Ein letzter Anruf

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Ich stand vor dem Spiegel in meinem Zimmer und strich mein schwarzes Kleid straff. Mein Gesicht sah verheult und müde aus.
Jan, Mila und ich hatten gestern noch die ganze Nacht über Dani geredet und unsere Reden geprobt. Gegen 01:30, sind sie dann nach Hause gefahren und konnte nicht anders als mich in den Schlaf zu weinen.
Mit Dani, war einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben gegangen. Er hat mich geliebt! Und ich ihn, auch wenn es mir nicht glauben wollte...

"Ich liebe dich...", flüsterte ich und wischte eine Träne von meiner Wange.

"Grace?", rief Luca.

"Ich komme!", seufzte ich und schliff mich die Stufen hinunter.

Luca stand an der Treppe und lächelte mich an:"Das ist das erste Mal, dass du dein Zimmer wieder verlässt."

Ich umarmte ihn und wieder kullerten Tränen über meine Wange.

"Alles ist OK.", flüsterte Luca und strich mir über den Kopf.

"Grace, wir müssen jetzt fahren.", murmelte Micha und sah mich mitleidig an.

Ich nickte und löste mich von Luca.

"Du schaffst das!", schmunzelte Micha mir zu und hielt mir die Wohnungtür auf.

Ich schleppte mich das Treppenhaus hinunter, als würde ich auf meine eigene Hinrichtung gehen.
Nick saß bereits im Auto und wartete. Wir stiegen ein und fuhren stumm zum Friedhof.
Nick parkte und ich stieg aus.
Ich wollte nicht hier sein! Ich wollte in meinem Bett liegen, mir Bilder von Dani und mir ansehen und weinen, mehr nicht!
Wir gingen der Masse entgegen, die sich um Danis Sarg versammelt hatte.
Alle sahen sie mich an, sie wussten wer ich war. Danis Eltern standen in der Mitten und streckten ihre Arme nach mir aus.

"Schön das du da bist, Grace!", schluchzte seine Mutter.

"Ich möchte nirgendwo anders sein.", log ich und umarmte sie.

"Er hätte sich gewünscht, dass du kommst.", lächelte sein Vater.

"Ich weiß.", umarmte ich auch ihn und ging dann zu Jan und Mila, als ich sie entdeckte.

Sie saßen auf einer Bank außerhalb des Friedhofes. Ich setzte mich still zu ihnen. Mila weinte und Jan legte nachdenklich seinen Arm um sie. Das war ein grauenvolles Bild!
Das sonst so fröhliche Paar war in sich zerbrochen. Wir waren zerbrochen! Wir waren immer zu viert! Und jetzt? War waren wir denn noch ohne Dani?

Wir saßen ein paar Minuten stumm nebeneinander und hielten unsere Hände. Dann versammelten wir uns alle vor Danis Sarg. Seine Eltern stellten sich vor seinen Sarg, sagten ein paar Worte, bis seine Mutter erneut in Tränen ausbrach.

"Jan, könntest du jetzt bitte!", bat Danis Vater und Jan nickte schlicht.

Danis Eltern setzten sich wieder und Jan stellte sich nevös vor Danis Sarg.

"Ähm...Ich bin Jan. Dani war mein bester Freund, seit ich denken kann. Ich habe nie was ohne ihn gemacht...nie. Die letzten paar Wochen, habe ich zum ersten Mal ohne meinen besten Freund gelebt ind es war als würde mir die Luft zum atmen fehlen. Dani war mein Bruder! Ich werde ihn niemals vergessen. Jedes Mal wenn ich an meine Kindheit, meine Schule, meine Familie, mein Leben denke, werde ich an Dani denken. Ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen!", murmelte er mit gesenktem Kopf und Tränen kullerten über seine Wange.

"Dani war der freudigste, liebenswerteste, lustigste und beste Mensch den ich kannte! Sein Verlust war ein Verlust für die Menschheit! Man hätte so viel von ihm lernen können.", beendete er seine Rede und setzte sich wieder neben uns.

Mila nahm seine Hand und nickte ihm zustimmend zu.

"Grace?", bat Danis Vater nun mich.

Ich schluckte und stand schweren Herzens auf. Ich sah auf das Grab und ging ängstlich darauf zu. Er lag so ruhig und still, wie man ihn sonst nie erlebt hätte. Ich begann zu zittern und strich mit meinen Fingern über sein präpariertes Gesicht.

"Grace, alles OK?", fragte sein Vater.

Ich nickte und drehte mich langsam um. Alle starrten sie mich an! Sie erwarteten das ich nur gutes über ihn sagte, aber das konnte ich nicht, denn er war dumm zu glauben, dass ich ihn nicht lieben würde! Er war vielleicht der beste Mensch, aber gleichzeitig auch der Dümmste!

"Dani...er hat uns allen sehr weh getan! Er war ein guter Mensch, aber das er uns verlassen hat, werde ich ihm nie verzeihen!", begann ich und Tränen füllten meine Augen.

"Dani und ich, wir waren mehr als nur beste Freunde. Ich habe ihn geliebt! Wir waren eine lange Zeit zusammen und ich habe viele Seiten von ihm kennengelernt. Nicht nur gute!", schmunzelte ich.

"Er war ein sehr eifersüchtiger Mensch, da es niemand anderen gab, der so lieben konnte wie er! Er hat dich mit ganzem Herzen geliebt und hätte alles menschnemöglische für dich getan, ohne an sich selbst zu denken. Dani war immer für mich da, doch jetzt wo er es nicht mehr ist... brauche ich ihn mehr als je zuvor.", gab ich schluchzend zu.

Mila sah mich berührt an. Danis Eltern ebenfalls. Allgemein sahen alle mich mitleidig an, aber ich wollte kein Mitleid! Ich sah durch die weinenden Reihen, als mir plötzlich jemand auffiel. Da stand jemand in der letzten Reihe, mit Anzug und lächelte mich stolz an. Es war Ben... Meine Augen weiteten sich und ich begann noch mehr zu zittern.

"Mila!", schrie es in meinen Gedanken.

"Bleib ruhig! Es geht hier um Dani!", ermahnte ich mich und schloss kurz die Augen.

"Dani war jemand der wollte das du glücklich bist! Er war furchtbar schlecht darin an sich selbst zu denken. Vielleicht ist das der Grund, warum er nicht mehr bei uns ist...", schluckte ich und starrte Ben an.

Plötzlich fühlte ich mich wieder sicher.

"Ich kann mir ein Leben ohne Dani nicht vorstellen und das kann wahrscheinlich keiner hier! Aber Dani hätte nicht gewollt, dass wir um ihn trauern. Er hätte gewollt, dass wir unser Leben genießen, so wie er es getan hat!", beendete ich meine Rede und setzte mich wieder neben Mila.

Sie lächelte mich an, doch ich sah sie ermahnend an.

"Was macht Ben hier?", zischte ich sie an.

"Dani hätte das gewollt!", nahm sie dramatisch meine Hand.

Hätte er das wirklich? Ich war mir einfach nicht sicher! Ich wollte mit ihm reden! Ein letztes Mal!
Ich stand auf und lief an den Leuten vorbei, auf den hinterem Teil des Friedhofes wo mich niemand sehen konnte. Ich stellte mich unter einen Baum und zog mein Handy aus meiner Tasche.
Zitternd wählte ich Danis Nummer ein und wartete das Tuten ab. Mit jeder Sekunde erhoffte ich mehr seine Stimme ein letztes Mal zu hören.

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