Kapitel 7

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Wolf öffnete geschickt eine Flasche und reichte sie dann an Sam weiter.

"Danke. Mensch, was für ein Abend", seufzte Sam. Wolf öffnete eine weitere Bierflasche nahm einen Schluck von seinem Getränk und hob fragend eine Augenbraue.

"Was mich mal interessieren würde: Warum hast du gelogen?", frage Wolf ganz direkt, mit leicht schiefgelegtem Kopf und einem neugierigen Funkeln in den Augen. Sam kannte diesen Blick. Wolf würde nicht aufhören ihn auszuquetschen, bevor er nicht alles wusste. Und mit allem war tatsächlich alles gemeint. Jedes schmutzige Detail, jede Kleinigkeit. Sam schluckte. Verdammt! Wolf war tatsächlich der einzige Mensch, den Sam kannte, der seinen Mitmenschen gerne mit sowas auf die Nerven ging.

"Glaub mir, ich habe heute Abend schon so quasi alles gemacht, außer gelogen", meinte er ernst und hoffte Wolf würde nicht weiter fragen. Sam hatte keine Lust auf ein ernstes Gespräch. Wolf schnaubte verärgert.

"Alter, Sam. Wie lange kennen wir uns jetzt?! Drei Jahre?" Sam nickte schweigend. "Also weist du ganz genau, dass ich Lügen riechen kann. Dementsprechend hör auf mit deinen Ausreden und red Tacheles mit mir. Das war keine Wette. Und das geb' ich dir schriftlich, wenn's sein muss. Also: Was ist passiert?", frage Wolf mit Nachdruck. Sam sah zu ihm hinüber.

"Schon mal dran gedacht, dass ich nicht drüber reden will?", fragte er leise. Wolf ließ sich nicht beirren.

"Du siehst so aus, als solltest du mal drüber reden....", meinte er ebenso leise und eindringlich.

"Da kommt der Hobbypsychologe wieder raus. Lass mich in Frieden trinken, Wolf, ich will nicht reden", beharrte Sam eisern und wandte sich ab.

"Deine Entscheidung, Bruder", hörte er Wolf noch murmeln, als er bereits entschiedenen Schrittes nach draußen eilte.

Der kleine Vorfall mit Wolf hatte seine gute Laune verschwinden lassen. Mürrisch stellte er sich wieder an einen der vier Feuerkörbe, die auf dem Rasen verteilt standen, aber auch die Wärme des Feuers konnte seine Laune nur geringfügig bessern. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn er einfach Zuhause geblieben wäre.

Er verlor sich ein wenig in seinen Gedanken und in den tanzenden Flammen.

Erst, als der Lärm und die Musik, die von dem Gartenhaus herüberwehten an Lautstärke nochmals zunahmen blickte er wieder auf. Und schmunzelte, als er das Lied erkannte, dass gerade gespielt wurde. Miras Mannschaft hatte 'Ein hoch auf uns' von Andreas Bourani zu ihrer Hymne gemacht und da ein Großteil der Mannschaft offenbar anwesend war wurde der Song natürlich von einem mehrstimmigen schiefen Chor lauthals mitgegrölt.

"Sam! Steh da nicht so einsam rum, hilf mir lieber", rief ihm Maik vom Haus her zu.

Sam stellte die leere Bierflasche auf dem Boden ab und marschierter zu ihm hinüber.

Maik drückte ihm ohne viel Federlesen zwei neue Kisten Bier in die Arme und nahm selbst eine dritte mit.

"Hauptsache selbst nur die Hälfte schleppen", murrte er. Maik lächelte.

"Ach was, du bist Sportler, du kannst das ab."

"Und zu nüchtern für den Kram hier." Sam öffnete eine neue Flasche Bier, stieß mit Maik an und leerte sie in drei großen Zügen.

"Was is los?", fragte Maik stirnrunzelnd.

"Nichts. Ich hätte nicht kommen sollen."

"Nenenenene, nix. Du bist hier und du bleibst. Komm, wir zwei killen jetzt ne Flasche Vodka und anschließend stell ich dir Amelie vor. Du hast grade gesagt, du bist zu nüchtern. Dann ändern wir das jetzt", legte Maik direkt sein Veto ein. Sam hatte nichts einzuwenden.

"Wer ist Amelie?", wollte er stattdessen halbherzig interessiert wissen.

