Völlig außer Atem komme ich im Stadtzentrum an. Irgendwo muss ich mich verstecken. Falls mir tatsächlich jemand folgt, wird er auch hier entlang kommen, wenn ich in dem Buchladen Unterschlupf finde, kann ich die Straße beobachten. Ich trete in die Buchhandlung ein. Eine Glocke scheppert und eine Verkäuferin fragt mich, ob sie mir behilflich sein kann. Ich lehne danked ab und steige die Treppe in den zweiten Stock hinauf. Ich nehme mir ein Buch mit dem Titel "Marie Antoinette" aus dem Regal, setzte mich vor die Fensterscheibe und beobachte das Geschehen draußen. Es ist nichts auffälliges zu erkennen. In der Mitte des Platzes steht ein Brunnen. Drei Kinder spielen um ihn herum fangen. Ein Mann kommt zielstrebig heran. Ist das jemand, der mich sucht? Doch nicht. Er zieht einen der drei Kinder zu sich und redet lange auf ihn ein. Der Junge scheint traurig, als er mit dem Mann weggeht.
Ich öffne den Reißverschluss der Sporttasche und durchwühle sie. Ich finde zwei T-Shirts, eine Jogginghose, eine Jeans, Turnschuhe, eine Sonnenbrille, eine Armbanduhr, das Handy meiner Schwester und ein Taschenmesser. Nur das Handy gehört mehr oder weniger mir. Wenn ich schon auf der Flucht bin, möchte ich keine gestohlenen Sachen bei mir tragen. Außerdem wird die Polizei wissen was ich trage und so kann ich leichter entdeckt werden. Schon oft habe ich im Radio Durchsagen gehört in denen es um Menschen geht die aus Krankenhäuser ausgebrochen sind, dort wurden auch immer die Klamotten der Vermissten genannt. Aber auch die blauen Sachen sie ich jetzt trage sind nicht wirklich unauffällig. Eine Straße weiter ist ein H&M, dort werde ich mir einen neuen Look verpassen. Jetzt durchsuche ich die Klamotten nach Geld. Überlicherweise tragen Krankenhauspatientien keine Geldbeutel bei sich. Tatsächlich finde ich einige Münzen und einen Fünfer. Insgesamt komme ich auf 13,54€. Ganz schön viel für eine Jeans und eine Jogginghose. Vielleicht hat die Praktikantin aber auch nachgeholfen. Das Taschenmesser, die Uhr und die Sonnenbrille behalte ich mit dem Handy.
Gemächlich verlasse ich die Buchhandlung und gehe auf den Altkleider Container zu. Ich stopfe die Tasche mitsamt Inhalt hinein. Auf den Überwachungskameras wird man mich sehen, wenn ich in einen Laden hinein gehe. Hoffentlich kommt niemand auf die Idee sich genau diese Aufzeichnungen anzusehen. Ich steuere auf den H&M zu. Eine Gruppe Mädchen hat das gleiche Ziel und ich kann mich darunter mischen.
Jetzt muss ich mir genau überlegen, was ich brauche. Ich darf nichts nehmen, was meine Eltern vorhersehen können. Durch die Reihen schlenderned murmle ich:"Was würde ich niemals tragen....was würde ich niemals tragen?" Da sehe ich es: ein pinkfarbenes T-Shirt mit einer Aufgedruckten Katze. Es ist heruntergesetzt und kostet nur 3€. Perfekt für meine Zwecke. Eine Hose zu finden ist schwierig, am Ende entscheide ich mich für eine enge, aber gemütliche, Jeans. Dazu nehme ich mir noch eine Sweatshirtjacke und fertig. Das kostet mich fast mein gesamtes Geld. Nachdem ich meine Einkäufe bazahlt habe, ziehe ich sie mir in einer der Umkleiden an. Die Krankenhausklamotten stecke ich in die Plastiktüte und stopfe sie später auch in den Container.
Ich habe Glück, das es fast Sommer ist, denn so reichen mir meine Sachen völlig aus. Wo soll ich jetzt hin? Ich könnte versuchen Emilias Rätsel zu knacken, aber wie soll ich ohne Besitz mich auf eine reise ohne Ziel begeben? Wenn ich kurz zu Hause vorbei schaue, kann ich mir meine Kreditkarte nehmen und dannsteht mir die Welt offen. Ich muss sowieso noch das Päckchen holen, da passt das recht gut. AUßerdem kenne ich mich auf dem Grundstück so gut aus, dass ich nicht entdeckt werden kann.
