Wiedersehen

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Im Hotel angekommen ließ ich mich im Zimmer direkt auf das weiche Bett fallen. Irgendwie plagte mich der Gedanke, dass ich mich so gut mit dem Polen verstanden hatte und er jetzt weg war. Und irgendwie ärgerte ich mich auch schon wieder über mich selbst. Sobald mir ein Mensch gefiel, hätte ich mich Stundenlang mit ihm befassen können. Es dauerte manchmal Ewigkeiten, bis ich wieder einen klaren Kopf hatte. Das lag aber auch unter anderem daran, dass ich wenig mit Fremdem, gut aussehenden Männern, irgendwie interagierte. Da war es kein Wunder, dass ich mir sämtliche Szenarien im Kopf überlegte, wie und ob wir uns irgendwann mal wiedersehen.
Ich starrte müde an die Decke des Hotelzimmers, währen Kristoph in seiner Tasche kramte und sich ein frisches Hemd überwarf. "Willst du noch weg?", fragte ich ihn verwundert. Nicht dass es mich störte, wenn er jetzt noch in einen Biergarten gehen wollte oder so, aber neugierig durfte man doch sicherlich noch sein. "Einer von vorhin hatte mich gefragt, ob wir noch ein Bierchen zusammen trinken gehen wollen. Er war den ganzen Weg aus Wolfsburg her gefahren und ich fand die Idee gut. Willst du mitkommen?", fragte mich der Deutsche, als er sich sein Portemonnaie in die Gesäßtasche schob. Ich schüttelte liegend den Kopf. "Nein nein. Ich will eurem Männergeschwafel nicht unbedingt zuhören. Vielleicht geh ich selber noch ein wenig in die Stadt. Es ist ja erst halb sechs." erklärte ich und gestikulierte mit meinen Händen um meiner Aussage mehr Ausdruck zu verleihen. Kris lachte und begab sich zur Tür des Zimmers. "Sagste mir dann Bescheid, wenn es bei dir später wird?". fragte er, als er seine Hand schon auf die Klinke legte. "Bescheid", grinste ich zur Antwort und erhob mich leicht. "Nun geh schon, verschwinde. Hab Spaß!", warf ich meinem Stiefvater hinterher und er verließ lachend das Zimmer.  

Es verstrichen einige Minuten in denen ich einfach nur stumm auf dem Bett gesessen hatte. Der Abend war noch früh und ich wollte mir die Stadt eigentlich nicht entgehen lassen. Nachdenklich schweifte mein Blick durchs Zimmer und ich wog ab, was ich machen konnte. Alleine was trinken gehen schob ich direkt in die hinterste Ecke meines Kopfes.
Das habe ich in meiner Jugend oft gemacht, wenn meine Freunde keine Lust auf Party hatten, aber aus dem Alter war ich definitiv raus. Eine andere Idee musste her.
Ich könnte die Stadt besichtigen gehen und mir vielleicht irgendwas vom McDonald's mitnehmen und den Abend dann vor dem Fernseher ausklingen lassen.
Das klang zumindest nach einem besseren Plan als eine 'Ein - Mann - Party' zu starten.
Entschlossen zog ich mir meine Sneakers wieder an, warf mir meine Cardigan über und streifte mir meinen Schlauchschal über den Kopf. Obwohl wir schon Oktober hatten, hielt sich das Wetter gut, weswegen ich mich nicht dazu entschied, eine weitere Jacke mit zu nehmen. Ich schnappte mir meine Lachsfarbene Handtasche und griff nach der Zimmerkarte, die noch auf dem Tisch lag, ehe ich den Raum verließ.

Es hatte nicht lange gedauert, bis ich mit der Straßenbahn die Altstadt Münchens erreicht hatte. Lässig schlenderte ich durch die Strassen und Gassen des Viertels und beobachtete die Menschen, die an mir vorbeiliefen. Man spürte deutlich, dass heute ein Match gewesen ist. Es war unglaublich viel los. Man sah immer noch Fans in den Farben ihrer Mannschaft durch die Stadt laufen.
Rot, wohin man auch sah.
Ich schmunzelte ein wenig über die Besessenheit mancher Menschen.
Ich selber guckte manchmal Sport, befasste mich auch mit den großen Meisterschaften, aber Bundesliga und Champions League waren nicht meine Welt. Davon verstand ich nichts.

Sorglos und mit freiem Kopf bewegte ich mich durch die Menschenmassen, und achtete nicht darauf, was um mich herum geschah. Ich mochte es, mich in großen Städten zu verlieren und achtete dementsprechend auch nicht darauf, wo genau ich hin lief. Ich entschied mich kurzfristig in die nächste Gasse abzubiegen, als ich plötzlich mit jemandem zusammenstieß. Ich sog scharf die Luft ein, als ich mich schmerzerfüllt die Nase festhielt. Die Person mir gegenüber tat es mir gleich, da wir in etwa gleich groß waren. "Tut mir Leid", murmelte ich, immer noch die Nase haltend. Ich prüfte, ob ich blutete, stellte aber fest, dass ich Glück hatte. Die junge Frau mir gegenüber hielt sich auch das Gesicht und tat es mir gleich, als sie ihre Hände vorsichtig von ihrer Nase nahm und schaute, ob eine Spur von Blut zu sehen war. "Haben wir nochmal Glück gehabt", lachte sie und rieb sich noch kurz über den Nasenflügel, der leicht rot wurde. "Tut mir Leid, ich hab dich nicht gesehen", entschuldigte ich mich und sie winkte ab: "Schon gut. Bei den Menschenmassen sieht man die eigene Hand vor Augen nicht."
Während sich die Frau kurz in ihrem Handspiegel ansah, blinzelte ich ein - zwei Mal ehe sich mein Hirn in Bewegung setzte. "Maria?", fragte ich verdutzt und schaute der Braunäugigen in ihre großen Rehaugen. "Wie?", ertönte es von ihr und sie ließ den Spiegel wieder in ihrer Handtasche verschwinden. "Ich bin's, Wiola", half ich meiner alten Schulfreundin auf die Sprünge und sie blinzelte mich erneut an. "NEIN!", rief sie plötzlich laut aus und breitete die Arme aus. Wir umarmten uns sofort und lachten über unsere eigene Doofheit. "Was machst du denn hier?", fragte sie mich, nachdem wir voneinander abgelassen haben. "Was soll das heißen? Die Frage ist doch, was machst DU hier?", lachte ich. "Ich hab angefangen hier zu studieren, nach der Schule. Außerdem wohnt mein Freund hier und da hat sich das ergeben. Und du? Wir haben uns Ewig nicht mehr gesehen. Wie hübsch du geworden bist!", erzählte Maria und ich wurde prompt rot, als sie mir das Kompliment hinterher warf. Im Gegensatz zu meiner Freundin, hatte ich keine sonderlich schöne Jugend genossen. Ich hatte damals keine Ahnung vom Schminken oder gar, wie man Klamotten kombinierte. Ich war immer die, die mit zerrissenen Hosen und übergroßen Männerpullis zur Schule kam. Das hatte sich aber Gott sei Dank mit dem wechsel meines Umfeldes, geändert gehabt.
Heute trug ich oft einfache Jeans und dazu kombinierte ich verschiedene Oberteile. Schwarz gab es kaum noch in meinem Kleiderschrank. Außerdem hatte ich endlich gelernt, wie man sich auch schminken konnte, ohne auszusehen wie eine Dragqueen. "Der Liebe wegen in eine andere Stadt? Hm? Wie romantisch," seufzte ich theatralisch. "Und danke. Ich bin auch stolz auf mich, die Kurve bekommen zu haben. Wie konntest du mich damals nur so rumrennen lassen?", lachte ich und erntete einen tadelnden Blick von Maria. "Ach komm. Ich hab alles mit dir versucht aber du warst einfach nicht belehrbar". Ich zuckte mit den Schultern und schenkte ihr ein freches Grinsen. "Das Gute ist ja, dass mich so niemand auf den Ersten Blick erkennt", zwinkerte ich und erntete einen Klaps gegen meinen Oberarm. "Du wirst mich damit wohl jetzt ewig aufziehen, oder?", fragte mich die Blondine und trat einen Schritt zur Seite, als ein altes Ehepaar an uns vorbei wollte.
"Vielleicht", lachte ich. "Wollen wir was trinken gehen? Ich hab grad eh nichts besseres zu tun.", "Ja, ich war eigentlich auf dem Weg nach Hause aber Tom wird's mir schon nicht übel nehmen, wenn ich später komme", grinste sie und wir bewegten uns zurück in Richtung Innenstadt.
Während wir eine ansprechende Bar suchten, unterhielten Maria und ich uns über alles, was nach der Schule passiert war. Sie erzählte mir, wie sie durch ihren Nebenjob damals, ihren jetzigen Freund kennengelernt hatte und ohne Umwege sofort entschied, in München zu studieren. Ich lachte über diese leichtfertige Entscheidung und wünschte ihr, dass alles gut lief. Sie fragte auch vieles über mich, was ich ihr brav erzählte. Was ich nach der Schule tat, wo mich mein Weg hingeführt hatte und was ich heute in München machte. "Ach, Mein Stiefvater hatte Tickets für das heutige Spiel gewonnen und ich musste wohl oder übel mitkommen", lachte ich und betrat die Kneipe, die wir für ganz gut befunden hatten. "Ist der etwa Bayern Fan?", hakte Maria nach, als sie Ihre Jacke in der Garderobe aufhängen ließ. "Ja, und wie. Du hättest ihn heute bei dem Meet und Greet erleben sollen. Fast schlimmer als ein Fangirl", lachte ich und setzte mich auf die Holzbank, direkt am Fenster. "Und das sagst gerade du, Fangirl Nummer eins.", lachte meine Freundin laut und fügte an: "Mein Freund ist in irgend so einem Bayern Club. Er kann deinen Stiefvater bestimmt mal zum Training mitnehmen", schlug sie vor und ich winkte sofort ab. "Lieber nicht. Vermutlich wäre ich das Opfer, was ständig mit fahren müsste". Bei der Vorstellung allein, rollte ich schon mit den Augen. "Ach wo. Für Frauen gibt's da auch genug zu sehen. Hässlich sind die Jungs nun nicht", schnurrte Maria und griff nach der Menükarte. Ich schnalzte mit der Zunge und schnappte mir ebenfalls eine Karte. "Es geht ja nicht immer ums aussehen", merkte ich an und warf einen Blick aufs Menü.
Wir bestellten uns überbackene Nachos und jeweils ein Bier und führten unser Gespräch über Fußball fort.
"Aber sag, wie fandest du denn das Meet und Greet? Du hast ja nur erzählt, wie Kristoph sich gefreut hat. Aber du warst doch auch da, oder?", fragte sie, ehrlich interessiert und legte ihr Kinn auf ihren abgestützten Händen ab. Ich schob mir einen Chip in den Mund und überlegte was ich sagen sollte. So richtig Gedanken hatte ich mich nicht mehr gemacht, sondern nur an den Polnischen Spieler gedacht. Sofort verwarf ich die Gedanken an den blauäugigen und meinte: "Die hatten alle total Freude daran, mir auf den Nerv zu gehen. Hier, kannst dir die Bilder ansehen." Ich schob ihr mein Smartphone über den Tisch und Maria strich über den Bildschirm, beobachtete jedes Bild genau. "Oh, wie niedlich ist das!", meinte sie plötzlich, als sie an dem Gruppenbild hängen blieb. Ich schnalzte mit der Zunge und verdrehte meine Augen erneut. "Nein, niedlich nicht. Die haben mich mit der Aktion total überrascht. Ich wollte gar nicht auf dem seinen Armen sein. Außerdem gucke ich total verpeilt", rechtfertigte ich mich und meine Blonde Freundin lachte. "Ich finde eher, dass du süß guckst. Und schau mal, wie du dich festklammerst, wie so ein Äffchen", lachte sie nun und gab mir mein Telefon wieder. "Jaja, lach du nur", murmelte ich leicht beleidigt, als ich mir wieder ein paar Nachos in den Mund schob.
Maria wollte mir gerade noch etwas sagen, als plötzlich das klingeln meines Smartphones ertönte. Die leise Melodie von 'In the Night' ertönte und wurde von Sekunde zu Sekunde lauter. "Ich muss da kurz ran", meinte ich und schob den grünen Hörer hoch. Am anderen Ende ertönte plötzlich Kristophs Stimme. "Hey, alles klar? Bist du unterwegs?", fragte er mich. "Ja, ich hab eine Freundin getroffen und wir sitzen in einer Bar", erklärte ich und beobachtete die Blondine, wie sie mich ansah und dann ihren Blick schweifen ließ. Plötzliche Überraschung machte sich in ihren Augen bemerkbar als sie in eine Richtung schaute. Ich hörte meinen Stiefvater sagen, dass er sich bald auf den Weg ins Hotel machen würde, damit ich Bescheid wusste. Ich gab ihm Bekannt, dass es bei mir vielleicht etwas später werde und folgte nebenbei Marias Blick. "Oh Shit", murmelte ich nur, als ich sah, was sich mir dort an der Bar bot. Ich verabschiedete mich von Kris und verstaute mein Telefon in meiner Tasche. Anschließend blickte ich zu Maria. "Das ist doch jetzt nicht wahr, oder?"   

Zakazana miłość  -  Verbotene LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt