Mira schleppte sich die letzten Meter bis zum Geräteraum und versuchte ihre protestierenden Muskeln zu ignorieren. Ein halbes dutzend Schaumstoffpomes unter dem einen Arm und zwei viel zu schwere Ballsäcke über der anderen Schulter waren eindeutig zu viel des Guten. Sie nahm sich fest vor das nächste Mal einfach zweimal zu laufen, war sich jedoch bewusst, dass sie das nie machen würde. Wenige Minuten später war alles in dem viel zu kleinen Raum verstaut.
Auf dem Rückweg über die Tribüne hatte die 1. Herren bereits mit dem Training begonnen. Jetzt in der Winterpause verschwendete niemand Zeit, um bis zum Start der Rückrunde in zwei Wochen etwaige Problem zu beheben und die Bewegungsabläufe noch präziser abzustimmen.
Nach dem Treppenabstieg über die engere Hintertreppe lag nur noch der Gang mit den Umkleiden zwischen ihr, ihrer Tasche und einem gemütlichen Abend auf dem Sofa, bis sie morgen wieder viel zu früh aufstehen und zur Schule musste. In anbetracht des sehr langen Schultages morgen überlegte sie ernsthaft ob es nicht besser wäre früh ins Bett zu gehen. Mit sich selber diskutierend schlenderte sie den dämmrig erleuchteten Gang entlang. Eine offene Kabine, in der noch Licht brannte, ließ sie stutzen. Offenbar hatten die Spieler der 1. Herren es nach dem Verlassen nicht ausgeschaltet.
"Männer!", dachte sich Mira und erbarmte sich das Licht auszuschalten. Erst, als sie die Kabine betrat bemerkte sie, dass diese offenbar doch noch nicht ganz verwaist war. In der von der Tür am weitesten entfernten Ecke saß noch jemand vornüber gebeugt auf der Bank. Sie wollte sich schon unauffällig wieder zurückziehen, schließlich hatte sie hier eigentlich nichts mehr zu suchen, als sie ein unterdrücktes Schluchzen aus der Ecke vernahm. Sie blieb wie angewurzelt stehen, als ihr im selben Augenblick bewusst wurde, wer da überhaupt saß. Die blonden Haare waren ihm nach vorne ins Gesicht gefallen und durch die Haltung war die Körpergröße quasi unmöglich abzuschätzen und doch war sie sich sicher.
"Sam?", fragte sie zögerlich quer durch den Raum. Die Person in der Ecke richtete sich ruckartig auf und blickte aus geröteten Augen zu Mira hinüber. Mira verfluchte sich selbst für ihre Neugier und trat aus dem Halbschatten der Tür einen Schritt in die Kabine. Nach wenigen Sekunden erkannte Sam sie und stand rasch von der Bank auf und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht.
"Oh, hey Mira", erwiderte er mit leicht belegter Stimme und räusperte sich. "Ähm, was machst du denn hier, du hast doch erst morgen Training, oder?" Er wich ihrem Blick aus und fühlte sich eindeutig nicht wohl in seiner Haut. Mira bereute nun endgültig nicht einfach weiter gegangen zu sein.
"Ja, da hast du Recht. Ich helfe Sonja mit der C Jugend und hab bis vorhin noch aufgeräumt.
Alles in Ordnung bei dir?", fragte sie vorsichtig.
"Bei mir? Ja klar, alles bestens. Ich muss dann auch zum Training. Man sieht sich." Er schnappte sich seine Tasche vom Boden und rauschte an ihr vorbei aus der Kabine.
"Bis morgen", antwortete Mira automatisch, besann sich dann jedoch noch anders. "Sam?!", rief sie ihm hinterher, als er schon fast am Durchgang zur Halle angekommen war. Er blieb stehen und drehte sich halb zu ihr um.
"Ja?"
"Wenn du mal reden willst sag bescheid, ja?", bot sie an. Er nickte nur und floh endgültig in die Halle. Mira blieb noch einige Augenblicke neben der nun leeren Kabine stehen. Warum genau sie das gesagt hatte konnte sie selbst nicht sagen, aber ihn so alleine zu sehen hatte sie nicht ausgehalten. Noch über Sam grübelnd lief sie nun zielstrebig auf das Licht im Vorraum zu. Sie sammelte ihre Tasche ein und war im Grunde schon auf dem Weg zum Ausgang, als ein lauter Knall begleitet von einem Brüllen ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sofort schrillten bei Mira alle Alarmglocken.
Die Geräusche kamen aus der Kabine, die dem Ausgang am nächsten war; der Stammkabine der C Jugend, die ja bis vor einer viertel Stunde auch noch Training gehabt hatten. War am Ende eine der Spielerinnen ausgerutscht, gefallen und hatte sich an den Bänken verletzt und brauchte nun ihre Hilfe? Obwohl Mira das Gefühl hatte sich heute schon genug eingemischt zu haben zögerte sie keine Sekunde, schmiss ihre Tasche wieder auf den Boden und lief zurück zu den Umkleiden. Ohne zu klopfen stürmte sie in die Kabine.
Der Anblick, der sich ihr bot, war einmalig.
In der Mitte der Kabine stand einer der Neuverpflichtungen der 1. Herren zu voller Größe aufgerichtet und starrte mit einem angsteinflößend grimmigen Gesicht die gegenüberliegende Wand an, an deren Fuß sich die Überreste einer einstmals gefüllten Wasserflasche befanden. Offenbar hatte Phillip, so der Name des Flaschenmörders, diese mit aller Kraft gegen die Wand geschleudert und versuchte nun mit seinem Blick die kläglichen Überreste in den Mülleimer zu ängstigen.
Er schien Miras Anwesenheit nicht zu bemerken oder schlicht zu ignorieren. Noch immer stand er dort, starrte auf die Wand und bewegte die Lippen, als würde er ein Gedicht lautlos und in einem irren Tempo aufsagen. Nicht einmal zwei Sekunden nach ihrem Eintreffen gab es die zweite Überraschung. Phillip drehte sich zu Mira um, jetzt wieder vollkommen entspannt und mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen.
"Alles in Ordnung, nichts passiert", sagte er mehr zu sich selbst, als zu Mira, bückte sich und warf die Reste der Flasche zielgenau in den einige Meter entfernten Mülleimer.
"Brauchst du Hilfe?", fragte Mira angesichts der enormen Pfütze.
"Nein, danke, aber ich schaffe das schon", antwortete Phillip seelenruhig. Mira verlies die Kabine und schloss leise die Tür, nicht ganz sicher, was da eben passiert war. Allerdings war sie überzeugt, dass sie es eigentlich gar nicht wissen wollte.
"Alles in Ordnung da hinten?", brüllte der Trainer der Herren, der den Krach offenbar ebenfalls vernommen hatte.
"Ja, nichts passiert", wiederholte Mira automatisch Phillips Worte. Brummend zog sich Henning wieder in die Halle zurück.
Endlich sammelte Mira ihre Tasche ein, verließ die Halle und machte sich auf den Weg zu ihrem Auto. Als sie an der Fensterfront der Sporthalle vorbeilief hörte sie Henning brüllen.
"Verdammt, Samed! Konzentrier dich endlich. Was ist den heute los mit dir?!" Sam stand mit hängendem Kopf im Tor und hörte sich ohne Regung die Predigt seines Trainers an. Mira startete den Motor und war sich ziemlich sicher, dass irgendetwas vorgefallen war, allerdings hatte sie absolut keine Ahnung, was genau.
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Heyho!
Willkommen zu 'fate is a bitch', meinem wohl bisher größten Projekt, das mir schon seit einiger Zeit regelmäßig den Schlaf raubt.
Regelmäßigen Upload kann ich leider nicht versprechen, es existiert zwar schon ein nicht kleiner Teil der Geschichte, allerdings hat sich die Schreibblockade als Dauermieter bei mir eingenistet und so geht es meistens etwas schleppend voran.
Ich hoffe euch hat der Prolog gefallen.
Man liest sich!
Brax
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Fate is a bitch
RomanceSam ist 19, Handballer, macht gerade sein Abitur und stemmt mehr schlecht, als recht sein stressiges Leben. Bis ein neuer Mitspieler seine hart erarbeitete Normalität völlig auf den Kopf stellt. Eine Geschichte, die das Leben schreibt, über Freund...