13. Kapitel Aumana

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Zuerst konnte Jolly den Besitzer der weichen Stimme nicht ausmachen, doch dann kam aus einer schattigen Ecke eine alte Nixe zum Vorschein. Ihr Gesicht war faltig und sah auf eine Weise zerknittert aus, trotzdem glitzerten ihre gelben Augen jugendlich und wachsam. Auf ihren schmalen Lippen lag ein warmes Lächeln, dass Jolly seltsamerweise sofort ein Gefühl von Geborgenheit gab.

Sie schwamm weiter auf die beiden zu, die Hände hinter dem Rücken verschränkt und hielt dann direkt vor ihnen an. „Mein Name ist Aumana", stellte sie sich immer noch lächelnd vor. „Ich bin Jolly", sagte Jolly schüchtern. Trotz der Wärme, die Aumana auszustrahlen schien, wirkte sie Respekt einflößend. „Ich weiß", erwiderte diese ruhig. Warum wusste jeder, wer sie war? Achja... sie war die Auserwählte... Die alte Nixe wandte den Kopf zu Suri und nickte ihr kurz zu. Dann richtete sie ihren Blick wieder auf Jolly. „Ich", fuhr sie fort, „bin die Wächterin des Cors von Teyloa. Ich nehme an, du hast bereits in Keppar erfahren, was das bedeutet." „Woher...", begann Jolly, Aumana bedeutete ihr jedoch mit einer Geste, zu schweigen. „Das spielt keine Rolle", antwortete sie auf die unausgesprochene Frage. „Jedenfalls bin ich in Besitz eines Gegenstandes, der von Wächter zu Wächter weitergegeben wird. Seit Ehgdaës Verschwinden vor vielen Jahren..." Kurz sah sie wehmütig ins Leere, dann drehte sie sich weg und schwamm zu einem kleinen Tisch, auf dem eine hölzerne Sch stand. Sie nahm sie vorsichtig, beinahe ehrfürchtig, in beide Hände, kam wieder zurück und hielt sie Jolly feierlich entgegen. Diese nahm sie unsicher und blickte Aumana fragend an. „Öffne sie", sagte diese freundlich, aber bestimmend. In das Holz waren feine Ornamente geschnitzt. Man könnte sie stundenlang anschauen und immer wieder neue Details entdecken. Langsam öffnete Jolly den verzierten Verschluss und hob den Deckel an. In der kleinen, schmalen Kiste befand sich, auf Sand gebettet, ein silberner Ring mit einem edelsteinbesetzten Auge. Es schimmerte in kräftige Blau undjagte Jolly einen Schauer über den Rücken, denn es schien  direkt in die Seele zu blicken. Ein Kribbeln durchfuhr sie und ohne zu überlegen oder zu fragen, streifte sie ihn über den Ringfinger ihre Hand. Das Prickeln wurde stärker und schien sie in eine Art Rausch zu ziehen. Alles um sie herum verschwamm und schien unwichtig. Ein Gefühl der Ekstase schoss durch ihren Körper.

