11. Das Feuer

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Als ich aufwachte waren überall um mich herum riesige Flammen. Wie Ranken kletterten sie an den Wänden hoch und ihre Schatten tanzten wild durch den Raum. Sie kamen immer näher und ein beißender Rauch breitete sich rasend schnell aus. Alles geschah so schnell, dass ich gar nicht wusste, wie mir geschah. Die Hitze und der Qualm machten es unmöglich einen klaren Gedanken zu fassen, da sie mir den Sauerstoff und meine Sicht raubten. Ich wusste nicht was hier vor sich ging, denn es war noch mitten in der Nacht. Erst dachte ich das alles wäre ein Traum, doch plötzlich hörte ich einen Schrei durch das in flammen stehende Haus hallen und wurde zurück in die Realität gerissen, als würde man mich in eine Schlucht ohne Boden stoßen. Es war meine Mutter. »Derek!? Derek, wo bist du?!« schrie sie immer wieder. Ihre stimme war dabei ungewohnt rauchig und sie hustete stark. Ich versuchte ihr zu antworten, ihr zu signalisieren wo ich war, doch als ich den Mund öffnete kam kein einziger Laut heraus. Es war, als würde der Rauch meine Stimme einfach verschlucken, wie ein schwarzes Loch, in dem jedes einzelne Wort verschwand.

Ich stand panisch auf, kletterte aus meinem Bett und merkte, wie mir sofort schwindlig wurde. Verzweifelt versuchte ich zur Tür zu gelangen, doch mein eigenes Zimmer war für mich zu einem Labyrinth geworden. Ich fand einfach keinen Ausweg und es wurde immer heißer. Flammen schlugen um mich herum in das innere des Raumes. Die Luft wurde schwerer und es fühlte sich an, als würde es auch in meinem Kopf immer stickiger werden. Meine Sinne wurden von Minute zu Minute immer trüber und ich hustete ununterbrochen. ich konnte nicht mehr richtig sehen und die Geräusche um mich herum erschienen dumpfer. Erst dann bemerkte ich diesen Geruch. Es war kein normaler Rauch, sondern Eberesche. Ich spürte intensiver als jemals zuvor, wie der für Werwölfe nun hoch giftige und tödliche Rauch meinen Rachen runter wanderte und meine Lungen verbrannte. Es fiel mir nicht nur schwer zu atmen, sondern schmerzte mehr, als zu ersticken. Es war unerträglich, und brannte in meinem ganzen Körper als würde Säure durch meine Adern fließen. Alles drehte sich und ich geriet ins stolpern. Mein Kopf schlug auf den Boden auf und für einen kurzen Moment wurde mir schwarz vor Augen. Im Augenblick darauf öffnete ich meine Augen wieder und konnte sehen wie ein dunkler Schatten auf mich zukam. Erst als sie nur noch wenige Meter von mir entfernt war, erkannte ich, dass es meine Mutter war. Sie sagte etwas, doch ihre Stimme schien so weit weg, dass ich es nicht verstand. Wieder wurde es dunkel für mich, doch das zuckende Licht der Flammen schien durch meine geschlossenen Lider hindurch. Ich spürte wie sich ihre Arme um meinen schwachen Körper legten und mich hoch hoben. Sie zog mich aus dem in Flammen stehenden Zimmer. Meine Füße schliffen kraftlos über den Boden, während sich auch mein restlicher Körper reglos von ihr tragen ließ. Ich wollte meinen Beinen befehlen sich zu bewegen, irgendetwas zu tun, doch der Befehl drang nicht durch den Schleier hindurch, der um meine Gedanken gehüllt war. Nicht mal meine Augen konnte ich wieder öffnen, obwohl mein Geist hell wach war. Meine Augenlider wurden unendlich schwer und mir fehlte die selbst Kraft sie zu bewegen. Alles was mir blieb, war der Schmerz, den die giftige Eberesche mit sich brachte.

Auch wenn ich nichts sehen konnte, spürte ich, dass es meiner Mutter immer schwerer fiel mich zu tragen und dass die Temperatur weiter anstieg. Ihr Atem ging immer schwerer und sie war ununterbrochen am Husten. Auch sie litt unter dem starken Effekt des giftigen Brennstoffes. Mein Körper rutschte ihr mehrmals fast aus den Armen, doch sie gab nicht auf und damit gab sie mir Sicherheit in einem Moment, in dem mich die Angst zerfraß. Ich wusste, dass meine Mutter mich hier raus bringen würde, egal wie.

Wir erreichten offenbar die Treppe, denn ich hörte wie die Stufen unter ihren Füßen knarrten. Ein Geräusch, das ich immer als heimisch empfunden hatte, würde mich von nun an immer an dieses Feuer erinnern.

Irgendwo, in einem anderen Teil des Hauses hörte ich Schreie, doch sie waren so verzerrt, das ich sie niemandem zu ordnen konnten. Sie schrien nicht, weil das Feuer ihre Haut versenkte, sondern weil der giftige Rauch sie von innen heraus in Brand setzte. Dann brach das halbe Dach mit einem lauten Knall zusammen und die Schreie verstummten. Meine Mutter und ich erreichten den Fuß der Treppe und sie trug mich in Schlangenlinien durch den großen Flur. Vermutlich musste sie den großen, erstickenden Flammen ausweichen, denn hinter meinen geschlossenen Lidern konnte ich gelegentlich Lichter wahrnehmen. Das Haus musste mittlerweile von dichtem, schwarzen Rauch gefüllt sein und meine Mutter konnte nicht viel mehr sehen, als ich es hinter meinen geschlossenen Augen konnte.

Creatures #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt