht schiefem Lächeln. Ach ja, da war ja was. Mary kann nämlich überhaupt nicht backen. Ich weiß noch wie Mama früher immer gesagt hat, dass es unbegreiflich ist, wenn man bedenkt, wie fantastisch sie kochen kann.

"Mama!," kommt dann auch schon die leicht genervte Antwort von Louis. Sie blickt ihren Sohn entschuldigend an. "Ich dachte es wäre ganz nett unseren Gästen, unserer Familie Kekse anzubieten..."
"Ja, ist es auch", sagt Max, der anscheinend auch in die Küche gekommen ist und schnappt sich einen Keks. Er beißt herzhaft in das, was wohl ein Cookie sein sollte und verzieht kurz das Gesicht, bevor er eine nachdenkliche Miene aufsetzt und möglichst freundlich fragt: "Sie schmecken so anders, so..." "verbrannt?", fällt ihm der Blonde ins Wort. Ich lächele Louis an. Er hat genau das gesagt, was ich in dem Moment dachte.

"Ist ja schon gut, ich backe nie wieder etwas", jammert Mary, aber man hört, dass sie es nicht ernst meint.
"Wie wäre es, wenn wir unser Gepäck mal in die Zimmer tragen?", schlägt Luc vor. Oh ja, Auspacken, das wird bestimmt so lustig.

***
"Da hinten ist das Bad, hier ist mein Zimmer, da gegenüber vom Bad ist Freyas und das da ist Maxs und daneben Lucs.... oder andersherum?"
Luc und Max stoppen mitten in ihrer Bewegung und stehen jetzt mitten im Flur und schauen Louis mit diesem 'ist-das-dein-Ernst-Blick' an.
"Nene, war glaub ich schon richtig so." Er lacht entschuldigend. Wir alle drei maschieren los zu unseren Zimmern und öffnen fast gleichzeitig die Türen. Wow, was für ein Filmmoment. Merkt ihr was? Ich habe irgendwie eine  Drang dazu mein Leben mit einem Film zu vergleichen, aber am Ende eines Films steht ja schließlich ein Happy End vom Feinsten und daran glaub ich im wahren Leben nicht.

Nach und nach kommt immer mehr des hellen Laminatbodens zum Vorschein, der bereits den gesamten Flur bedeckt. Ich mache ein paar schnelle Schritte nach vorne, mein Trolli verursacht ein unangenehm lautes Geräusch, als er über die Fußbodenleiste rollt. Plötzlich ist alles still und ich schließe die Tür hinter mir. Meinen Koffer habe jetzt einfach mal irgendwo mitten ins Zimmer gestellt. Louis scheint auch in sein Zimmer verschwunden zu sein, denn von dem lebhaften Gefühl, dass mich eben noch in Anwesenheit all dieser bekannten, altbekannten Gesichter umgab, ist nichts mehr übrig. Stattdessen wanderen meine Mundwinkel rasant schnell wieder nach unten.

Ich stehe in mitten meines neuen Zimmers und sehe flüchtig von einer Ecke zu nächsten, bis ich mich fast einmal ganz rumgedreht habe. Mein Blick huscht wieder zu den leeren Bilderrahmen an der Wand. Anscheinend hatte sich jemand Gedanken gemacht und versucht diesen eigentlich nur noch als Gästezimmer dienenden Raum etwas wohnlich zu gestalten. Die Bilderrahmen sind fast leer, bis auf ein Paar vereinzelte Bilder. Sie zeigen uns vier als kleine Kinder. Schon seltsam, jetzt sage ich schon wir vier.
***
Meine Eltern, meine Brüder. Unser Vater hält mich auf dem Arm und Max hält seine Hand. Luc steht auf der anderen Seite und hält Mums Hand. Eine richtige kleine Familie. Ja, genau das waren wir all die Jahre, doch davon ist nur noch dieses Bild geblieben. Mir kommen die Tränen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dieses Jahr uns nur noch weiter von unseren Eltern entfernen wird. Die Angst, sie könnten uns durch ihre Arbeit vergessen erscheint mir so kindisch und doch kann ich nicht dagegen ankämpfen.

Ich lasse mich auf das Bett sinken, das vor der Fotowand steht und rolle mich darauf zusammen.

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Hey, dass geht raus an alle Nachteulen da draußen, ich hoffe euch gefällt das Kapitel. Nicht vergessen zu kommentieren, was euch gefallen/missfallen hat  oder was euch gerade in den Sinn kommt.
Lg Sami :)

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