Nach kurzer Zeit ebbte dies aber ab, und ihre Umgebung wurde wieder deutlicher. Sie sah Suri, die sie ungläubig und mit geöffnetem Mund anstarrte und neben ihr Aumana, mit einem gewinnenden Lächeln auf den Lippen. „Du bist die Richtige. Jetzt ist es !", flüsterte sie  mehr zu sich selbst, als zu Jolly. „Was ist denn?", fragte diese etwas verwirrt. „Sie dich doch mal an!" Suri hatte anscheinend ihre Stimme wieder gefunden. Jolly tat wie angewiesen und sah an sich herab. Augenblicklich fiel ihr die Kinnlade herunter, so wie es vorher Suri passiert war. An der Stelle, wo sonst sonst immer ihre Beine gewesen waren, befand sich jetzt eine Flosse, deren Schuppen beim bewegen in unzähligen Grün- und Blautönen schimmerte. Zwar hatte sie vorher schon zwischendurchvon Magie gehört, aber das war das erste Mal, dass sie sie mit eigenen Augen sah. Sie wollte etwas sagen, aber sie war sprachlos. Stattdessen hob sie den Kopf und blickte Aumana perplex an. Zu ihrer Überraschung verbeugte sie sich leicht, wie zuvor schon Rarrosh, vor Jolly. „Auserwählte...", sagte sie, mit leicht zitternder Stimme, „auf dass deine Prophezeiung bald erfüllt werde." Jolly wusste nicht, was sie von der ganzen Sache halten sollte. Sie beschloss, sich für alles zu bedanken und wollte zu Aumana schwimmen. Sie schlug einmal mit der Flosse und knallte beinahe in die Nixe hinein. Sie hatte ihre Kraft unterschätzt. „Entschuldige bitte", sagte sie verlegen, aber die Wächterin lachte nur. „Und danke vielmals! Die Flosse... sie ist einfach wunderbar!" Sie lächelte und Aumana lächelte zurück. „Nichts zu danken. Ehrlich gesagt wusste ich selber nicht, was der Ring bewirken würde. Genauer gesagt, habe ich nicht einmal daran gedacht, dass er etwas auslöst. Ich dachte, er zeigt uns nur, wer die oder der Richtige ist. Du musst wissen, dass wir seit Jahren nach der Auserwählten suchen. Die Prophezeiung, die Ehgdaë uns überbracht hatte, hat uns nie einen genauen Zeitpunkt gegeben. Eigentlich hat sie uns kaum Informationen gebracht. Nicht einmal, dass die, oder der, Auserwählte, ein Terrea sein wird. Vor dir waren einige Nixen hier, die den Ring anprobieren wollten, weil jemand sie für den Erfüller der Prophezeiung hielt. Oft waren es Eltern, die sich erhofften, dass ihre Kind berühmt und geehrt werden würden. Aber für sie wollte sich das Kästchen, das den Ring enthielt, nicht einmal öffnen."Jolly schwieg. Ihr war eine Frage in der Kopf gekommen. Sie wandte sich an Suri. „Woran habt ihr mich erkannt. Damals. Bei der Insel." „An deinen Augen. Und dass du unsere Sprache sprechen und verstehen konntest." „Aber das konntet ihre ja nicht wissen, bevor ihr mich mit genommen habt!", warf Jolly ein. Ihr war irgendwie komisch. „Naja...", fuhr Suri fort, „Außerdem, hatte ich so ein Gefühl. An dem Tag, an dem ich gestrandet war. Aber ich war mir nicht einmal sicher, ob alles nicht nur ein Traum war" Jolly spürte einen Stich im Herzen. „Das ist alles?", sagte sie mit zusammengekniffenen Lippen. „Ein Gefühl? Von dem du nicht mal sicher warst, ob es überhaupt stimmt?" Ihr Hals wurde trocken und sie merkte, wie ihr Tränen in die Augen schossen. Sie war froh, dass keiner sie sehen konnte. „Ihr, nein du, hast mich einfach so, auf gut Glück, entführt. Und Al? Der war dir doch ganz egal!" Sie wurde immer lauter. „Hätte ich nichts gesagt, dann hättest du ihn einfach auf dieser gottverdammten Insel verrotten lassen!" Jetzt schrie sie beinahe. Suri sah leicht beschämt auf den Boden. Jetzt war Jolly richtig wütend. „Schau mir wenigstens in die Augen, wenn ich mit dir spreche!", wetterte sie. „Ich wette", zischte sie nun, „Du hast mich nur nach Teyloa gebracht, um die Lorbeeren zu ernten! Dafür, dass Du die Auserwählte gefunden hast!" Sie wusste selber nicht, woher diese plötzlich Wut auf die Nixe kam. Suri, die Jolly bis jetzt immer noch nicht angesehen hatte, hob nun ruckartig den Kopf. Auf ihren Zügen lagen Ungläubigkeit und Ärger und ihre spitzen Eckzähne waren beinahe angriffslustig entblößt. Aber sie schwieg. Das war nur Bestätigung für Jolly. „Du Monster", fauchte sie angeekelt. Wütend schoss sie, so schnell sie es mit der ungewohnten Flosse schaffte, auf eine Tür zu, die sich am anderen Ende des Raumes befand. Sie riss sie auf und fand sich auf dem Innenhof wieder, den sie vorher schon durch das Fenster in der Mauer beobachten konnte. Es war ihr egal, ob irgendjemand sie sah, aber es waren eh nur wenige Nixen zu sehen. Nach anfänglicher Unsicherheit, schlug sie immer schneller mit der Flosse, so dass sie das Gefühl hatte, geradezu durchs Wasser zu fliegen. Aber sie konnte es nicht genießen, der Zorn, der in ihr brodelte war zu groß.

Bermuda  *on hold*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt