Shugun erzählt...
Bevor ich meine Lage richtig einschätzen konnte, hatte er mich schon am Hemd gepackt. „Du arrogantes, aufgeblasenes Arschloch! Du nichtsnutziger, schwächlicher Wicht!", schrie er mich an „Wo hast Ditos Entlohnung?! Na komm schon, sag!" Ich machte noch nicht einmal Anstalten mich aus seinem Griff zu befreien, so überrumpelt war ich. Doch in meiner Bedrängnis wurde mir entsetzt klar, dass ich gar kein Geld bei mir hatte. Ich bin es gewohnt, nie bezahlen zu müssen. Deborah kam mit zur Hilfe. Sie packte den Jungen an der Schulter und hielt ihm einen Silbertaler hin. „Reicht das?", fragte sie lächelnd. Er nickte und sah sie bewundernd an. Sie war ja auch wirklich schön. Das musste selbst ich ihr zugestehen. Ditos Bruder nahm das Geld an und stellte sich als Lilian vor. Dabei brachte er sogar ein Lächeln zustande. Deborah holte ihm etwas zu trinken und ich sah meine Chance gekommen endlich zu gehen. Ich hatte jedoch nicht mit Suleika gerechnet. Noch bevor ich für Tür erreicht hatte, wies sie mich zurecht:„Du kannst dich jetzt nicht einfach auf und davon machen. Schließlich schuldest du uns einen Silbertaler. Ich werde dich persönlich begleiten um ihn zu holen." Stolz reckte sie das zarte Köpfchen und sah mich mit Herrschermiene an. Ich musste über die grinsen. Sie ging mir grad mal bis zur Schulter und führte sich auf, als könnte sie mich herumkommandieren. Lilian blickte mich mit unverhohlener Verachtung an. „Hier liegst du anscheinend auch nur allen auf der Tasche. Weißt du, was du bist? Ein mieser, hinterhältiger Schnorrer. Das bist du. Und ein Betrüger noch dazu." Ich musste mich echt noch daran gewöhnen, dass man in den niederen Kreisen anscheinend alles aussprach,
was man dachte. Ich war sonst immer mit Respekt und Bewunderung behandelt worden. Aber was in der restlichen Stadt auch galt, es galt anscheinend nichts in Cosabran. Entrüstet starrte ich Lilian an. Suleika verzog bloß verächtlich den Mund. Auf eine hochnäsige Art, die ich sonst nur bei reichen Fürstinnen gesehen hatte. Was wusste sie? Was hatte sie von unserem Gespräch mitbekommen?Nachdem Lilian gegangen war, nicht ohne mich noch einmal mit einem Blick voller Respektlosigkeit und Hass zu mustern, brachen wir tatsächlich zu dritt auf. Am späten Nachmittag kamen wir am Tor von Cosabran an. Erleichtert stieß ich das alte Tor auf. Mir kam es vor als hätte man ein Joch von mir genommen, sodass ich dieses Elendsviertel endlich verlassen konnte. Hierhin würde ich nicht mehr zurückkehren. Zumindest nicht bevor ich die Verhältnisse nicht gebessert hatte. Mit meiner Beklemmung verschwand auch meine Zurückhaltung. Ich war wieder Herr der Lage. Auch an meine guten Manieren erinnerte ich mich wieder. „Wenn die Damen bitte warten würden.", lächelte ich mit einer eleganten Verbeugung, die meinem Tanzlehrer Fouquet in Entzücken versetzt hätte und betrat daraufhin die kleine Wachkammer, um mich umzuziehen. Draußen hörte ich Deborah kichern. Ich versuchte mich nicht darüber zu ärgern. Vielleicht hat Suleika ja einen Witz erzählt, versuchte ich mich zu überzeugen. Das gelang mir aber nicht ganz. Ich zog mich schnell um. Gern hätte ich mich auch gewaschen, aber dazu stand nichts bereit. Auch wenn das Zimmerchen klein war, fühlte ich mich nicht mehr als wäre ich verbotener Weise hier. Dieses Toranbau gehörte genauso mir wie der Palast. Ich begann sogar mich hier wohl zu fühlen. Alles besser als dieses vor Lachen prustende Turteltäubchen mit seinem Adlerblick und ihre winzige, arrogante gerne-mal-Fürstin Begleiterin!
Doch es half nichts. Ich raffte mich auf und trat hinaus.
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Das Lebenselixier
FantasyCadumerun: Ein Land wie aus 1001 Nacht. Oder doch nicht? Um ihren totkranken Bruder zu retten, ziehen Shugun und Radun in das Mystas Gebirge, um das sagenumwobene Lebenselixier zu finden. Was sie nicht wissen: Sie gelangen damit in das Nest der Rebe...