Die unendliche Leiter

Drei

Sie war unendlich. Traurige Menschen lebten unendlich. Traurige Menschen durften nicht sterben. Sie wollte nichts lieber als tot sein. Doch traurige Menschen mussten auf der Erde bleiben. Als würde sie wieder glücklich werden. Man könnte dem Teufel sagen, er solle sich im Himmel intrigieren. Eine unmögliche Unmöglichkeit. Eine unmenschliche Aufgabe. Sie konnte sich nicht auf der Erde einleben.

Sie war ein Fremdkörper. Ein Corpus alienum. Die Welt wollte sie nicht haben. Sie wollte die Welt nicht haben. Sie wollte gar nichts haben. Sie wollte sterben. Sie wollte leben. Sie wollte glücklich sein. Sie wollte weinen. Sie war wunschlos unglücklich. Sie war ein Nebel. Sie war transparent. Ihr Schmerz war offensichtlich. Doch jeder sah durch sie hindurch. 

Sie war ein Geist. Menschen fürchteten sich vor Geistern. Geisterstunde. Geisterjäger. Sie wollte von ihnen entdeckt werden. Sie wollte von ihnen getötet werden. Ihr fehlte der Mut. Sie war schwach. Sie wollte stark sein. Doch ihr fehlte die Kraft. So schwach. Sie hasste sich. Jeden Moment, jede Sekunde wurde der Hass stärker. Sie wollte sich zerstören. Sie wollte nicht mehr leiden. 

Sie litt noch mehr. Sie war so allein. Hinter ihr stand keiner. Alle waren meilenweit entfernt. Mit Augen wie Schlitzen konnten sie ihre Seele nicht erkennen. Ihre Seele ging unter. Wurde zu einem schwarzen Loch. Menschen fürchteten sich davor. Sie fürchteten sich vor ihr.
Menschen die nicht lachten waren abnormal. Sie war abnormal. Sie war normal. Die Welt war abnormal. Sie war es leid. Ihre Gedanken wogen schwer. Ihr Körper war Ballast. Ihre Flügel gerissen. Ihre Seele weggeschmissen. Ihre Hoffnung gestorben. Ihre Träume begraben. Das Loch neben ihnen ausgehoben. Bereit für ihren Sarg. Warum lag sie nicht dadrin? Warum wurde der Deckel nicht geschlossen? Warum konnte sie nicht sterben?

Ich will fliegen.