Epilog

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Mit zittrigen Beinen hielt er sich an der Gittertür fest und sah starr auf den Boden. Wie vor paar Tagen war er auch hier, konnte sich jedoch nicht trauen den Hof zu betreten.

Er kämpfte gegen die Tränen und sah sich den zerknitterten Brief an, den er seit Tagen nicht mehr losließ. Seine Tränen wollten ihn verlassen, er wusste, wie sich es anfühlte, verlassen zu werden. Schließlich hatte ihn sein Herz verlassen.

Seine Nefes. Seine Stütze. Seine Liebe. Sie war weg.

Er war wie eine Leiche. Blass und seelisch weg. Als würde sein Körper leben, seine Seele war schon längst unter der Erde. Bei ihr.

Viele Erinnerungen schossen ihm durch den Kopf.
Wie er sie rettete, als sie entführt worden war.
Wie er sie mit Canan betrog.
Wie er ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte.
Wie Timur Kaan ihre Hand festhielt und ihren runden Bauch streichelte.
Es waren Kayahans Kinder und nicht Timur Kaans. Die Wut in ihm brodelte, als er an ihn dachte.

Er konnte sich noch daran erinnern, wie sie einmal in einer Ecke gekrochen war und Angst hatte. Wie er sie in die Arme nahm und ihr versprach sie niemals loszulassen. Er hatte sein Versprechen nicht eingehalten. Er hasste sich selber.

>>Ich habe so Angst, Kayahan.<<, flüsterte sie und hielt mich an meinem T- Shirt fest.
>>Solche verdammte Angst.<<, wiederholte sie
>>Ich halte deine Hand fest und lasse sie niemals los, Nefesim.<<
>>Nichts ist für die Ewigkeit. Auch du wirst mich eines Tages verlassen.<<
>>Bis der Tod uns scheidet.<<, flüsterte ich und umarmte sie immer fester als würde sie verschwinden.
>>Bis der Tod uns scheidet.<<, wiederholte sie meinen Satz.

Er schluckte, versuchte den Kloß runter zu schlucken. Der Tod hatte sie wirklich getrennt.
Er zerknitterte das Brief immer mehr in seiner Hand, als er an Nefes dachte.

Nefes stand im Park und schaute ihn an, als würde sie ihn zum ersten und zum letzten Mal sehen. Versuchte sich jede Bewegung, jede Mimik sich ein zu prägen.

Ihre grauen Augen waren von der Röte umrandet gewesen, sie leuchteten nicht mehr wie davor.

Kein Funken Hoffnung schimmerte mehr, die er so sehr an ihr geliebt und bewundert hatte. Sie schimmerten nur noch von den Tränen. Sie war total abgemagert und sah krank aus. Ihre Wangenknochen stachen stark heraus und die Blässe, sie war nicht blass, damit konnte man sie nicht vergleichen, sie war weiß. Weiß wie ein Blatt Papier.

Man konnte jede einzelne Vene sehen. Das Rosa an ihre Lippen, war auch verschwunden und war blass. Sie hatte Augenringe. Nefes war offiziell kaputt. Wie gerne ich sie in meine Arme nehmen würde und verschwinden würde. Weit weg, damit sie glücklich blieb. Ihm fiel Canan und sein Baby ein, das war ein großer Fehler den er tat.
Er könnte sich dafür umbringen das er mit ihr schlecht umgegangen ist. Er hatte sie an dem Tag das letzte Mal gesehen. Das letzte Mal war sie in seinen Erinnerungen.

Er war wütend auf Nefes. Doch so schnell die Wut in ihm aufstieg verschwand es auch. Seine Liebe zu ihr war groß. Zu groß.
Nichts und niemand konnte und kann sie zerstören.
Ihre Liebe zueinander war stark. Sehr stark sogar.
Er hatte mit ihr gelacht. Mit ihr geweint. Sie haben die schlimmsten Zeiten durchgemacht, sowie die schönsten. Haben sich gegenseitig die Hand gegeben und beim Fallen geholfen. Sie waren wie Körper und Seele.
Jedoch war ihre Liebe von Trauer umhüllt. Sie wurden getestet, haben aber auch gewonnen.
Ein Beweis.
Seine Kinder.
Defne und Mustafa Kemal.

Er wollte seine Kinder immer so nennen. Seine und Nefes' Kinder. Er wollte die Namen mit niemand teilen auch nicht einmal mit Canan.

Ein trauriges Lächeln schmückte sein müdes Gesicht.
Sie war ein Engel auf Erden.

|Wenn Hass regiert|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt