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Als ich meine Bürotür öffne sehe ich Zayn am Gang stehen. Er trägt ein schwarz-rotes Sweatshirt, dunkle Jeans und Sneakers. Sein Gesicht ist noch nicht verheilt, aber die blauen Flecken sind schon ein wenig heller geworden.

„Hey, tut mir leid dass ich hier einfach so auftauche", sagt er.

„Stimmt etwas nicht?", frage ich ihn und gehe zurück zu meinem Tisch.

Beschämt steht er im Türrahmen bevor er mir hineinfolgt.

„Nein. Nun ja, doch, ich versuche dich schon seit gestern zu erreichen aber du hast auf keine meiner Nachrichten geantwortet."

„Ich weiß, Harry und ich haben nur gerade genug Probleme, da muss ich nicht noch absichtlich welche verursachen, und er will nicht, dass ich mit dir spreche."

„Du lässt dir jetzt schon von ihm sagen mit wem du sprechen darfst?" Zayn setzt sich in den Stuhl der direkt vor meinem Tisch steht. Ich setze mich auf meinen Stuhl hinter meinem Tisch und sehe aus dem Fenster bevor ich antworte.

Die Art wie wir sitzen lässt das alles offizieller, ernster wirken. Es ist mir nicht unangenehm, aber irgendwie zu formal.

„Nein, so ist es nicht. Ich weiß er übertreibt ein bisschen, und er sagt manche Dinge einfach falsch, aber ich kann es ihm nicht übel nehmen das er nicht möchte, dass wir beide weiterhin befreundet sind. Ich würde auch nicht wollen das er Zeit mit jemandem verbringt für den er Gefühle hat", sage ich und Zayn reißt seine Augen auf.

„Was hast du gerade gesagt?"

Verdammt.

„Nichts, ich meine nur.."

„Du hast Gefühle für mich?", fragt er und seine Augen beginnen zu leuchten.

„Nein, naja, früher. Keine Ahnung", stottere ich. Innerlich schlage ich mich gerade selbst.

„Es ist okay wenn du keine Gefühle für mich hast, aber du solltest deswegen nicht lügen."

„Ich lüge nicht, ich hatte Gefühle für dich. Ehrlich gesagt habe ich sie vielleicht immer noch, ich weiß es nicht. Das verwirrt mich alles. Du sagst immer das richtige und du bist immer für mich da gewesen, es würde Sinn ergeben wenn ich da diese Gefühle entwickle. Ich habe dir schon mal gesagt das du mir wichtig bist, aber wir beide sind ein Hoffnungsloser Fall."

„Und warum?", fragt er. Ich weiß nicht wie oft ich ihn noch zurückweisen muss bis er es endlich mal versteht.

„Weil es Sinnlos ist, ich werde nie mit dir zusammen sein können. Oder mit jemand anderem. Mit niemandem außer ihm."

„Das sagst du nur weil er dich gefangen hält."

Ich versuche die Wut hinunterzuschlucken die sich durch Zayns Worte gebildet hat. Er hat ganz klar das Recht ihn zu Hassen aber ich mag es nicht, dass er davon ausgeht, dass ich in meiner Beziehung nichts zu sagen habe.

„Nein, ich sage dass weil ich ihn liebe, und auch wenn ich dir das jetzt nicht sagen will, weiß ich dass ich es trotzdem tun muss. Ich will dich nicht noch mehr in die Irre führen als ich es schon getan habe, ich weiß, du verstehst nicht warum ich trotz all dem Chaos immer noch bei ihm bleibe, aber ich liebe ihn so sehr, mehr als alles andere, und er hält mich nichtgefangen, ich bin freiwillig bei ihm."

Und das ist die Wahrheit. Alles was ich gerade zu Zayn gesagt habe stimmt. Egal ob Harry mit mir nach Seattle kommt oder nicht, wir können versuchen das zu schaffen. Wir können Skype verwenden und uns an den Wochenenden sehen bis er nach England geht. Bis dahin werden wir hoffentlich überhaupt nicht voneinander getrennt sein.

Vielleicht ist eine örtliche Trennung der Schlüssel ihn dazu zu bringen mit mir mitzukommen. Unsere Geschichte beweist, dass wir nicht gut darin sind voneinander getrennt zu sein. Irgendwie enden wir immer zusammen. Es ist schwer an eine Nacht zu denken in der ich nicht neben diesem Mann gelegen bin. Manchmal versuche ich mir mein Leben ohne ihn vorzustellen, aber das ist unmöglich.

„Ich denke nicht, dass er dir die Möglichkeit gibt wirklich darüber nachzudenken was du willst, oder was gut für dich ist. Er ist die einzige Person die ihm wichtig ist", seine Stimme bricht.

„Nein, das stimmt nicht. Ich weiß ihr zwei habt eure Probleme aber.."

„Nein, du weißt nichts über unsere Probleme", sagt er." Wenn du das wissen würdest.."

„Er liebt mich und ich liebe ihn, tut mir leid dass du da mit reingezogen wurdest. Es tut mir sehr leid, ich wollte dir nie wehtun", unterbreche ich ihn.

„Das sagst du mir immer wieder, aber trotzdem passiert es immer wieder." Er runzelt die Stirn.

Ich hasse Konfrontationen mehr als alles andere überhaupt wenn ich dabei jemanden verletzen muss der mir wichtig ist, aber diese Ding müssen gesagt werden und Zayn und ich müssen dieses Buch über diese..Situation um uns schließen. Ich weiß nicht mal wie ich das bezeichnen soll.

„Das war nicht meine Absicht, tut mir leid."

„Du musst dich nicht immer wieder entschuldigen, das wusste ich schon als ich beschlossen habe herzukommen. Du hast mir ziemlich klar gesagt was du fühlst als wir vor dem Verwaltungsgebäude gestanden sind."

„Warum bist du dann gekommen?", frage ich sanft.

„Um mit dir zu sprechen." Er sieht sich im Raum um und sieht mich dann wieder an. „Egal, ich weiß wirklich nicht warum ich hergekommen bin", seufzt er.

„Bist du dir sicher? Vor ein paar Minuten warst du noch ziemlich entschlossen."

„Nein, ist es sinnlos, wie du gesagt hast. Tut mir leid dass ich hergekommen bin."

„Schon okay, du musst dich nicht entschuldigen", sage ich zu ihm.

Wir sagen das immer wieder.

„Du gehst also immer noch?" Er zeigt auf die Kartons am Boden.

„Ja, ich bin fast startklar."

„Oh."

Die Luft zwischen uns ist unglaublich dick und keiner von uns beiden scheint zu wissen was er sagen soll. Er starrt aus dem Fenster den grauen Himmel an und ich starre auf den Teppich.

„Ich gehe lieber. Tut mir leid, dass ich hergekommen bin. Viel Glück in Seattle Tessa." Er klingt so traurig das ich ihn fast nicht verstehe.

„Mir tut alles leid. Ich wünschte einiges wäre anders abgelaufen."

„Ich auch. Mehr als du", sagt er und steht auf.

Sein Schmerz tut auch mir weh. Er ist immer so lieb zu mir gewesen und was habe ich getan? Ich habe ihn ausgenutzt und ihn zurück gewiesen.

„Hast du dich entschieden ob du Harry anzeigst oder nicht?" Das ist nicht der richtige Zeitpunkt um das zu fragen, aber ich denke nicht, dass ich ihn je wieder sehen oder von ihm hören werde.

„Ja, ich werde keine Anzeige erstatten. Ich habe das ganze einfach nur satt. Es hat keinen Sinn das noch weiter auszufechten und außerdem habe ich dir gesagt, ich würde keine Anzeige erstatten wenn du mir sagen würdest, dass du mich nicht mehr sehen willst, oder?"

„Ja", antworte ich leise.

Ich fühle mich wie Estella in "Große Erwartungen. Ich spiele mit Zayns Gefühlen. Mein eigener Pip steht vor mir, seine karamell-braunen Augen auf mich gerichtet.

„Mir tut das alles ehrlich leid. Ich wünschte wir könnten Freunde sein", sage ich.

„Ich auch, aber du darfst keine Freunde haben", seufzt er und fährt mit seinen Fingern über seine Oberlippe und drückt sie in der Mitte zusammen.

Ich beschließe dazu nichts zu sagen. Hier geht es nicht darum was ich machen "darf". Aber ich mache mir eine unsichtbare Notiz um mich daran zu erinnern, dass ich mit Harry darüber rede und sicher gehe, dass er das nicht so sieht wie Zayn.

„Wie läuft es mit Rebecca? Hast du sie auf Noah angesprochen?" Ich weiß es geht mich nichts an, aber irgendwie halt schon. Noah war eine sehr lange Zeit ein Teil meines Lebens. Wenn ich der Meinung wäre, dass er ans Handy gehen würde wenn ich ihn anrufe, dann würde ich ihn selbst fragen.

„Ja, das ist vorbei."

„Also war sie die ganze Zeit auch mit Noah zusammen?" Ich wusste gleich, dass ich sie nicht mochte.

„Ja, naja, ich kenne seinen Namen nicht, aber sie hat einen Freund aus ihrer alten Schule."

„Sind sie immer noch zusammen?"

„Ich glaube schon, ich weiß es nicht wirklich, es geht mich ja auch nichts an. Steph hätte mich warnen können als sie mir Rebecca vorgestellt hat, aber ich denke das ist einfach mein Glück. Natürlich kann ich nicht einmal ein Mädchen kennenlernen das nicht schon jemand anderen liebt."

Ich will mich bei ihm entschuldigen, aber ich weiß, dass ihn das nur kränken würde.

Das Telefon auf meinem Tisch läutet und unterbricht die Stille zwischen Zayn und mir. Ich deute ihm kurz zu warten und hebe ab.

„Tessa", ertönt Harrys Stimme.

Scheiße.

„Hey." Meine Stimme zittert.

"Geht's dir gut?"

„Ja, mir geht's gut."

„So hörst du dich aber nicht an", stellt er meine Antwort in Frage.

Wieso kennt er mich nur so gut?

„Mir geht's wirklich gut", versichere ich ihm.

„Klar. Ich muss wissen was ich mit deinem Dad machen soll? Ich habe dir ja auch geschrieben aber du hast mir nicht geantwortet. Ich habe Dinge zu tun und ich wusste nicht ob ich ihn hier im Apartment lassen soll, oder ihn zu dir bringen soll oder keine Ahnung."

Ich sehe zu Zayn der jetzt am Fenster steht. Er sieht mich nicht an.

„Ich weiß es nicht, kann er nicht mit dir mitkommen?" Mein Herz rast.

„Nein, zur Hölle, Nein."

„Warum nicht? Ich dachte ihr versteht euch?"

„Tun wir, denke ich, aber er kann nicht mit mir mitkommen."

„Dann lass ihn im Apartment." Ich will diese Unterhaltung beenden.

Ich werde Harry von Zayns Besucht erzählen aber ich kann mir nicht vorstellen wie er ausrasten würde wenn er wüsste, dass er jetzt gerade hier ist, und ich möchte es auch nicht wirklich herausfinden.

„Gut, dann hast du ihn an der Backe wenn du heim kommst."

„Okay, wir sehen uns dann zu Hause. Wo fährst du überhaupt hin?"

„Muss ein paar Sachen für die Arbeit erledigen. Ich muss zur Post und zu Staples", erklärt er.

„Okay, gut.."

Musik ertönt in meinem Büro und ich brauche einen Moment bis ich realisiere, dass sie von Zayn kommt. Er greift in seine Hosentasche und schaltet den Ton ab, aber Harry bemerkt es natürlich.

