3. Schwarzes Blut

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Isaac hatte seinen Alpha zu einem kleinen Parkplatz außerhalb von Beacon Hills geführt. Noch immer sandte der leicht bedeckte Mond seine schemenhaften, bläulichen Lichtstrahlen zur Erde herab und in der Ferne war das rauschen des East Hills Rivers zu hören. Derek schaute sich suchend um, doch er konnte nichts erkennen, was mit einem Alpha oder sonst einer Kreatur zu tun hatte. Fragend wandte er sich an seinen Beta und stellte fest, dass dessen Haut von einem dünnen Schweißfilm bedeckt war. Außerdem war er viel blasser als gewöhnlich und hatte fast schon schwarze Augenringe, die seine Wangenknochen erschöpft betonten.

Derek seufzte unüberhörbar, da er sich mehr von ihrem nächtlichen Ausflug erhofft hatte, als einen leeren Parkplatz. Sein Beta wischte sich während dessen erneut den Schweiß aus der Stirn und wechselte kaum merkbar unruhig von einem Fuß auf den anderen. Seine Wunde schmerzte und war noch lange nicht geschlossen. Bei jeder zu hektischen Bewegung wurden es mehr rote Flecken auf seinem T-Shirt und zusätzlich war er angespannt bis ins Mark, denn er erinnerte sich an den Kampf, der sich noch vor wenigen Stunden, an genau diesem Parkplatz ereignet hatte. Falls man überhaupt von einem Kampf sprechen konnte.

»Hier hat er mich angegriffen«, sagte er abgetaucht in seiner Gedankenwelt, als sei es eine unwichtige Randbemerkung, in einem Ton, in dem man seinen Eltern erzähle, dass er die gleiche Note wie in den letzten zwanzig Arbeiten auch schon geschrieben hatte. Seine Stimme klang kraftlos, monoton, als ginge es um nichts neues, nichts ungewöhnliches, doch genau das war es, wenn ein Wolf einen anderen Wolf grundlos angriff. Es war es was sehr ungewöhnliches, fast schon unmögliches.

Derek begann sich erneut um zu sehen. Er war nun aufgeweckter und sein kalter Gesichtsausdruck hatte sich dabei von genervt zu aufmerksam entwickelt. Ein leichter Ruck der Anspannung fuhr durch seinen Körper. Isaac wirkte hingegen eher abwesend und schaute auch nicht zu Derek, als er einfach weiter redete.

»Und ich hatte seine Anwesenheit nicht einmal bemerkt, bis er plötzlich direkt vor mir stand«, fügte er hinzu. »Bevor ich ihn sah, gab es keinen einzigen Hinweis auf seine Anwesenheit. Ich konnte ihn nicht hören, nicht riechen, nichts der gleichen. Als wäre er überhaupt nicht hier gewesen, sondern nur ein Hologramm oder so was.«

»Du meinst er war nicht Real?«

»Nein, er war definitiv real. Ein Hologramm wäre wohl kaum in der Lage gewesen mich in Schweizerkäse zu verwandeln.«

Für gewöhnlich nutzte Isaac, wie jeder andere Teenager auch, sarkastische Antworten, um seine Unsicherheit zu überspielen.

Bisher hatte er allerdings nur in Rätseln gesprochen und sein Alpha schien nicht annähernd zu begreifen, warum die Beiden jetzt hier waren. Isaac seufzte. »Es war nicht so, dass es an mir lag, dass ich ihn nicht riechen konnte. Ich glaube eher er hatte überhaupt keinen Geruch. Ich kann seine Fährte jetzt genauso wenig aufnehmen wie vor ein paar Stunden, oder kannst du es?«

Derek schloss seine Augen, um sich ganz auf seinen Geruchssinn zu konzentrieren. Durch die Nase atmete er langsam die umliegende Luft, mit all seinen Gerüchen und Stoffen ein. Es war eine schwere Mischung aus Blut, Schweiß, Staub, Asphalt und noch vielen anderen Geruchsnoten, wie spuren von Tiere oder umherwirbelnder Blätter. Doch der einzige Körpergeruch, den er wahrnahm war Isaacs. Sonst nichts. Niemand sonst hatte an diesem Ort eine Spur hinterlassen.

»Es ist fast, als wäre er nie hier gewesen«, flüsterte Isaac mehr zu sich selbst und sprach damit genau das aus, was Derek gerade gedacht hatte. Es ist fast, als wäre er nie hier gewesen.

Dann schaute Isaac wieder auf den Boden und seine Mine schaltete von nachdenklich auf verträumt um.

»Wenn dieser Alpha wirklich keinen Geruch verströmt; wenn er keine verfolgbare Spur hinterlässt, können wir ihn auch nicht für seine Taten verantworten. Wir haben ja nicht einmal einen geringsten Anhaltspunkt, was er hier will oder warum er dich angegriffen hat«, presste Derek in die Nacht und seine Stimme wurde bei jedem Wort etwas lauter. »Wir haben nichts«, stieß er schließlich beim Ausatmen hervor und seine Kiefermuskeln entspannten sich wieder. Auch wenn er allen Grund dazu hatte wütend auf den fremden Werwolf zu sein, hatte er genug Selbstbeherrschung, diese Wut nicht nach Außen zu zeigen.

Creatures #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt