Kapitel 9

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*Melinas Sicht*
Meine Gedanken kreisten seit Stunden immer wieder um die selben Fragen.
Antworten fand ich keine.
Viele Möglichkeiten hatte ich abgeschätzt. Keine schien so wirklich überzeugend. Vielleicht gab es ja einfach Situation, bei denen es keine schöne Lösung gab. Vielleicht musste ich einfach meine Zähne zusammenbeißen und die Normalität leben. Einfach abwarten, wie Shirin sich verhalten würde. Oder ich nahm es selbst in die Hand und verhielt mich, wie ich mich verhalten wollte. Dann könnte sie auf mein Verhalten reagieren. Oder wir reagierten beide nicht.
"Das ist doch bescheuert" flüsterte ich mir selbst zu und erhob mich schwerfällig.
Es schien, als würden die jüngsten Ereignisse wie Ziegelsteine auf meinen Schultern liegen.
Müde ging ich in Richtung Tür.
Draußen tobte ein Gewitter. Wie in diesen Hollywood Filmen. Wenn es den Haupcharakteren schlecht ging, wurde auch das Wetter grau, kalt und nass.
Ich müsste eigentlich einfach nach Italien fahren. Da schien die Sonne.
Vielleicht würde diese dann auch in meinem Leben wieder scheinen.
"Warum so poetisch?" Fragte mich mich selbst still schmunzelnd und schloss die Studiotür.
Ich wollte zu Shirin.
Ich hasste es, wenn Dinge ungeklärt blieben.
Ich hasste es, wenn Unruhe in mir herrschte. Ich wollte Problemen nicht aus dem Weg gehen.

Ich wollte Shirin.

Der Regen prasselte auf mich ein und trotz warmer Jacke, macht sich die Kälte in mir breit. Dämliches Herbstwetter.

Einige Minuten später erreichte ich durchnässt die Wohnung von mir und Shirin.
Einen gruseligen Augenblick überlegte ich ernsthaft, ob ich klingeln soll.
Was für ein Blödsinn.
Ich wohnte schließlich da.
Ich musste mich nicht ankündigen.
Ich musste Shirin keine Zeit geben, um sich auf unser Zusammentreffen vorzubereiten.
Wahrscheinlich hätten selbst 100 Jahre nicht gereicht, um sich auf etwas vorzubereiten, was man nicht in Worte fassen kann.

*Shirins Sicht*
Dagi war gegangen, nachdem wir still unseren Tee getrunken hatten. Dieses Schwiegen hatte gut getan. Es war ein perfekter Kontrast zu dem Chaos in meinem Herzen. Dagi hatte immer so etwas ruhiges und gelassenes an sich. Auch damals, bei der Trennung von ihr und Timo, hatte man ihr diese Unruhe nie angemerkt. Sie stand irgendwie immer mit einem Zeh fest auf dem Boden, während meine Füße diesen wahrscheinlich längst aus den Augen verloren hatten.
Und Melina? Die flog wahrscheinlich irgendwo durchs Universum und das mit ihrer Flugangst.
Dieser Kuss hatte uns nicht nur den Boden unter den Füßen weggerissen, er hatte uns wahrscheinlich von der Erde irgendwo ins Weltall gestoßen.

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