Im Laufschritt komme ich an der Allee zu unserem Haus an. Ich verstecke mich in einem naheliegenden Gebüsch. Nach einigen Minuten Wartezeit, stehe ich auf. Dann höre ich das Summen eines Motors. Wie der Blitz hocke ich mich wieder hin. Die schwarze Limousine meiner Eltern biegt um die Ecke. Gerade nochmal Glück gehabt. Trotzdem kauere ich mich hinter dem Busch zusammen und nage an meinen Fingernägeln. Was wenn ich gefunden werde? Habe ich mich strafbar gemacht? Als Emilia verschwand haben meine Eltern Privatdetektive und weiteres engagiert um sie zu finden. Sicherlich werden sie bei mir das selbe machen. Meine Mutter wird jetzt am Boden zerstört sein, beide Kinder sind verschwunden. Im vergangenen Jahr hat sie sich mehr den je um mich gekümmert. Ich war ihr ein und alles. Außerdem wird sie sich selbst unser Verschwinden zum Vorwurf machen. Wochenlang hat sie ihr Zimmer nicht verlassen als Emilia weg gegangen ist. Ich will nicht das sie so wird. Vorallem nicht jetzt. Schon überlege ich ob ich vielleicht einfach klingeln sollte. Dann fallen mir aber wieder ihre Pläne für mich ein. Für meine Mutter werde ich einen Abschiedsbrief schreiben. Dafür muss ich leider ins Haus.
Vor der Hintertür zur Küche lege ich mich auf die Lauer. Bald müsste der Nachmittagssnack an der Reihe sein. Ich liege richtig. Wenige Minuten später verschwindet das Personal aus der Küche. Ich trete in die geräumige Küche und sehe mich um. Es ist lange her seit ich das letzte mal hier war. Sie ist immernoch sehr modern eingerichtet, mit viel weiß. Doch ich bin nicht hier wegen nostalgischer Gefühle, sondern ich such nach einem bestimmten Gegenstand. Als ich ihn gefunden habe, verschwinde ich eilig. Es ist ein Feuerzeug.
Meine Eltern sitzen auf der Terrasse und reden aufgeregt mit einem fremden Mann. Das Personal serviert ihnen frischen Kuchen mit selbstgemachtem Eis. Von der Terrasse aus hat man einen wunderschönen Blick auf unser Grundstück. Es besteht hauptsächlich aus Wiese mit einigen Bäumen. Hinter einem ungefähr 50m weit entfernten Baum verkrieche ich mich. Er steht alleine, was für mein Vorhaben geeignet ist, aber leider kein gutes Versteck ist. Ich nehme das Feuerzeug in die Hand, es fühlt sich kalt an. Nach einigen Versuchen kann ich die Kindersicherung entsichern und aus dem Rohr kommen züngelnd Flammen. Ich halte das Feuerzeug ganz nah an einen Ast des Apfelbaums. Er beginnt langsam Feuer zu fangen. Genauso gehe ich auch bei weiteren Ästen vor. Dann renne ich weg. Das Feuerzeug behalte ich bei mir.
Ich renne zu zu einem alten Schuppen, von dem ich die Terasse aus im Blick habe. Nach einer kurzen Verschnaufpause sehe ich wie das Personal, meine Eltern und der mysteriöse Gast aufspringen und zu dem Baum laufen. Das ist meine Chance. Ich sprinte zu einer anderen Hintertür hoch in mein Zimmer. Es tut gut wieder hier zu sein. Jetzt schnappe ich mir ein Papier und kritzele eine Botschaft darauf:
Für Doreen von Winterfeld
Hallo Mutter, mach dir keine Sorgen, mir geht es gut. Ich will weder auf ein Internat noch in eine Psychiatrie. Wenn du mich wirklich liebst, such mich nicht. Ich werde mich in spätestens einem Monat wieder Melden. Mach dir keine Vorwürfe, es liegt nicht an dir. Ich hab dich lieb. Evelyn
Ich falte den Zettel zusammen, nehme meinen Geldbeutel und meinen alten Rucksack und renne zur Haustür. Dort lege ich den Zettel ab und laufe zu der Allee. Hier verstecke ich mich hinter einer Hecke. Niemand sucht mich. Gut. Unter welcher Platane liegt nochmal Emilias Päckchen? Ein schwarzer Stofffetzen flattert im Wind. Ich husche zu dem Fetzten und wühle im Moos nach dem Packet. Als ich es finde reiße ich es auf und nehme mir die Dinge darin heraus und lege sie in meinen Rucksack. Ich ziehe in auf und sprinte die Allee entlang zur Hauptstraße. Früher fuhr ich hier in der Gegend oft Fahrrad, einemal stieß ich dann auf einen alten Wohnwagen. Das Grundstück gehört früher mal meiner Familie und deshalb konnte ich heraus ginden wem es gehörte. Eigentlich niemand. Meine Eltern meinten nur, dies sei rechtlich eine grau Zone und niemand besitze rechte daran. Hoffentlich ist das auch heute noch so. Denn jetzt gehört der Wohnwagen mir. Da muss man schon verdammt lange suchen um mich zu finden. Aber dann bin ich schon über alle Berge.
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Until the end
SpiritualDer 14. Mai. Es war Emilias 17.Geburtstag. Doch statt einem glücklichen Geburtstagskind erwartete ihre Schwester, Evelyn, ein leeres Bett. Verschwunden. Vielleicht schon tot. Ein Jahr später findet Evelyn eine Botschaft. "Such mich!", es ist eine Bo...