„Was war das? Wessen Handy war das?" Mein Blut gefriert für einen Moment und ich muss nachdenken.

Ich sollte nicht so große Angst haben das Harry herausfindet das Zayn hier ist. Ich habe nichts falsch gemacht, er ist hergekommen und er geht wieder. Ich bin schon ein bisschen irritiert weil ich Harry gesagt habe, dass Trevor hier war. Trevor ist ein Arbeitskollege und er kann so oft er will in mein Büro kommen.

„Ist fucking Trevor immer noch bei dir?"

„Nein, es ist nicht Trevor", antworte ich wahrheitsgemäß.

„Aber es ist jemand bei dir?"

„Ja, Zayn ist hier." Ich halte den Atem an.

Am anderen Ende ist es still und ich sehe auf den kleinen Bildschirm um nachzusehen, ob ich immer noch mit ihm verbunden bin.

„Harry?"

„Ja", atmet er schwer.

„Hast du mich gehört?"

„Ja Tessa, ich habe dich gehört."

Okay? Wieso schreit er dann noch nicht durchs Telefon und droht ihn umzubringen?

„Reden wir später darüber. Sag ihm er soll gehen. Bitte", schlägt er ruhig vor.

Was?

„Okay.."

„Danke. Wir sehen uns zu Hause", sagt Harry und legt auf.

„Tut mir leid, ich weiß dass er dich anschreien wird."

„Nein, wird er nicht. Ist schon okay", sage ich. Ich weiß, dass das nicht stimmt aber egal.

Harrys Reaktion drauf, dass Zayn hier ist hat mich ein bisschen überrumpelt. Ich hätte nie gedacht, dass er so ruhig bleiben würde. Ich hätte eher erwartet dass er mir sagt das er schon auf dem Weg hier her ist. Ich hoffe immer noch dass er es nicht ist.

„Okay, naja, ich denke ich sollte gehen." Er geht wieder auf die Türe zu.

„Naja, danke fürs vorbeikommen. Wahrscheinlich werden wir uns nicht mehr sehen bevor ich weggehe."

Gefühle erscheinen in seinem Blick aber sie verschwinden wieder bevor ich eruieren konnte was für Gefühle das waren.

„Ich würde nicht sagen, dass dein Auftauchen mir das Leben leicht gemacht hat, aber ich würde nichts rückgängig machen. Ich würde nochmal durch all diese Scheiße gehen, durch jeden Streit mit Harry..all die Freunde die ich verloren habe würde ich wieder verlieren. Für dich würde ich das alles noch einmal durchmachen", sagt er.

Seine Worte berühren mich immer. Er ist die ganze Zeit so ehrlich, genau das bewundere ich an ihm.

„Ich weiß." Ich sehe ihn an und stehe auf.

„Bye Tessa", sagt er. In seinen Worten steckt viel mehr als nur ein Freundschaftlicher Abschied, aber ich kann gerade nicht darüber nachdenken.

Wenn ich jetzt etwas Falsches sage, oder wenn ich überhaupt etwas sage, dann wickle ich ihn wieder um meinen Finger.

„Bye Zayn", lächle ich halb und er kommt auf mich zu.

Für einen Moment bekomme ich Panik weil ich denke er will mich küssen, aber er tut es nicht. Er schlingt seine Arme um mich und umarmt mich fest aber sanft gleichzeitig. Danach lässt er mich los und küsst mich kurz auf die Stirn. Sofort geht er wieder weg und nimmt die Türschnalle in die Hand.

„Pass auf dich auf, okay?", sagt er und öffnet die Türe.

„Werde ich, Seattle ist nicht so schlimm", lächle ich. Ich fühle mich gerade sehr erlöst, so als hätte ich ihm den Schlussstrich geben den er gebraucht hat.

„Ich spreche nicht von Seattle." Er runzelt die Stirn und verlässt mein Büro.  

AFTER loveWhere stories live. Discover now