"Das erzähl ich dir, wenn diese Gläser leer sind", erwiderte Maik unbarmherzig und deutete auf die ein dutzend gefüllten Schnapsgläser zwischen ihnen auf dem Tisch.

"Na dann Prost!" Vodka pur gehörte nicht unbedingt zu Sams bevorzugten Getränken. Nach dem vierten Vodka-Shot hatte Maik ein Einsehen, auch weil er Vodka nicht sonderlich mochte, und in Verbindung mit Energy schmeckte das Zeug sogar fast.

Die Flasche war schnell geleert und der Alkohol bewirkte eine wohlige Wärme in Sam. Seine schlechte Laune war verflogen und er lachte heiter über die Anekdoten, die Maik zum Besten gab.

"Ach, sieh mal, da kommt ja die Gute!", unterbrach Maik plötzlich eine Geschichte aus seinem letzten Sommerurlaub. "Hey, Amelie! Komm mal ran hier!" Er winkte einer hochgewachsenen, dunkelhaarigen Gestalt, die gerade aus dem Gartenhaus kam.

Als sie näher kam erkannte Sam die junge Frau und brach in schallendes Gelächter aus.

Ein Lächeln umspielte auch Amelies Lippen, als sie zu ihnen an den Tisch getreten war.

"So sieht man sich wieder", schmunzelte sie.

"Ihr kennt euch schon?", fragte Maik verwundert, der von einem zum anderen blickte.

"Wir hatten heute eine sehr angeregte Unterhaltung über den Unterschied von Orangensaftkonzentrat, -direktsaft und -ähm."

"-Nektar", half Sam ihr auf die Sprünge.

"Genau Orangennektar, danke", schloss Amelie. Maik blickte nicht minder verwirrt drein und Sam beschloss ihm aus der Patsche zu helfen.

"Amelie hat heute Nachmittag bei mir im Getränkemarkt eingekauft", erklärte er.

"Und ich wurde ganz wunderbar beraten", ergänzte sie und lächelte Sam an.

"So macht das keinen Spaß", beschwerte sich Maik. "Da will ich einmal jemand neues vorstellen und ihr kennt euch schon. Spielverderber," schmollte er.

"Ach, komm, Maik. Stell dich nicht so an."

"Nö, jetzt bin ich beleidigt. Bleibt ihr mal bei eurem Orangensaft, ich such mir neue Freunde." Maik erhob sich dramatisch von der Bank und stolzierte schwankend davon.

"Dieser Idiot", kicherte Sam.

"Ja, Familie kann man sich leider nicht aussuchen", fügte Amelie bedauernd, aber lachend hinzu.

"Ihr seid verwandt?", fragte Sam erstaunt.

"Er ist mein Cousin."

"Oh, cool. Wie kommt's, dass du hier bist? Ich hab dich hier noch nie gesehen", wollte Sam interessiert wissen.

"Ich bin auch nur für ein paar Tage zu Besuch. Meine Eltern lassen sich gerade scheiden und da ich nicht wirklich Lust auf ihren Rosenkrieg habe bin ich grade hier. Ich bin direkt nach meiner letzten Abiklausur losgefahren."

"Shit, mein Beileid. Meine Eltern haben sich getrennt, da war ich kaum drei Jahre alt. Ich erinnere mich daher nicht mehr an viel, aber als es dann mit meinem Stiefvater in die Brüche ging war bei uns Zuhause auch die Hölle los."

"Yeah, noch ein Scheidungskind. Hast du Geschwister?"

"Ja, eine kleine Schwester und einen großen Bruder. Liv ist neun und wohnt mit mir und meiner Mutter in Heinrichswalde und Robin ist 22 und lebt in Berlin." Amelie pfiff anerkennend.

"Berlin, nicht schlecht. Ich würde gerne nach Berlin. Ich komm aus einem Dorf bei Hannover und ich kann die ganze Dorfscheiße nicht mehr sehen. Dagegen fühlt sich Volven schon an wie eine Großstadt. Am liebsten würde ich Psychologie studieren. Aber krieg da mal einen Platz. Meine Abiturnoten habe ich noch nicht, aber den NC schaffe ich niemals." Sam lauschte Amelie, die ihm detailliert berichtete, wie sie es trotz bescheidener Noten noch zum Psychologiestudium schaffen wollte und was sie sich in Berlin für ein Leben erhoffte. Die Zeit flog ohne sein Wissen an ihnen vorbei.


Fate is a bitchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt